# taz.de -- David Ung, Rekrut: "Beim ersten Mal war ich schon nervös" | |
> Er gehört zu den letzten Rekruten, die von der Bundeswehr eingezogen | |
> wurden: Der Schütze David Ung spricht über sein Gelöbnis, das erste Mal | |
> an der Waffe und warum er sich für weitere zwölf Jahre verpflichten will. | |
Bild: Ist ausgebildeter Fleischer und jetzt Rekrut in Munster: David Ung. | |
taz: Herr Ung, Sie sind seit Januar in der sechsmonatigen Grundausbildung | |
bei der Bundeswehr und haben am heutigen Dienstag Ihr Gelöbnis abgelegt. | |
Wie war es? | |
David Ung: Irgendwie ging es schneller vorbei, als ich gedacht hatte. Nach | |
einer Stunde war die Feier schon zu Ende. | |
Wie kann man sich denn so ein Gelöbnis vorstellen? | |
Hier am Standort Munster in Niedersachsen sind wir 6.000 Soldaten. Von | |
denen haben die 370 Rekruten ihr Gelöbnis abgelegt. Wir mussten | |
nachsprechen: "Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen | |
und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen." | |
Eine spezielle Fahnenabordnung hat dabei ihre Hand auf die Fahne gelegt. | |
Alles im Beisein von Angehörigen und Freunden, meine Mutter ist extra aus | |
Kiel gekommen, meine Geschwister und meine Neffen auch. | |
Wann haben Sie Ihre Familie das letzte Mal gesehen? | |
Das ist leider schon ein halbes Jahr her. Vor meinem Dienstantritt habe ich | |
ja als Fleischer in Dresden gearbeitet, und da kann man sich gerade zur | |
Weihnachtszeit nicht wirklich freinehmen. Deshalb bin ich froh, jetzt ein | |
paar freie Tage mit meiner Familie zu verbringen, bis es am Montag | |
weitergeht. | |
Die Wehrpflicht wurde abgeschafft. Sie sind einer der letzten | |
Wehrpflichtigen und haben sich dennoch dazu entschieden, nach der | |
Grundausbildung den Dienst zu verlängern. | |
Ja, ich möchte mich für zwölf Jahre freiwillig verpflichten. | |
Warum? | |
Ich kenne die Bundeswehr jetzt nicht mehr nur vom Hörensagen, und ich muss | |
sagen: Es gefällt mir hier, vor allem das Zusammenleben mit den Kameraden, | |
die Gemeinschaft, das Aktive. | |
Sie wären vorher also nicht auf die Idee gekommen, sich freiwillig zu | |
melden? | |
Nein, auf keinen Fall. Ich wollte einfach nicht aus Dresden weg und meine | |
Freundin allein lassen. Aber ich habe gemerkt, dass ich damit leben kann, | |
deshalb fiel mir der Entschluss nicht so schwer. | |
Warum kam für Sie der Zivildienst nicht in Frage? | |
Weil ich doch eher so der aktive Typ bin. Ich gehe gern in den Wald, | |
brauche die körperliche Bewegung. | |
Wie läuft denn das Zusammenleben mit den anderen Kameraden? | |
Ich muss sagen, da haben sich schon jetzt Freundschaften entwickelt, das | |
ist es ja, was mir so gefällt. Auch wenn es natürlich immer welche gibt, | |
mit denen man sich nicht so gut versteht. | |
Inwiefern fühlen Sie sich als eine Gemeinschaft? | |
In unserem Zug, so nennt man das, sind etwa 40 Mann. Natürlich hängen wir | |
in unserer Freizeit nicht alle zusammen rum. Aber in kleineren Gruppen | |
gehen wir Pizza essen, ins Kino oder einkaufen. Wir werden zu den regulären | |
Mahlzeiten zwar gut versorgt, aber es gibt zum Beispiel nicht so viele | |
Schokoladensorten wie im Supermarkt. | |
Wie sieht ein typischer Tag bei Ihnen aus? | |
Wir werden jeden Morgen um 5 Uhr geweckt, dann waschen wir uns, reinigen | |
unsere Stuben und frühstücken. Ich habe das Glück, mit nur einem Kameraden | |
in der Stube zu sein. Dann geht es zum Waffenempfang und zur Ausbildung. | |
Wir lernen beispielsweise, mit dem Gewehr umzugehen, zu schießen und uns im | |
Gelände zu bewegen. | |
Das Ziel der Grundausbildung ist es ja, jedem Soldaten beizubringen, bei | |
einem Gefecht zu überleben. Außerdem lernen wir, was die freiheitliche | |
demokratische Grundordnung ist, und warum wir dienen. Um 23 Uhr ist dann | |
Zapfenstreich, da müssen wir im Bett liegen und das Licht ausmachen. Aber | |
wenn man danach noch auf die Toilette muss, wird einem das natürlich nicht | |
übel genommen. | |
Haben Sie am Wochenende immer frei? | |
Ja, da fahre ich nach Dresden, meine Freundin besuchen, fünf Stunden im Zug | |
hin und zurück. | |
Gibt es nicht eine Möglichkeit, sich seinen Einsatzort selbst auszusuchen, | |
beispielsweise im Raum Dresden? | |
Ja, die gibt es. Ich werde auch wahrscheinlich nach der Grundausbildung in | |
die so genannte Offizierschule des Heeres nach Dresden gehen. Dort werden | |
die Offiziersanwärter ausgebildet, wir Schützen unterstützen sie bei der | |
Ausbildung, zum Beispiel als Stabsdienstsoldat oder als Fahrer. | |
Wie stellen Sie sich eigentlich Ihre zwölf Jahre in der Bundeswehr vor? | |
Ich möchte mich hier zum Beispiel beruflich fortbilden und meinen | |
Fleischermeister machen, dafür gäbe es auch finanzielle Unterstützung. | |
Ansonsten werden wir sehen. | |
Aus Afghanistan kommen Särge mit gefallenen Bundeswehrsoldaten zurück. Was | |
empfinden Sie bei diesen Bildern? | |
Sagen wir mal so: Jeder Soldat, der bei der Bundeswehr ist, will dem Land | |
und der Familie dienen und sie sichern. Diejenigen, die dorthin in den | |
Einsatz gehen, die kennen ja die Gefahren. Aber natürlich ist es traurig, | |
gerade für die Familien, die ihren toten Angehörigen meist auch lange Zeit | |
nicht gesehen haben. | |
Können Sie sich denn selbst vorstellen, nach Afghanistan zu gehen? | |
Also ich würde hingehen, wenn ich muss. Es ist aber nicht so, dass ich | |
sage, ich will unbedingt in den Krieg ziehen. Ich habe mich eben dazu | |
verpflichtet und würde dann auch dafür geradestehen, wenn es so weit ist. | |
Was war das für ein Gefühl, als Sie das erste Mal eine Waffe in der Hand | |
hatten? | |
Es war auf jeden Fall aufregend, ich war schon nervös, weil ich das erste | |
Mal in meinem Leben scharfe Munition in der Hand hielt. Aber wir wurden auf | |
diesen Moment vorbereitet, man hat uns gesagt, dass wir aufgeregt sein | |
werden und ruhig bleiben müssen. Mittlerweile habe ich mich auch daran | |
gewöhnt. | |
Würden Sie sagen, Sie interessieren sich für Politik? | |
Weniger. | |
Gehen Sie wählen? | |
Ja, schon. Aber ich möchte nicht sagen, welche Partei. | |
Haben Sie eigentlich mit Ihren Kameraden über den Fall des ehemaligen | |
Verteidigungsministers gesprochen? | |
Ganz ehrlich? Gar nicht. Die ganze Guttenberg-Affäre hat uns hier nicht | |
wirklich interessiert. | |
8 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Emilia Smechowski | |
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