# taz.de -- Die Online-Welt im Buch: Die Copy-Kultur ist schon älter | |
> Die Brüder Tim und Kai-Hinrich Renner haben in ihrem Buch "Digital ist | |
> besser" die US-Debatten zum Internetzeitalter der vergangenen Jahre | |
> zusammengefasst . | |
Bild: Mixtapes: Mit dem Kassettenrekorder fing es an. | |
BERLIN taz | Der erste Kassettenrekorder, das war ein ganz großes Ding für | |
Tim Renner und seinen Bruder Kai-Hinrich. "Mediale Emanzipation von den | |
Eltern", die Möglichkeit, selbst kreativ zu werden, Mixtapes zu machen. Der | |
Kassettenrekorder steht ganz am Anfang ihres Buchs "Digital ist besser", in | |
dem sie eigentlich erklären wollen, warum das Internet nicht der Untergang | |
ist. | |
Ein ziemlich treffender Einstieg, ist doch auch ihr Buch eine Art Mixtape, | |
eine bunte Zusammenstellung von vielen Diskussionen, die das Netz | |
aufgeworfen hat. Und ein Mischmasch aus allerlei Theorien, über die | |
US-Autoren schon vor Jahren Bücher geschrieben haben. | |
Daran ist nichts Ehrenrühriges. Schon Isaac Newton verwendete den | |
Ausspruch, dass wir alle nur auf den Schultern von Giganten stehen - also | |
dass vieles, was wir denken, sagen und schreiben, darauf basiert, was wir | |
anderswo schon gelesen, gehört und gesehen haben. So dröseln die Renners | |
erst einmal kleinteilig auf, warum Remixen von Musik und Magazinen schon | |
Teil ihrer damals noch analogen Jugend in den Siebzigern war. | |
Das dauert ziemlich lang und ist gespickt mit biografischen Enthüllungen | |
über das Elternhaus Renner (Vater Alkoholiker, Mutter Buchmessie), die viel | |
weniger interessant ist, als es den beiden Renner-Brüdern wahrscheinlich | |
vorkommen mag. Vor allem strecken sie die Botschaft, dass Jugendliche schon | |
vor Youtube Musik, Bilder und Texte für kreative Neuschöpfungen | |
zusammengebastelt haben, dass Kopieren ein Grundprinzip von Pop ist, über | |
Dutzende Seiten. | |
Und sagen damit nichts, was der Stanford-Professor und | |
Free-Culture-Aktivist Lawrence Lessig nicht schon seit Beginn der Nuller | |
Jahre in Büchern schreibt und mit nur ein paar amüsanten Slides auf den | |
Vortragspodien der Welt zusammenfasst. | |
Darüber hinaus ist die Liste der teils genannten, teils ungenannten | |
US-Netzvordenker-Anleihen lang. Etwa, wenn der Musiklabelbruder (Tim, | |
Exchef von Universal Deutschland) und der Journalistenbruder (Kai-Hinrich) | |
Renner darüber schreiben, dass das Internetzeitalter eine große Zahl von | |
Nischenprodukten längerfristig großen ökonomischen Erfolg haben (schrieb | |
Netzjournalist Chris Andersen bereits 2004 im Buch "The Long Tail"). | |
Wenn sie sich darüber erregen, wie wichtig es ist, für Netzneutralität | |
einzutreten (seit Jahren Thema des Professors Tim Wu, der Anfang 2010 sein | |
Buch "Master Switch" dazu veröffentlichte). Wenn sie darauf hinweisen, dass | |
im Netz jeder Prosument ist, also nicht nur Medienkonsument, sondern auch | |
Gestalter (spätestens seit "Here Comes Everybody" des New Yorker | |
Netzmedienvordenkers Clay Shirky 2008 fester Bestandteil der US-Diskurse). | |
Die Brüder Renner dackeln mit ihrem Buch fünf bis zehn Jahre hinter dem | |
US-Diskurs her. Wie so häufig, wenn in Deutschland über "dieses Internet" | |
geschrieben wird. | |
So aber lässt sich kein Buch verkaufen. Also berauschen sich die Renners | |
lieber an ihrer Pop-orientierten Zeitgeistigkeit, die so viel progressiver | |
ist als all dieses rückwärtsgewandte, buchfixierte deutsche | |
Bildungsbürgertum. | |
Darum schreiben sie auch in ihrer Einleitung, dass gegenüber dem Internet | |
"Akzeptanzprobleme" und "allerlei Bedenken und medialer Alarmismus" | |
herrschten - eine Stimmung, die in Wirklichkeit gar nicht so beherrschend | |
ist, der die Renner-Brüder aber trotzdem mutig entgegentreten wollen. | |
Falsch ist vieles von dem, was sie schreiben, trotzdem nicht. Als "Sendung | |
mit der Maus" für Themen wie Urheberrechte im Netz, dem Unsinn von | |
Kopierschutz, Kulturflatrates oder Medien im digitalen Zeitalter taugt | |
"Digital ist besser" allemal. | |
Auch wenn es sich in Gedanken über die Ausweitung von öffentlicher | |
Filmförderung und GEZ-Finanzierung versteigt, aber den wachsenden Markt der | |
Computerspielindustrie fast vollständig ignoriert. Auch wenn es zwar unkt, | |
man müsse neue Bezahlsysteme für Netzinhalte schaffen, die attraktiver sein | |
müssen als Piraterie, aber keine Ideen dafür verrät - nicht einmal die, die | |
im Netz bereits kursieren. | |
Ein Buch für die digitale Avantgarde haben die Renners mit "Digital ist | |
besser" jedenfalls nicht geschrieben. Die nämlich kauft die Bücher der | |
US-Netzvordenker bei Amazon, sobald sie in den Staaten erscheinen. Auf | |
Englisch. Oder aber sie verfolgen auf deren Blogs, welche neuen Posts und | |
Aufsätze dort erscheinen. Kostenlos. Ohne dass sich deren Bücher, in denen | |
diese Gedanken dann noch einmal zusammengefasst werden, nicht mehr | |
verkaufen. Verrückt, diese Onlinewelt. | |
Kai-Hinrich & Tim Renner: "Digital ist besser: Warum das Abendland auch | |
durch das Internet nicht untergehen wird", Campus-Verlag, 2011; 246 Seiten, | |
22,00 Euro | |
11 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
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