# taz.de -- Box-WM in Stuttgart: Gegner gesucht | |
> Die größte Attraktion bei der Titelverteidigung von Felix Sturm saß neben | |
> dem Ring: Thomas Hearns, der Vater des unterlegenen Ronald, gilt als | |
> Faustkampflegende. | |
Bild: Mir großer Präzision: Felix Sturm verprügelt Ronald Hearns | |
Wer zum Boxen geht, hat ein Handy mit Fotofunktion dabei. Fußballprofi | |
Lukas Podolski, Exboxer Axel Schulz, Meistertrainer Fritz Sdunek oder | |
Ringsprecher Michael Buffer - sie alle werden mit wildfremden Menschen im | |
Arm fotografiert. Das gehört zu einem Boxabend genauso dazu, wie freizügig | |
gekleidete Damen auf turmhohen Absätzen und dahinstolzierende Männer mit | |
eng sitzenden Hemden und akkurat in Form gegelten Haaren dazugehören. | |
So auch am Samstag in Stuttgart, wo der Kölner Weltmeister Felix Sturm mit | |
großer Präzision den Amerikaner Ronald Hearns verprügelte und seinen | |
WBA-Mittelgewichtstitel erfolgreich durch technischen K. o. in der siebten | |
Runde verteidigte. | |
Besonders in Stuttgart war allerdings, dass auch diejenigen Anwesenden zum | |
Fotohandy griffen, die üblicherweise gegen den Beweisfotos-sammeln-Virus | |
immun sind. Ihr Motiv: Thomas "Hitman" Hearns. Der 52-Jährige saß als Vater | |
von Sturm-Opfer Ronald am Ring, wurde aber von sonst sehr abgeklärten | |
Boxexperten mit vor Ehrfurcht brüchiger Stimme und zitternden Fingern um | |
ein Foto oder ein Autogramm gebeten, weil er eine Legende ist, einer der | |
ganz Großen des Boxsports der 80er Jahre. | |
Hearns war Weltmeister in sechs Gewichtsklassen. Einer, der nicht wie Felix | |
Sturm ein Feuerwerk zum Einmarsch brauchte, weil er "das Feuerwerk in | |
seinen Händen hatte", wie es einer seiner Begleiter formuliert hat. | |
Nicht selbst zu boxen, sondern seinem Sohn zuzuschauen, war sichtlich | |
schwer für Thomas Hearns. Oft rief er Anweisungen in den Ring, forderte | |
einen "steifen Jab", eine harte, saubere Führhand. Sie war immer sein | |
Markenzeichen. | |
Doch ganz so perfekt und kraftvoll wie einst die Linke des Vaters fand die | |
von Ronald Hearns ihr Ziel nicht. Nur einmal, mit einem Körpertreffer in | |
der fünften Runde, tat der Amerikaner Felix Sturm ernsthaft weh. "Da hat es | |
ein bisschen auf der Leber gekitzelt, und ich musste tief durchatmen", | |
gestand dieser später. "Aber das gehört dazu, ich wusste, dass ich das | |
durchstehe." | |
Ansonsten tat Felix Sturm alles, um darüber hinwegzutrösten, dass er keinen | |
stärkeren Gegner als Ronald Hearns verpflichten konnte: Er zeigte perfektes | |
Boxen. Sturm schlug blitzschnelle Führhände aus einer sicheren Deckung, er | |
variierte, blieb geduldig, stellte sich Hearns schließlich mit einer | |
Rechten in Position und beendete das Duell mit einer zweiten, knallharten | |
Rechten. Der Ringrichter sprang sofort dazwischen, signalisierte mit der | |
einen Hand den Abbruch und hinderte den Sohn des berühmten Vaters mit der | |
anderen daran, zu Boden zu gehen. | |
Thomas Hearns und der Ringarzt stürmten zum Geschlagenen, Felix Sturm nahm | |
derweil bereits die Gratulation seines ebenfalls in den Ring gekletterten | |
Kumpels Lukas Podolski entgegen. Der Fußballprofi war nach dem 1:1 mit dem | |
1. FC Köln bei 1899 Hoffenheim direkt nach Stuttgart gekommen. | |
Und ähnlich wie Thomas Hearns war auch er kein neutraler Beobachter des | |
Geschehens im Ring. "Ich sitze hier als Freund", sagte Podolski, "das ist | |
nicht so, als würde ich mir das Spiel eines anderen Vereins oder so | |
angucken". Für den legendären Thomas Hearns interessierte sich der | |
Fußballer weniger. Er war einzig gekommen, um mit Sturm mitzufiebern. | |
Dennoch: Der Name Hearns verpflichtet, so muss es wohl sein. Denn nach dem | |
sehr einseitigen Duell sprachen sowohl Ronald Hearns als auch Felix Sturm | |
und dessen Trainer Fritz Sdunek von einem "großen Kampf". Es sei nicht so | |
einfach gewesen für Sturm, wie es ausgesehen habe, hieß es. Hearns hielt | |
einen dick verbundenen, offenbar seit der zweiten Runde gebrochenen Finger | |
hoch. Und Sturm zeigte sein deutlich verbeultes Gesicht vor und sagte: "Die | |
Kratzer habe ich nicht, weil es einfach war, der hatte richtig Feuer in den | |
Händen". Sdunek fügte an: "Glauben Sie, diese Blessuren kommen vom | |
Kitzeln?" | |
Felix Sturm ist sich aber sehr wohl bewusst, bei seinem dritten in | |
Eigenregie organisierten Kampf, der wohl am 18. Juni in seiner Heimatstadt | |
Köln stattfinden wird, das anbieten zu müssen, was er immer wieder | |
versprochen hat: einen wirklich großen Kampf gegen einen starken Gegner. Am | |
liebsten wäre ihm offenbar ein Duell mit WBC-Weltmeister Sebastian Zbik aus | |
Neubrandenburg. "Wir führen Gespräche", sagte Sturm in Stuttgart, "aber ich | |
will nicht zu viel versprechen, erst müssen die Verträge unterschrieben | |
sein." | |
20 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Susanne Rohlfing | |
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