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# taz.de -- Recycling - ein lohnendes Geschäft: Wo Müll zu Gold wird
> In der Alba-Wertstoffanlage in Mahlsdorf landen die Inhalte aller Gelben
> Tonnen von Berlin - und werden mit modernster Technik säuberlich
> sortiert.
Bild: Wertvolle Rohstoffe - praktisch verpackt.
So bunt kann das Geschäft mit dem Abfall sein. In der Nachmittagssonne
schillern meterhoch gestapelte Plastikballen in allen Farben, an den Ende
flattern lose Fetzen im Wind. Es stinkt nicht, der Verkehr von der
Bundesstraße rauscht leise im Hintergrund. "Lange bleiben die Ballen nicht
hier", sagt Alexander Gora, der Leiter des Alba-Recyclingwerks in
Mahlsdorf. "Wir wollen, dass die Stoffe schnell weiterverwertet werden."
Bis zu 50 Lastwagen passieren jeden Tag die Werkstore mit den Konsumresten
der Berliner und Brandenburger, rund 20 verlassen die Anlage mit den
gepressten, nach Stoffen getrennten Ballen.
Dass Gora am schnellen Materialumsatz interessiert ist, hat nicht nur mit
eventuellen Geruchsentwicklungen zu tun, die der angrenzenden Wohnsiedlung
lästig werden könnten. Das Wertstoffgeschäft ist eine Goldgrube - die
Stoffe sollen schnell getrennt und aufbereitet werden. Von Müll spricht
längst keiner mehr: In Zeiten knapper und teurer werdender Rohstoffe ruhen
große Hoffnungen auf Recyclingwerken wie der Mahlsdorfer Anlage. Sie ist
eines von vier "Leichtverpackungswerken", die Alba bundesweit betreibt.
Jedes Jahr werden hier 120.000 Tonnen Becher, Tüten und Papier aufbereitet;
das entspricht dem Inhalt von 46.470 Sammel-Lkws. Alba macht 2,2 Milliarden
Euro Jahresumsatz mit dem Wertstoffgeschäft, Tendenz steigend. Zum Gewinn
äußert sich das Familienunternehmen nicht - er dürfte aber üppig ausfallen
in einer Zeit, in der das Sammeln und Trennen von Müll weiterhin
attraktiver sind als das Vermeiden.
## Der Chef kennt alle
Die ankommenden Wagen kippen ihre Inhalte in einer Fabrikhalle ab. Becher,
Plastiktüten, Umverpackungen türmen sich bis unter die Decke - die
Kehrseite des Konsums einer Millionenbevölkerung. Hier stinkt es, süßlich,
vor allem aber ist es laut. Gora hat Kopfhörer verteilt, damit ihn die
Gäste verstehen können. "Riechen tue ich nichts, mir fällt das nur nach
drei Wochen Urlaub auf." Der Umwelttechniker trägt robustes Schuhwerk,
Jeans und eine wetterfeste Jacke - Gora ist keiner, der den Betrieb vom
Computer aus steuert. Mit 50 Beschäftigten ist die Anlage überschaubar, der
Chef kennt seine Mitarbeiter.
Kipplader schippen den Abfall auf Förderbänder, die ihn in eine weitere
Halle transportieren. Dort landet alles erst einmal in den Siebtrommeln:
zwei riesige Metallröhren, die sich unaufhörlich um die eigene Achse drehen
und Metallteile, Becher und sonstige Plastiküberbleibsel schütteln. "So
trennen wir nach Größe", erklärt Gora. Was zu klein ist, fällt durch, auf
ein neues Förderband. Überhaupt: die Förderbänder. Die Halle erinnert an
einen futuristischen Film aus den Anfangsjahren des Kinos: Ratternde, mit
Material beladene Bänder kreuzen sich, über freischwebenden Treppen und
darunter, ein für Besucher kaum zu überblickendes Gewirr.
Gora, der die Anlage seit vier Jahren leitet, durchschaut das System
natürlich. Während er über Stufen und Gänge durch die Halle leitet, erklärt
der 31-Jährige die verschiedenen Sortiermechanismen. Wichtigste Trenner
sind "Titech"-Geräte, eine Art Müllscanner. Sie werfen Licht auf das
Förderband, das unterschiedliche Materialien unterschiedlich reflektieren.
Computer ordnen die Reflexe zu, mit Hilfe von Druckluftdüsen werden die
Stoffe getrennt und fallen auf neue Bänder, um weiter sortiert zu werden.
## Arbeiten mit Wind
Auch mit Wind arbeiten die Techniker: Dabei trennt ein Luftstrom
beispielsweise Papier von Erde und Steinen. Bei der Magnetabscheidung
ziehen Elektromagnete Eisenteile und Weißblech aus dem, was früher als
Abfall bezeichnet wurde. Verhakt sich etwas, bleiben die Bänder stehen. "Es
muss nur mal ein Regenschirm dazwischenrutschen, schon geht nichts mehr",
sagt Gora. In einem Kabuff sitzt Schichtleiter Thomas Frenzel vor vier
Bildschirmen und sucht den Fehler. Dann schickt er die Techniker los, nach
einer knappen Minute rollt es wieder.
Frenzel macht den Job seit fünf Jahren. Entspannter ist die Arbeit seitdem
nicht geworden. Private Unternehmen streiten sich bundesweit vor Gericht
mit Kommunen darüber, wer effizienter arbeitet - also schneller und
sauberer. In Bochum hat jüngst Interseroh, eine Tochter von Alba, die Stadt
verklagt. Das Unternehmen wirft Bochum eigenmächtiges Vorgehen vor. In
Dortmund hat die Firma ebenfalls gegen die Wertstofftonne der Stadt
geklagt. Und in Berlin steht das Urteil in einem Rechtsstreit zwischen Alba
und dem Land aus. Es geht um Albas "Gelbe Tonne Plus", einen
Wertstoff-Sammelbehälter, den der Senat verbieten wollte, weil die
landeseigene BSR einen eigenen plant.
Die Bänder in Mahlsdorf laufen zu 80 Prozent der Schichtzeiten, also von
Sonntagabend bis Freitag. Still stehen sie nicht nur wegen Störungen,
sondern vor allem, um gereinigt zu werden. Einmal nach jeder Schicht wird
saubergemacht, auch zwischendurch gehen Putzleute durch. Die Mitarbeiter an
den Sortieranlagen haben dann Pause, sie ruhen sich im Flachbau gegenüber
von der Fließbandarbeit aus. Aller Technologie zum Trotz bleiben Menschen
die Endsortierer. "Händische Kontrolle", nennt Gora das: In einer Art
Blechkasten inmitten der Förderbänder-Halle fischen etwa acht Männer und
Frauen das heraus, was die Maschinen übersehen haben. Plastikfetzen,
einzelne Kanister. Ein Job, der Konzentration erfordert - die Bänder laufen
mit hoher Geschwindigkeit.
Am Ende der Halle landen die sortierten Stoffe in der Pressmaschine.
Ehemalige Plastikdosen landen in einem anderen Stapel als Einwegflaschen,
Waschmittelverpackungen werden gesondert von Getränkekartons
zusammengepackt. Die chemische Zusammensetzung von Verpackungsmaterial ist
kompliziert, nur die genaue Aufspaltung macht es möglich, Neues aus den
Resten zu schaffen. Ein Ballen misst etwa einen Kubikmeter und wiegt 600
bis 1.000 Kilogramm. Lader stapeln sie draußen, nach Material geordnet.
Da liegen sie nun in der Nachmittagssonne und warten auf den Abtransport.
Vielleicht wandern sie in Getränkekisten oder in Blumenkästen, vielleicht
auch in Fliesen, Parkbänke, Autoverkleidungen oder Einkaufskörbe. In jedem
Fall stehen sie am Beginn einer grandiosen Karriere.
21 Feb 2011
## AUTOREN
Kristina Pezzei
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