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# taz.de -- Affäre um britischen Spitzel Mark Kennedy: Offensive als Ablenkung
> Nach Oppositionspolitikern in Bund und Ländern fordert jetzt auch Berlins
> Innensenator Konsquenzen in der Spitzelaffäre um Mark Kenndey. Das soll
> vor allem eins: ablenken.
Bild: Beim G8-Gipfel in Heiligendamm war der zuständige Innenminister über di…
BERLIN taz | Erst war er unwissend, dann uninteressiert, jetzt geht er in
die Offensive. Und eigentlich wäre es ein voller Erfolg: Nachdem Berlins
Innensenator Erhart Körting (SPD) in der Affäre um den umstrittenen Einsatz
eines britischen Spitzels in Berlin lange tatenlos blieb, forderte der
SPD-Mann am Montag nun, Konsequenzen aus der Affäre zu ziehen.
Am Rande einer Sitzung des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus
sagte der Senator der taz: "Dieser Einsatz hat eindeutig in einem
Graubereich stattgefunden, der für künftige Fälle geregelt werden muss."
Ein klarer Satz - und ein Novum. Denn in der Vergangenheit hatten die
Innenminister der Bundesländer [1][vor allem gemauert], wenn es um die
dubiosen Einsätze des britischen Spitzels Mark Kennedy in Deutschland ging.
Der kürzlich enttarnte Spitzel hatte jahrelang in verschiedenen
europäischen Ländern und in Deutschland die linke Szene ausspioniert. Beim
G8-Gipfel in Heiligendamm war er aktiv, bei Anti-Nato-Protesten in
Baden-Baden. Und überall wussten die zuständigen Innenminister zumindest,
dass der Polizist im Einsatz war.
Doch gerade dort, wo Kennedy am auffälligsten wurde, wollten die politisch
Verantwortlichen erst nichts gewusst haben, und sich dann auch um nichts
kümmern: in Berlin. Gerade dort war der Undercover-Agent sogar polizeilich
aufgefallen als die Berliner Polizei den Spitzel im Dezember 2007 unter dem
Tarnnamen "Mark Stone" bei dem Versuch, eine Mülltonne in Brand zu stecken,
festgenommen hatte.
Doch die Berliner Sicherheitsbehörden waren vor allem auffällig
uninformiert: Sie wollen erst im nachhinein davon erfahren haben, dass es
sich bei "Stone" um einen Polizisten gehandelt hat. Das Berliner LKA, so
Körting, sei zwar vom BKA abstrakt darüber informiert worden, dass sich ein
britischer Beamter - angeblich zur Legendenbildung - in Berlin aufhalte.
Über Namen und konkrete Details allerdings hätten in Berlin nie Kenntnisse
bestanden. Einen Ermittlungsauftrag Berliner Behörden, so wiederholte
Körting auch am Montag, habe der Brite nicht gehabt.
Diese Aussagen hätten nun beinahe brenzlig für den Berliner Innensenator
werden können: Nachdem der Wortlaut eines vetraulichen Bundestagsprotokolls
öffentlich geworden war, in dem der BKA-Chef Jörg Ziercke von einer
"Aktion" in Berlin und einer "klaren Zustimmung des zuständigen Landes
Berlin" gesprochen hatte, waren Zweifel an der Darstellung Körtings
aufgetaucht. Ziercke hatte demnach vor dem Innenausschuss des Deutschen
Bundestages in vertraulicher Sitzung auch geäußert, er könne Körtings
Einlassungen nicht verstehen. Denn tatsächlich war in Berlin eine Frage
stets offen geblieben: Obwohl Kennedy von Berliner Polizisten beim
Brandlegen erwischt worden war und Körting nach eigener Darstellung nichts
von dem Einsatz gewusst haben will, machte er bis zuletzt keine Anstalten
aufzuklären, was Kennedy denn noch alles in der Hauptstadt getrieben haben
könnte - und durch wen er dazu legitimiert war. Bislang hatte es gegenüber
der taz von Seiten des Berliner Senats geheißen, die Frage "nach
weiterreichenden Informationspflichten" stelle sich dem Senator nicht.
Montag dann war vielleicht so ein Tag der Wende. Und es war eine Wende, die
auf Druck basierte. Im Bundestag verlangen Politiker wie der
Grünen-Parlamentarier Hans-Christian Ströbele und der
Linksfraktionsabgeordnete Andrej Hunko Aufklärung, in Hamburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg arbeiten Oppositionspolitiker den
"Fall Kennedy" auf. Und in Berlin drückt der Innenpolitiker Benedikt Lux
(Grüne) aufs Tempo, setzte die Affäre am Montag erneut auf die Tagesordnung
des Innenausschusses.
Dort sagte Körting zunächst nichts Neues, im Anschluss an die Sitzung
gegenüber der taz dann aber doch: "Ich möchte in Zukunft gerne wissen,
welche ausländischen Agenten hier in Berlin herumwuseln." Gemeinsam mit dem
BKA müsse angesichts des "Graubereiches" beim Einsatz ausländischer
Ermittler nun geklärt werden, wie mit künftigen Fällen hierzulande
umzugehen sei. Auf welcher Ebene Körting nun den "Graubereich" des
grenzüberschreitenden Spitzeleinsatzes reglementieren will, konkretisierte
er nicht.
Handlungsbedarf gibt es aber allemal. Denn ausländische Verdeckte Ermittler
operieren in Deutschland mit wesentlich größeren Freiräumen als ihre
deutschen Kollegen. Weil die internationalen Spitzel von deutschen Behörden
nicht als Ermittler, sondern nur als private "Vertrauenspersonen"
eingestuft werden, können sie getrost sämtliche Auflagen ignorieren, die
für deutsche Beamte hier gelten würden. Für deutsche Sicherheitsdienste
sind die Spitzel aus dem Ausland daher gern gesehene Gäste. Doch weil - wie
der Fall Kennedy zeigt - Rechtsgrundlagen häufig unklar und tatsächliche
Ermittlungsaufträge kaum aufzuklären sind, haben Politiker aus dem
Bundestag sowie aus verschiedenen Landesparlamenten in den vergangenen
Wochen immer wieder eindeutige rechtliche Regelungen gefordert.
Körting ist nun der erste Landesinnenminister, der sich auch dieser Aufgabe
annehmen könnte - wenn er es denn ernst meint mit der Regelung der
"Graubereiche". Doch ob das so ist, muss sich erst noch erweisen. Seine
plötzliche Charme-Offensive könnte auch einen anderen Grund haben: Dass
Körtings Behörde einfach selbst verwuselt ist. Denn so wie es aussieht, war
es gerade ein Mitarbeiter im Berliner LKA, der mit den Hinweisen aus dem
BKA nur zu fahrlässig umgegangen sein könnte. Er soll, nachdem er
telefonisch abstrakt über den Einsatz eines britischen Ermittlers
informiert worden sein soll, weder seine Vorgesetzten informiert noch einen
Aktenvermerk angelegt haben. Das heißt: Irgendjemand in Berlins
Sicherheitsbehörden wusste durchaus, dass ein Kennedy hier unterwegs war.
Nur sollte es bitte sonst niemand wissen. Erst recht nicht die Chefs.
Ehrhart Körting hält das für ganz selbstverständlich. Bis Sonntag wollte er
nicht einmal wissen, wer bei ihm so wuselt. Jetzt will er den Graubereich
regeln. Vielleicht ja auch den Graubereich in seinen eigenen Reihen.
28 Feb 2011
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## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Kennedy
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