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# taz.de -- Guttenbergs Zapfenstreich in der "ARD": "Marienhof" mit Marschmusik
> Die militärische Verabschiedung zu Guttenbergs wurde von der "ARD" live
> übertragen. Der Baron bekam Deep Purple und Ulrich Deppendorf setzte neue
> Maßstäbe.
Bild: "Smoke on the Water" für den Abgänger: zu Guttenberg beim Zapfenstreich…
BERLIN taz | Donnerstagabend kommt "Marienhof" ausnahmsweise aus der
Hauptstadt, genauer: Live aus dem Bendlerblock, also dem
Bundesverteidigungsministerium. Zugegeben, so ganz passt das nicht
zusammen: Schließlich ist die ARD-Vorabendsoap eher mal im kleingeisti... –
Verzeihung: natürlich kleinbürgerlichen Milieu angesiedelt, und das auch
noch in Köln.
Zum munter militaristischen Anlass hätte also fraglos der schweradelige
Konkurrenz-Schmonzes "Verbotene Liebe" mit seinen munter-beschwingten von
Lahnsteins und Hohenfeldens viel besser gepasst. Schließlich wird ein
Gaststar namens Freiherr von und zu Guttenberg als kurzlebige Hauptfigur
ein- wie auch gleich wieder abgeführt. Aber "Verbotene Liebe" läuft nun mal
früher.
Also gibt es den "Marienhof", Folge 3994a, ganz ohne das übliche Personal,
aber dafür live aus Berlin: "Der große Zapfenstreich". Die ARD hat allen
Ernstes ihr heiliges Erstes Programm umgeschmissen und überträgt den
Abschied von Karl Theodor zu Guttenberg. Damit das Ganze für den
öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht noch peinlicher wird, als es ohnehin
schon ist, bekommt auch der hauseigene "Mr. Hauptstadtstudio" der ARD,
Ulrich Deppendorf, eine Nebenrolle: Er soll in seiner "bekannt kritischen
Art" einordnen, was da geschieht, so jedenfalls sieht es die ARD.
Wie die ganze Geschichte ins Programm gerutscht ist, will zwar keiner so
genau wissen, aber als Anstalts-Tagesbefehl wurde offenbar ausgegeben: Man
habe "den Zapfenstreich für Kanzler und Präsidenten" übertragen. Jetzt will
"das Erste diesen Zapfenstreich für Karl-Theodor zu Guttenberg nicht
übergehen, auch weil es anhaltendes und polarisierendes Interesse" an
seiner Person gäbe. So wand sich am Donnerstagnachmittag ein ARD-Sprecher.
Allerdings wurde noch nie einem einfachen Verteidigungsminister eine solche
öffentlich-rechtliche Ehre zuteil. Nicht mal der alten Badenixe Rudolf
Scharping, obwohl der es immerhin doppelt so lang im Amt aushielt, wie der
Freiherr von und zu Guttenberg. "Für einen Verteidigungsminister haben wir
es noch nicht gemacht", gab der ARD-Sprecher zu, man hörte ihn durchs
Telefon schwitzen.
Dabei wusste da noch niemand, wie peinlich das Ganze wirklich wird. "Was
passiert jetzt", will Ulrich Deppendorf vom militärischen Komoderator neben
sich wissen. Ach hätten sie doch Loriots Opa Hoppenstedt genommen, der
kannte sich bei den Märschen wenigstens aus!
Der Uniformierte neben dem Mann vom nichtunformierten Staatsfunk erklärt
derweil staubtrocken, dass sich die FackelträgerInnen – ja, erstmals ist
eine Frau im Wachbatallion – nun zum Teil umdrehen, "weil ja die ganze
Fornmation ausgeleuchtet werden muss". Dann kommt die Urkunde. "Jetzt
bekommt der Minister eine Urkunde überreicht", ordnet Deppendorf kritisch
ein und fragt investigativ weiter: "Was steht darauf?"
Ja, was wohl? Aber der ARD-Mann ist da schon vollends ins militärische
Zerimoniell vertieft und ganz aufgeregt, den neuen Verteidgungsminister
Thomas hatte er schon vorher kurzfristig versehentlich als Lothar de
Maizière zur Nationalen Volksarmee der DDR versetzt. Deppendorf faselt noch
militärisch korrekt was von "die Presse wird noch vorgelasse zu einem Foto"
und dann kommt endlich die Serenade, wo sich der Ex-Minister die Musik
wünschen durfte.
Guttenberg hat sich für seinen Abschied drei Musikstücke ausgesucht: Die
Märsche "Großer Kurfürst" und "König Ludwig II" sowie "Smoke on the Water"
von Deep Purple. Das zeugt von wahrer Größe, zumindest, was die eigene
Beratungsresistenz angeht: Als großer Kurfürst hat er sich selbst wohl gern
gesehen. Dass er sich noch gleich den Marsch des bayerischen Märchenkönigs
Ludwig II dazunimmt, der als "Kini" eher mal Neuschwanstein spielte und im
Starnberger See ersoff, könnte immerhin von Resthumor zeugen.
Konsequenterweise hätte Wunschhit Nummer Drei allerdings von Richard Wagner
sein müssen, dem Ludwig II schon zu Lebzeiten sein Walhalla errichtete.
Aber nein, zu Guttenberg verlangt's nach Deep Purple, "Smoke on the Water",
Jesusmariaundjosefhilfmuttergottes! Wie geht das denn? Sollen so nochmal
Parallelen auf die Dampfplaudereien des Ministers, wieso Zweifel an seiner
Dissertation ganz ungehörig seien, heraufbeschworen werden? War es das
einzige Lied, das er im Konfirmandenunterricht für den Hochadel halbwegs
auf der Schlossmundorgel klampfen konnte?
Oder liegt die Wahrheit ganz simpel darin, dass es in "Smoke on the Water"
um eine abgebrannte Disko und ein Grandhotel am piekfeinen Genfer See geht,
also um ein Milieu, in dem sich Schnösels mit oder ohne von und zu
besonders gut auskennen? Um dem Musikcorps des Wachbatallions die gebotene
journalistische Fairness zu erweisen: Mit seiner Version von "Smoke on the
Water" für Tuba und Glockenspiel können sie sich ohne weiteres auf den
Militärmusikfesten dieser Welt hören lassen.
Doch nicht nur die Marschmusiker, auch Deppendorf setzt neue Maßstäbe in
der weiten Welt der ARD. Unterirdische, allerdings. "Wir hatten alle
gedacht, er wünscht sich ACDC, 'Highway to Hell'", analysierte der Leiter
des ARD-.Hauptstadtstudios messerscharf irgendwo mittendrin. Ob er ahnt,
dass er ihn wird beschreiten müssen, wenn in der ARD noch Reste von
Intelligenz zu Hause sind?
"Ja, das hat ihm gefallen, das kann man sehen", sagt Deppendorf gegen Ende,
und dass Guttenberg gesagt habe, er werde nun einige Gedanken aufschreiben,
was mancher schon als Hinweis deute, da seien wohl Memoiren geplant. Die
kritischste Frage an seinen rotbemützten Nebenmann hat er da schon
gestellt: "Das war heute relativ schnell. Wir hatten mal mehr Zeit, war
mein Eindruck", meinte Deppendorf allen Ernstes.
Wenn sogar die Berliner S-Bahn für miesen Service ihre Stammkunden pro Jahr
zwei Monate umsonst fahren lässt, ist das nächste Gebührenquartal für die
ARD hiermit gestrichen. Aber Deppendorf ist nicht nur nicht kritisch,
sondern bidert sich auch noch an: "Zu Guttenberg wird sicher die Lehren
ziehen aus seiner bisherigen Arbeit. Wir sehen hier, wie ergriffen er dem
Auszug folgt", fabuliert der oberste ARD-Politeinordner in der Hauptstadt.
Sein Nachfolger Thomas de Maizière sitze nun "auf einem Schleuderstuhl,
während Karl Theodor zu Guttenberg auf einem Schlossstuhl Platz nehmen
kann". Soviel Analyse haut dann selbst bei der ARD die letzten Sicherungen
rein, und es folgt eine saubere Doku-Zusammenfassung der KTG-Affäre, die
zwar nichts Neues bringt, aber durchaus einen kritischen Unterton hat.
Allerdings begreift man danach noch weniger, warum sich das Erste wegen "so
vieler lebhafter Stunden im Bundestag", so Deppendorf, "entschlossen hat,
den Zapfenstreich zu übertragen". Denn das Ergebnis ist fatal: Die ARD
geriert sich plötzlich tapfer als Staatssender in Uniform. Und weil
Zapfenstreich-Experte Deppendorf anscheinend wirklich mit noch mehr
Fackelzug und Umtata gerechnet hatte, hatte das Erste plötzlich ein Loch im
Programm – und sendete minutenlang Berlins schönste Bahnstrecken.
Weggetreten, ARD, aber so was von!
10 Mar 2011
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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