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# taz.de -- Weltkulturerbe: "Wir erleben einen ziellosen Stillstand"
> Der Tourismusberater Stefano Ceci über Italiens Erbe und die
> Tourismuskrise im Sehnsuchtsland der Deutschen. Sein Fazit: Wer etwas
> verbessern will, wird von der Politik isoliert.
Bild: "Der Traum von Pompeji"- ein touristisches Spektakel.
taz: Herr Ceci, das antike Pompeji bricht zusammen, und die schönsten
Strände werden mit Zement zugeschüttet. Dafür schießen die Preise in die
Höhe. Auch die treuesten Touristen sind von Italien enttäuscht. Haben sie
recht?
Stefano Ceci: Unser Land ist immer noch bella Italia. Aber wir Italiener
geben ein enttäuschendes Bild ab. Wir sind eindeutig verantwortlich für
diese Misere, für die Unfähigkeit, unser Kulturgut und unsere
außerordentlichen Naturschätze zu erhalten und aufzuwerten. Wir stecken in
einer wirklich schwierigen Situation. Aber ich bin optimistisch, dass sich
das wieder ändert.
Was sind derzeit die größten Probleme der Branche?
Wir erleben eine Zeit des ziellosen Stillstands. Die meisten Veranstalter
wissen nicht, was sie tun sollen. Die Politik ist nicht in der Lage, neue
Wachstumsimpulse zu geben. Dabei hätten wir das bitter nötig.
Wie sehen denn die konkreten Zahlen aus?
Im internationalen Ranking der Wettbewerbsfähigkeit bezüglich der Preise
stehen wir auf Platz 116 von insgesamt 124 Ländern. Im Web, wo die Zukunft
der Branche entschieden wird, sind nur 7 Prozent der Anbieter präsent. Es
mangelt an der Fähigkeit, effiziente Transportsysteme zu organisieren.
Deshalb ist das Reisen in Italien immer noch chaotisch und inzwischen auch
teuer. Wir verschwenden viele Staatsgelder für kleine, rhetorische
Werbekampagnen, anstatt Projekte für einen nachhaltigen Tourismus zu
finanzieren. Unsere Politiker, allen voran die Tourismusministerin Michela
Vittoria Brambilla, haben leider gezeigt, dass sie den dringenden
Anforderungen nicht gerecht werden. Das beweisen die neuen Daten des
Instituts für Statistik: Die Anzahl der Touristen ist 2010 um 12,4 Prozent
gesunken. Das ist, selbst wenn man die Wirtschaftskrise einkalkuliert, ein
Alarmsignal.
Sie unterstützen den Appell des italienischen Touring Clubs und des
Ferrari-Chefs Luca di Montezemolo, die Ausgrabungsstätte Pompeji in Zukunft
von einem Pool aus Unternehmen, Bürgerinitiativen und Vereinen verwalten zu
lassen. Soll denn jetzt auch noch das antike Kulturerbe privatisiert
werden?
Nein, bestimmt nicht. Aber es ist klar, dass der Staat in Pompeji versagt
hat. Es ist an der Zeit, neue Modelle zu erproben, um unsere Kulturerbe zu
retten und es als wirtschaftliche Ressource für das Land zu nutzen. Die
Kulturschätze gehören nicht uns, sondern der Menschheit. Sie müssen
öffentlich bleiben. Aber um Pflege und Service für die Besucher zu
verbessern, muss der Staat mit den Privaten zusammenarbeiten. Das
funktioniert natürlich nur, wenn das Interesse aller und nicht einzig die
Logik des Profits im Vordergrund steht.
Nicht weit von Pompeji hat der ermordete Bürgermeister Angelo Vassallo
bereits ein neues, umweltbewusstes Modell angestoßen. Die Wasserqualität
ist gestiegen und mit ihr die Zahl der Badegäste, aber auch die
Lebensqualität der Bewohner. Warum folgen im Süden so wenige seinem
Beispiel? Haben sie Angst?
Es stimmt nicht, dass nur wenige seinem Beispiel folgen. Wir arbeiten viel
im Süden und lernen viele Bürgermeister, Lokalpolitiker und Unternehmer
kennen, die ihren Job ernst nehmen. Es gibt viel mehr mutige Menschen wie
Vasallo, als man vermutet. Das Problem ist, dass sie von der Politik
isoliert werden. Oft führen sie allein einen schwierigen Kampf gegen
Umweltverschmutzung oder gar Umweltverbrechen wie illegales Bauen oder
Ablagern von Giftmüll. Dabei sollte der Staat gerade ihnen zu Hilfe kommen.
Wie sind Ihre Prognosen? Wird sich eine Form des nachhaltigen Tourismus
irgendwann auch in Italien durchsetzen?
Ja, natürlich. Dieser Prozess hat schon längst begonnen. Ich denke an die
Region Apulien, wo der linke Politiker Niki Vendola Projekte finanziert,
die Umwelt, Territorium und Tourismus in gleicher Weise fördern. Aber auch
in Sizilien gibt es viele junge Leute, die als Veranstalter, Winzer oder
Gastronom arbeiten und die sich eine anderes, von der Mafia befreites Land
wünschen. In der Toskana und in meiner Region, der Emilia Romagna,
existiert von jeher ein starkes Bewusstsein, dass unberührte Natur und hohe
Lebensqualität gute Voraussetzungen für den Tourismus sind. Dieses Modell
funktioniert, und unsere Hoffnung ist, dass sich der Rest des Landes
irgendwann anschließt. Italien feiert dieses Jahr seinen 150. Geburtstag,
und vielleicht wäre das ja eine gute Gelegenheit, sich um die Zukunft
gemeinsam ein paar Gedanken zu machen.
3 Mar 2011
## AUTOREN
Michaela Namuth
## TAGS
Reiseland Italien
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