# taz.de -- Aus der Literataz: "Die Kriegsbraut": Ah, es ist Ladies Day | |
> Frauen in der Hauptrolle: Dirk Kurbjuweit stellt deutsche Soldatinnen in | |
> den Mittelpunkt seines realistischen Afghanistanromans "Die Kriegsbraut". | |
Bild: "Die Kriegsbraut": Bilder und Geschichten vom Hindukusch, mit Frauen in d… | |
Die deutschen Afghanistansoldaten sind längst in unseren Fiktionen | |
angekommen. In Katharina Hackers Roman "Die Erdbeeren von Antons Mutter" | |
ballern sie auf der Autobahn herum, in "Deutscher Sohn" von Ingo Niermann | |
und Alexander Wallasch wollen ihre Wunden nicht verheilen, und im "Tatort" | |
dürfen sie ihre Traumata in die bundesrepublikanische Zivilgesellschaft | |
tragen. | |
Esther aber, die Protagonistin des neuen Romans von Dirk Kurbjuweit, denkt | |
sich: "Es war Zeit für eine neue Generation von Kriegsfilmen, mit Frauen in | |
der Hauptrolle", und so ungefähr denkt das ihr Autor wohl auch. | |
Kurbjuweit, der sonst für den Spiegel schreibt, hatte dort den Einsatz in | |
Afghanistan befürwortet und anlässlich des Films "Der | |
Baader-Meinhof-Komplex" begeistert begrüßt, dass es jetzt statt Worten | |
endlich "die wichtigsten Bilder" gebe, "und das sind die Bilder von den | |
Taten". Und so versetzt uns denn sein realistisch erzählter Roman | |
"Kriegsbraut" unmittelbar ins Geschehen und füttert uns - wie der Film, der | |
er einmal werden möchte - mit Bildern und Geschichten vom Hindukusch, mit | |
Frauen in der Hauptrolle. | |
Und zwar mit zunächst eher erwartbaren. Esther kommt aus Vorpommern und hat | |
Schwierigkeiten mit Männern und deren dauerndem "Irrealis" (Vater | |
Vereinigungsverlierer, Freund langweilig, und der verheiratete Filmemacher | |
Thilo will dann doch nicht auf seine Familie verzichten). "Auch deshalb | |
mochte sie es, über einen langen Flur zu gehen, auf dem ihre Kampfstiefel | |
quietschten." | |
In Afghanistan teilt sie das Zimmer mit Ina, Typ Promiske, und Maxi, Typ | |
Kampflesbe. Und auch außerhalb des Lagers ist Afghanistan so, wie der | |
unbedarfte Rezensent es sich vorstellt: "gelbstichig, undeutlich. Man fuhr | |
und sah sich in einen langen Stummfilm versetzt." Man hat Angst vor | |
Anschlägen und Sprengfallen, die Frauen zusätzlich vor Vergewaltigungen in | |
Feindeshand. Aufgrund ihrer Russischkenntnisse hat Esther regelmäßig | |
Außeneinsätze, um mit dem Leiter einer Dorfschule zu kommunizieren. | |
"Mädchen können Schulen besuchen", das war schon im Spiegel-Artikel ein | |
wichtiger Punkt für Kurbjuweit gewesen, und dafür soll Esther sorgen. Und | |
siehe da, es gibt auch Kollateralnutzen: Der junge Mann heißt wie | |
Deutschlands Lieblingstürke, Mehsud, und man kommt einander wider alle | |
Wahrscheinlichkeit näher. | |
"Deutsche Soldatin küsst afghanischen Lehrer heimlich in einem afghanischen | |
Schulgebäude. Hier war Einmaligkeit erreicht, da war sie sich sicher." Das | |
Script sollte sich also verkaufen lassen, zumal auch noch ein | |
Talibanangriff mit amerikanischer Luftrettung und toten Kindern im Programm | |
ist, der an die Kundus-Affäre gemahnt. | |
## Eine Burka namens Fatima | |
Aber was will uns das sagen? Dem politischen Kolumnisten Kurbjuweit ist es | |
sicher ernst mit dem humanitären Auftrag. Er hält das deutsche schlechte | |
Gewissen beim Töten für verständlich, aber falsch und lässt auch Mehsud in | |
diesem Sinne argumentieren: "Die Deutschen sind die nettesten Soldaten der | |
Welt, sie schießen nicht, sie winken." Aber: "Solange es Afghanistan gibt, | |
ist niemand unschuldig." Für die Romanhandlung jedoch werden weder das | |
Beschulen der Mädchen noch der gerechte Krieg und schon gar nicht die | |
Taliban wirklich entscheidend. | |
Vielmehr genießt Esther in ihrer Liebe zu dem Afghanen vor allem die | |
Vorstellung, die Illusion der sexuellen "Verfügbarkeit" der Soldatinnen bei | |
den deutschen Kameraden zu unterlaufen - die allerdings von diesem | |
Verhältnis gar nichts ahnen. Hier wie bereits in der Begründung für Esthers | |
Soldatwerdung prägt eine unklare Mischung aus Eskapismus und Emanzipation | |
den Roman, die den Leser ein wenig ratlos macht. | |
Also noch mal: Wozu Fiktionen über einen realen Krieg? Wie unterscheidet | |
sich Kurbjuweits gut lesbare Afghanistanstory von den hollywoodesken | |
Treatments, die Esthers Bekanntschaft Thilo entwirft, "irgendwas zwischen | |
'Mad Max' und 'Waterworld' "? Im hemingwayschen Realismus der Darstellung, | |
würde er vielleicht antworten, und in der Konzentration auf die weibliche | |
Perspektive. Der Realismus aber, das ist seine Natur, reproduziert | |
Bekanntes. Und was ändert es schließlich am Kriegseinsatz, bei dem Frauen | |
und Kinder umkommen, ob Soldaten und Piloten weiblich sind ("Ah, Ladies | |
Day", sagt die Pilotin, bevor sie feuert)? | |
Die afghanische Frau bleibt eine Leerstelle. Und genau hier schwingt sich | |
der Roman zu seinem ambitioniertesten Symbol auf: Maxi kauft eine blaue | |
Burka, die sie liebevoll bestickt und schließlich ausstopft. Von diesem | |
Moment an ist "Fatima" die vierte Bewohnerin der Frauenstube, und ihr | |
werden nun jene Lebensgeschichten angedichtet, die mangels echter | |
Begegnungen selbst für die Soldatinnen vor Ort reine Phantasmen bleiben. | |
Indem Maxi sich schließlich, effektvoll inszeniert, in dieser Burka selbst | |
erschießt, setzt Kurbjuweits Roman jenen dicken, blutigen | |
Bedeutsamkeitsmarker, ohne den gegenwärtiges realistisches Erzählen | |
offenbar schlecht auskommen kann. | |
Denn, so könnte man sich in Anlehnung an James Joyce' "Die Toten" fragen, | |
wofür soll eine deutsche Soldatin, die sich in einer selbst bestickten | |
blauen Burka in Afghanistan erschießt, wohl ein Symbol sein - wenn nicht | |
für die Sinnstiftungsschwierigkeiten einer neuen Generation von | |
Kriegsliteratur, mit Frauen in den Hauptrollen? | |
Dirk Kurbjuweit: "Die Kriegsbraut". Rohwohlt Berlin, Berlin 2011, 333 | |
Seiten, 19,95 Euro. | |
18 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Moritz Bassler | |
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