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# taz.de -- Private Pensionen: Kubanischer Alltag inclusive
> Bed and Breakfast gegen die Wirtschaftskrise: private Pensionen in Kuba
> sind eine günstige Alternativen für Individualtouristen.
Bild: Private Restaurants und Pensionen werden mit den Produkten vom Bauernmark…
Zwei Betten, ein eigenes Bad, ein Kühlschrank und eine Klimaanlage - so
viel Luxus muss sein im Sozialismus. Die Regierung macht Privatvermietern
strenge Vorgaben, wenn sie die Lizenz für eine "Casa Particular", ein
Privathaus, erwerben möchten. Für jedes Zimmer müssen die Betreiber 200 bis
300 Dollar pro Monat bezahlen, um ihr Haus mit der begehrten blauen
Plakette schmücken zu dürfen, die ihnen offiziell gestattet, in maximal
zwei Zimmern Touristen zu beherbergen.
"2010 waren wegen der Wirtschaftskrise zu wenig Touristen da. Wir haben
tüchtig draufgezahlt", erzählt Linda, die in Trinidad, einem malerischen
Kolonialstädtchen im Süden der Insel, eine Casa Particular betreibt.
In guten Jahren machen die Betreiber allerdings Gewinne, von denen
angestellte Kubaner nur träumen können. 20 bis 30 Dollar kostet eine
Übernachtung - das ist ungefähr so viel wie der durchschnittliche
Monatslohn in Kuba.
Selbst der Präsident Raúl Castro verdient nach offiziellen Angaben nur 30
Dollar pro Monat. Nuri, eine Chemieprofessorin aus Santiago, hat ihren Job
an den Nagel gehängt. "Das hat sich finanziell einfach nicht mehr gelohnt",
sagt die Wirtin eines hübschen blauen Holzhauses in Siboney bei Santiago.
Anstatt Studenten zu unterrichten, bekocht Nuri nun Touristen. Leicht ist
das nicht, denn durch die seit seit 1962 bestehende
Lebensmittelrationierung kommt es immer wieder zu Engpässen.
Milch zum Beispiel ist ein Luxusgut, auf das erwachsene Kubaner in der
Regel verzichten müssen. Nicht so die Touristen, die bekommen zum Frühstück
Milchkaffee, Brot, Obst und Omelettes serviert.
Auch das Abendessen ist reichhaltig: Neben Reis mit schwarzen Bohnen, der
kubanischen Standardbeilage, kommen Salat, Fisch, Schweineschnitzel,
Hühnchen und auf Wunsch sogar Hummer auf den Tisch.
Die Verpflegung in der Casa Particular ist in der Regel besser als das
Essen in staatlichen Restaurants. Statt von lustlosen Kellnern bei
Neonlicht servierten mittelmäßigen Mahlzeiten gibt es kubanische
Hausmannskost im Wohnzimmer - Familienanschluss inklusive.
In Kuba leben meist drei Generationen unter einem Dach. Und so sind
fernsehende Großväter und spielende Kinder fast immer mit von der Partie,
wenn die Touristen essen.
In der Nacht sind Ohrenstöpsel ein unverzichtbares Utensil, denn viele
Kubaner halten wegen der Lebensmittelknappheit Hühner - und Hähne. Und die
machen ab zwei Uhr die Nacht zum Tag.
Auch wenn der Lärmpegel meistens hoch ist, hat die Unterkunft Casa
Particular immense Vorteile gegenüber den All-Inclusive-Ressorts an den
Küsten. Statt Disco-Animation und Allerweltsküche gibt es interessante
Einblicke ins Alltagsleben der Kubanerinnen und Kubaner.
Die 24-jährige Linda aus Trinidad erzählt zum Beispiel von ihrer Arbeit mit
behinderten Kindern: "In Kuba geht es Behinderten und ihren Familien sehr
schlecht. Es gibt fast keine Rollstühle oder andere Hilfsmittel. Eltern,
die ein behindertes Kind haben, können meistens nicht mehr arbeiten, weil
es zu wenig Betreuungsplätze gibt. Für meine Arbeit bekomme ich nur zehn
Dollar im Monat, ohne die Casa Particular könnten wir auch nicht über die
Runden kommen."
In ihr Haus am Rand des Städtchens Trinidad hat Lindas Familie viel
investiert: Der rosa Anstrich des Kolonialhauses ist genauso neu wie die
Fliesen im blumengeschmückten Patio. Die Häuser der Nachbarn sind längst
nicht so schön.
Die Konkurrenz unter den Wirten ist groß. Jedes Mal, wenn einer der
klimatisierten blau-weißen Viazul-Busse mit Touristen den Busbahnhof
erreicht, warten die Betreiber scharenweise hinter dem Absperrband und
versuchen durch lautes Schreien und Plakate auf sich und ihr Haus
aufmerksam zu machen.
Auch professionelle Schlepper warten dort, denn sie kassieren bei
erfolgreicher Vermittlung in eine Casa Particular fünf Dollar von den
Wirten. Meistens werden die Touristen jedoch von Stadt zu Stadt, von Wirt
zu Wirt weitervermittelt - die telefonische Vernetzung und Solidarität der
Kubaner untereinander kennt keine Grenzen.
Durch die umfangreichen Wirtschaftsreformen, die Präsident Raúl Castro
Anfang des Jahres angekündigt hat, wird die Zahl der Privatunterkünfte wohl
sprunghaft ansteigen: 500.000 Staatsangestellte sollen noch in diesem Jahr
ihre Arbeit verlieren. Stattdessen dürfen sie sich selbstständig machen,
mit kleinen Geschäften, Werkstätten und Touristenunterkünften.
8 Mar 2011
## AUTOREN
Silvia Stieneker
## TAGS
Reiseland Kuba
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