# taz.de -- Integration als Planspiel: Große Debatten nachgespielt | |
> Auf der "Jungen Islam Konferenz" diskutierten 40 Teilnehmer über die | |
> Rolle des Islams. Am Schluss gab es einen Empfehlungskatalog für | |
> Bundesinnenminister Thomas de Maizière. | |
Ein Planspiel, das sich mit der Rolle des Islam auseinandersetzt - daran | |
wollte Aylin Selcuk zuerst gar nicht teilnehmen. Mit ihrem Verein DeuKische | |
Generation setzt sich die 22-jährige Studentin zwar schon lange für die | |
Interessen türkischstämmiger Jugendlicher ein, Religion spielt in dem | |
Verein aber keine Rolle. "Meine Eltern haben mich säkular erzogen. Erst als | |
ich bei einer Podiumsdiskussion als Muslimin vorgestellt wurde, habe ich | |
gemerkt, dass ich mich mit dem Thema Islam auseinandersetzen muss", sagt | |
Aylin Selcuk. | |
Gelegenheit dazu hatte sie am Wochenende bei der Jungen Islam Konferenz. | |
Das Planspiel war die fiktive Ausgabe der Deutschen Islam Konferenz (DIK). | |
Zwei Tage lang übernahmen Jugendliche zwischen 17 und 23 Jahren, mit und | |
ohne Migrationshintergrund, die Rollen der DIK-Teilnehmer - also von | |
Politikern, Verbandsvorsitzenden sowie von Vertretern von Initiativen und | |
religiösen Gruppen. Die Mercator Stiftung hat das Projekt gemeinsam mit der | |
Humboldt-Universität (HU) und dem Bundesinnenministerium ins Leben gerufen. | |
Der Anlass: Eine Studie hatte ergeben, dass viele junge Muslime der zweiten | |
und dritten Generation die Islam Konferenz nicht kennen - dabei ist deren | |
Ziel gerade der Dialog zwischen Staat und Muslimen. | |
Ähnlich erging es der Studentin Aylin Selcuk. Sie kannte die Islam | |
Konferenz zwar, fand sie aber intransparent. "Ich wusste nicht, was genau | |
dort diskutiert wird", sagt sie. Für die Junge Islam Konferenz wurde Selcuk | |
schon im Vorfeld die Rolle von Integrationsministerin Maria Böhmer (CDU) | |
zugeteilt - praktischerweise, denn Böhmer ist auch Schirmherrin des Vereins | |
DeuKischeGeneration. So konnte sich die gespielte Böhmer durch Gespräche | |
mit der echten Integrationsministerin auf ihre Aufgabe vorbereiten.Vor | |
allem das Thema Sprachen liegt Selcuk am Herzen: "Warum sollte Türkisch | |
nicht an allen Schulen als Fremdsprache angeboten werden? In den USA lernen | |
die Kinder auch Spanisch in der Schule, weil es dort eine große | |
spanischsprachige Minderheit gibt." | |
Andere junge Teilnehmer wälzten zur Vorbereitung Zeitungen und schauten | |
sich Videos an, um sich möglichst gut in "ihre Person" hineindenken zu | |
können. Und auf einem Vorbereitungsseminar hatten die jungen Leute Zeit, | |
sich intensiv mit der Islam Konferenz auseinanderzusetzen. "Seitdem weiß | |
ich, dass es auf der DIK nicht darum geht, Religion auszulegen, sondern um | |
die Frage, wie man Religion in die Gesellschaft integrieren kann", sagt | |
Aylin Selcuk. | |
Im Planspiel gab es Rollen nicht nur für Teilnehmer der DIK, sondern auch | |
für Journalisten. So übernahm die 18-jährige Kahina Toutaoui die Rolle | |
einer taz-Reporterin. "Echte" Journalisten hingegen waren die meiste Zeit | |
ausgeschlossen. | |
Die jungen Leute spielten die DIK realistisch nach: Am ersten Tag bildeten | |
sie Arbeitsgruppen zu den Themen Islamunterricht an Schulen, Extremismus | |
und Sprachförderung. Die jungen Thomas de Maizières, Guido Westerwelles und | |
Maria Böhmers diskutierten, verhandelten und schmiedeten Allianzen. Kahina | |
Toutaoui und ihre "Journalisten"-Kollegen versuchten derweil, die Stimmung | |
in den Arbeitsgruppen aufzufangen. Am zweiten Tag diskutierten die | |
TeilnehmerInnen Fragen wie: Welche Bedeutung hat der Islam eigentlich für | |
die Integration? Wie stehen wir Jugendliche dazu? | |
Projektleiterin Naika Foroutan von der Humboldt-Universität findet, dass in | |
den jungen Leuten Potenzial steckt: "Anders als die aktuellen Mitglieder | |
der DIK sind die jungen Teilnehmer schon in einer pluralen Gesellschaft | |
aufgewachsen", sagte sie. Die TeilnehmerInnen hätten daher eine ganz andere | |
Wahrnehmung von der Rolle des Islams in Deutschland und somit auch andere | |
Ideen. | |
Der Rollentausch und damit der Wechsel der Perspektive war für Aylin Selcuk | |
aufschlussreich: "Wir Jugendliche fordern immer nur. Aber es gibt | |
Rahmenbedingungen, an die eine Politikerin sich halten muss. Zum Beispiel | |
hat der Bund nicht immer Einfluss auf das, was in den Kommunen passiert." | |
Und das Fazit der taz-Reporterin: "Es war schwierig, bei so vielen | |
Interessen einen Konsens zu finden", sagt Kahina Toutaoui. | |
Es hat aber doch geklappt. Am Schluss stellten die TeilnehmerInnen einen | |
Empfehlungskatalog für Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zusammen. | |
Dessen Inhalt soll aber auf Wunsch der Organisatoren noch nicht | |
veröffentlicht werden. | |
Aylin Selcuk und Kahina Toutaoui hoffen, dass ihre Vorschläge von de | |
Maizière beachtet werden. Wichtig war ihnen vor allem der Austausch mit den | |
anderen TeilnehmerInnen. Nach der Debatte um die kruden Integrationsthesen | |
des einstigen Bundesbankers Thilo Sarrazin (SPD) habe sie den Eindruck | |
gehabt, die Arbeit in ihrem Verein und alle Bemühungen seien umsonst | |
gewesen, sagt Aylin Selcuk. Ähnlich war es Toutaoui ergangen: "Ich war erst | |
mal frustriert, dass das Buch einen so großen Zuspruch hatte", sagt sie. | |
Auf der Konferenz haben beide erfahren, dass vielen jungen Leuten das Thema | |
Integration nach wie vor am Herzen liegt und bereit sind, sich auch mit dem | |
Thema Islam auseinanderzusetzen. | |
20 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Mirjam Schmitt | |
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