# taz.de -- G20-Finanzminister-Treffen: Warnsystem gegen neue Krisen | |
> Die Finanzminister der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer einigen | |
> sich auf eine Checkliste. Die soll helfen, gefährliche Entwicklungen | |
> schneller zu erkennen. | |
Bild: Ganz ruhig: Wolfgang Schäuble, die französische Finanzministerin Christ… | |
PARIS taz | Kann man Erdbeben oder Vulkanausbrüche voraussehen? Nur | |
bedingt, werden Seismologen antworten und auf unterirdische Brüche und | |
tektonische Verschiebungen verweisen. Nicht viel anders scheint es mit den | |
Krisen der Weltwirtschaft zu sein. Das Frühwarnsystem, auf das sich die | |
G-20-Finanzminister am Samstag in Paris einigten, soll rechtzeitig Hinweise | |
auf Verschiebungen und Fehlentwicklungen der Volkswirtschaften geben, um | |
Krisen wie die jüngste künftig zu vermeiden. | |
Die Idee ist bestechend, in der Realität unterschiedlicher Interessen der | |
zwanzig weltgrößten Industrie- und Schwellenländer aber nur schwer | |
durchzusetzen. Das zeigte schon der erste Schritt, bei dem es am Wochenende | |
nur darum ging, sich auf die Indikatoren festzulegen, die riskante | |
Ungleichheiten und Exzesse anzeigen sollen. | |
Bis zuletzt schien eine Einigung vor allem am Widerstand der Volksrepublik | |
China zu scheitern, die entschlossen war, ihre Wechselkurspolitik und ihren | |
Handelsüberschuss gegen jeden Einwand zu verteidigen. Ähnliche Vorbehalte | |
bezüglich der Handelsbilanz machte Brasilien. Auch Deutschland bremste aus | |
Angst, dass sich der Versuch, Handelsungleichgewichte abzubauen, am Ende | |
gegen seine Exportüberschüsse richten könnte. | |
Um Druck aus den Verhandlungen zu nehmen, hatte die französische | |
Finanzministerin Christine Lagarde im Vorfeld des Treffens sogar schon | |
einen Misserfolg antizipiert und als "kein Drama" bezeichnet. | |
Fast wider Erwarten konnte dann am Samstagnachmittag eine erschöpfte, aber | |
strahlende Gastgeberin bei der abschließenden Pressekonferenz echte | |
Resultate vorlegen. Unter ihrer Regie gelang es den Finanzministern, sich | |
auf eine Art Checkliste mit fünf Indikatoren zu einigen. Gemäß Kompromiss | |
sollen diese allerdings weder verbindlich noch gegen bestimmte Länder | |
gerichtet sein ("no targets" im Kommuniqué). | |
Es handelt sich um Staatsverschuldung, Haushaltsdefizite, private Schulden, | |
Leistungsbilanz sowie ungleiche Investitionsströme. Auf ultimativen Druck | |
des chinesischen Ministers Xie Xuren hin werden aber in der Leistungsbilanz | |
die Zinseinnahmen aus den Währungsreserven nicht berücksichtigt. | |
Schließlich wurde auch vereinbart, dass bei der Evaluation "nationale und | |
regionale Umstände", wie die der großen Energie- und Rohstoffproduzenten, | |
mitberücksichtigt werden. | |
Diese Einigung in Paris wurde allgemein als "Etappensieg" gewertet. Weitere | |
Fortschritte sollen das Folgetreffen im April sowie die Vorbereitungen | |
durch eine von Deutschland und Mexiko pilotierte Arbeitsgruppe über die | |
Neuordnung des Währungssystems ermöglichen. Ob es zu einer Art | |
Stabilitätspakt der G-20-Staaten kommt, die 85 Prozent der | |
Weltwirtschaftsleistung repräsentieren, ist aber fraglich. | |
Einig waren sich die G-20-Minister, dass die rasch steigenden | |
Nahrungsmittelpreise eine Gefahr seien und zu Hungerkatastrophen und | |
Revolten führen oder auch die Inflation anheizen könnten. Die Märkte der | |
Rohstoffe und Derivate müssten daher überwacht werden, "um die Transparenz | |
zu verbessern und Missbräuche (durch Spekulation) zu bekämpfen". | |
Weniger Zustimmung fand der französische Vorschlag, eine Abgabe auf | |
Finanztransaktionen zu erheben, um mit den Einnahmen globale | |
Entwicklungsziele zu finanzieren. Präsident Nicolas Sarkozy hofft | |
weiterhin, sich nun zuerst mit den europäischen Partnern darauf zu | |
verständigen. Unentwegt und trotz strömenden Regens demonstrierten vor dem | |
Pariser Finanzministerium auch einige Dutzend "Robin Hoods" für eine solche | |
"Steuer gegen Armut". | |
21 Feb 2011 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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