# taz.de -- Bastian Pastewka über Fernsehen: "Ich jage und finde TV-Perlen" | |
> Comedian Bastian Pastewka über Gottschalk, Dschungelcamp, den trostlosen | |
> Zustand unseres Fernsehens – und warum er trotzdem weiterguckt. | |
Bild: "In der Arbeit will ich mich nicht verbiegen": Comedian Bastian Pastewka. | |
taz: Herr Pastewka, übernehmen Sie jetzt eigentlich "Wetten, dass ..?"? | |
Bastian Pastewka: Ich bin ganz froh darüber, dass man mich nicht fragen | |
wird. Und wenn man mich fragt - und ich betone noch einmal ausdrücklich, | |
dass das nicht geschehen ist und nicht geschehen wird -, würde ich | |
innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde absagen. Denn das kann ich nicht. | |
Ich bin überhaupt kein Moderator. Auf eine Bühne zu treten und "Guten | |
Abend, Augsburg; ich freu mich auf einen tollen Samstagabend mit Ihnen" zu | |
sagen und ein paar Hammerpointen zum Guttenberg-Rücktritt rauszuhauen, ist | |
nicht meine Disziplin. | |
Thomas Gottschalk ist ein Meister darin - sowie auch und gerade mit | |
unvorhersehbaren Ereignissen einer Live-Sendung richtig umzugehen: sei es | |
nun der Wutausbruch von Marcel Reich-Ranicki beim Deutschen Fernsehpreis | |
2008 oder der Unfall von Samuel Koch in der Dezember-Ausgabe von "Wetten, | |
dass ..?". Da kann ich nur Chapeau rufen. Ich hätte mir die Sendung lieber | |
noch fünf Jahre mit Gottschalk angeguckt als mit irgendeinem Nachfolger, | |
auf den man jetzt sehr schnell kommen muss, weil Gottschalk schon im Sommer | |
abtritt. | |
Wer könnte ihn beerben? | |
Ich habe keine blasse Ahnung. Ich weiß nur zwei Namen, die gehandelt | |
werden: Davon habe ich einen schon wieder vergessen, und der andere ist | |
Jörg Pilawa. | |
Auch Hape Kerkeling wird immer wieder genannt. | |
Hape Kerkeling ist der größte deutsche Komödiant und einer der besten | |
Moderatoren überhaupt, der aber sehr darauf achtet, sich nicht zu | |
verbrauchen. Deswegen hat er etwa schon nach wenigen Folgen "Hape trifft!" | |
die Segel gestrichen und nach zwei Staffeln "Let's Dance". Ich weiß nicht | |
mal, ob er überhaupt gefragt wurde, aber ich kann mir vorstellen, dass er | |
"Wetten, dass ..?" nicht übernimmt. | |
Beschäftigt Sie als Fernsehstar, der für seinen exzessiven Fernsehkonsum | |
bekannt ist, diese Frage? | |
Weniger die nach der Nachfolge, sondern ob das System "Wetten, dass ..?" | |
sich je wieder von dem Unfall erholen wird. Die Sorglosigkeit ist weg, die | |
Leichtigkeit, auf Nimmerwiedersehen. | |
Was kann für Gottschalk nach "Wetten, dass ..?" noch kommen? | |
Natürlich weiß ich nicht, was seine Pläne sind, aber ich könnte mir | |
vorstellen, dass es ihm gut stehen würde, wenn er sich wieder verkleinern, | |
gewissermaßen gesundschrumpfen würde. Ende der 1990er hat er mal zusammen | |
mit Anke Engelke eine mehrstündige bimediale Radio- und Fernseh-Liveshow im | |
WDR gemacht. Das fand ich super: ein fröhlicher Gottschalk, der mal der | |
großen Geste beraubt ist. Und auch als er neulich bei "Maybrit Illner" zu | |
Gast war und sehr ehrlich seine Meinung zum deutschen Fernsehen äußerte, | |
dachte ich mir: Wie schön, dass auch der nachdenkliche Gottschalk beim | |
Publikum ankommt und nicht nur der Showmaster. | |
In der gleichen Sendung hat Mathieu Carrière das Dschungelcamp als | |
"Bildungsfernsehen" geadelt. Würden Sie da mitgehen? | |
Soweit vielleicht doch nicht. Nur weil ich weiß, dass die Show ein höchst | |
manipulatives Format ist, das Unzulänglichkeiten der Kandidaten vergrößert | |
und dadurch eine Realität inszeniert, kann ich es mir anschauen. "Ich bin | |
ein Star - holt mich hier raus!" unterhält mich besser als Soaps und | |
Scripted-Reality-Pseudodokus. Damit werde ich niemals warm werden. | |
Sie haben es also geguckt? | |
Komplett, ja. Jeden Abend. So spannend wie in dieser Staffel war die | |
Sendung noch nie. Da waren acht Millionen Zuschauer und ich uns einig. | |
Mich hat der Umgang mit der Campzicke Sarah Knappik eher abgestoßen, dieses | |
Tribunalhafte, gipfelnd in dem theatralischen Kniefall Carrières mit der | |
Bitte, Sarah möge doch endlich ausziehen. Dieses Profilieren auf Kosten | |
einer offenbar zutiefst verunsicherten jungen Frau fand ich billig. | |
Fremdscham ist offenbar eines der wenigen Gefühle, die von der Mattscheibe | |
noch direkt an den Konsumenten gelangen. Bei einer jungen Frau, die von | |
allen Seiten fertiggemacht wird, hat man das Gefühl, sie nicht alleine | |
lassen zu können - und bleibt hängen. Mir geht das weniger mit dem | |
Dschungelcamp so als mit Volksmusiksendungen des Mitteldeutschen Rundfunks. | |
Da fällt mir fast die Fernbedienung aus der Hand vor lauter | |
Fassungslosigkeit, wenn ich sehe, wie eine Moderatorin Grüße ins Altersheim | |
schickt und dabei so tut, als wäre das ihre große Samstagabendshow. | |
Sie meinen die Sendung "Alles Gute!" … | |
… genau, mit Petra Kusch-Lück und dem "Alles Gute!"-Schwein. Die senden | |
seit, ich glaube, 15 Jahren aus einer anderen Welt. Diese Einspieler! Ein | |
fröhlicher kleiner Jongleur macht mit Bällen irgendwas Verrücktes, vom Band | |
wird ein Lied von Semino Rossi abgespielt und der greise Jubilar freut | |
sich. | |
Und das, Herr Pastewka, ist das erfolgreichste dritte Programm im deutschen | |
Fernsehen. Traurig, oder? | |
Gute und schlechte Sendungen hat es immer gegeben und wird es immer geben, | |
auch ich habe schon fleißig zu beiden Kategorien beigetragen. Was mich viel | |
mehr stört ist die erwartbare Programmierung im deutschen Fernsehen: | |
Freitags um 22 Uhr senden alle dritten Programme ihre Talkshows, jeden | |
Samstag beschert RTL uns Bohlen-Shows bis weit nach Mitternacht und jeden | |
Sonntag wetteifert der heilige "Tatort" mit Rosamunde-Pilcher-Kitsch. | |
Warum hat sich das Fernsehen hierzulande schon zum Hintergrundrauschen | |
verabschiedet wie vor 15 Jahren das Radio?! Die Senderverantwortlichen sind | |
stolzer auf ihre Mediatheken als auf die Inhalte ihrer Programmme und | |
versäumen darüber völlig, wirklich neue Formate zu entwickeln und Talente | |
aufzubauen. Früher haben die Dritten Shows wie "Zimmer frei" und Talente | |
wie Harald Schmidt gefördert, heute verwerten und verwalten sie nur noch | |
alte Erfolge. Und anstatt gute Serien wie "Weeds" und "Mad Men" oder | |
verrückte Formate mit Knacki Deuser, Christian Ulmen oder Benjamin von | |
Stuckrad-Barre im Hauptsender zu zeigen, gründet das ZDF den Spartenkanal | |
ZDF neo, um sie da zu verstecken. Das will mir nicht in den Kopf. | |
ARD und ZDF hätten allein aus ihren Archiven heraus die Möglichkeit | |
nachmittags eine vernünftige Sendestrecke zusammenzubauen, die nicht nur | |
Omi-Fernsehen ist. Stattdessen laufen überall Zoodokumentationen und Soaps. | |
Aber mir als altem Festplatten-Rekorder-Beherrscher ist das egal. Ich jage | |
und finde die Perlen - auch wenn sie nachts um zwei versteckt sind wie die | |
US-Serie "Taras Welten" Freitag früh im Ersten. Ich mache mir eher Sorgen | |
um die nachwachsende Generation, die Fernsehen nur für uninteressant halten | |
kann. | |
Was tun wir dagegen? | |
Ich kann gar nichts dagegen tun außer allen immer wieder zu raten: Schaut | |
doch mal genau nach, wo das gute Fernsehen ist. Programmiert eure Rekorder | |
auf den einzigen Comedy-Sendeplatz der ARD: montags nach dem | |
"Nachtmagazin". "Dittsche" wird es freuen! Oder etwa auf Sonntag 22 Uhr. Da | |
laufen im ZDF die besonderen britischen bzw. skandinavischen Krimis. | |
Ein Sendeplatz, der auch den deutschen Krimiserien "Kriminaldauerdienst" | |
(KDD) und "Im Angesicht des Verbrechens" quotentechnisch besser bekommen | |
wäre als der Freitagabend, wo die junge Zielgruppe anderes vorhat als | |
fernzusehen. | |
Ich habe "KDD" geliebt, jede Folge zweimal geguckt, aber man kann doch auch | |
mal anerkennen, dass das Publikumspotenzial dieser Serien begrenzt ist. Die | |
meisten bevorzugen eben konventionellere Kost wie "Ein Fall für zwei". | |
Okay. Aber das darf doch nicht bedeuten, dass "KDD" oder "Im Angesicht …" | |
nicht trotzdem zum Alltag im Fernsehen gehören dürfen. | |
Sie haben gerade die mangelnde Talentförderung bei den Dritten beklagt - | |
aber im WDR gibt es doch z.B. das Comedyformat "Fun(k)haus". | |
Die Show ist ein gutes Beispiel dafür, wieviel Angst Fernsehmacher vor der | |
eigenen Sendung haben: Man gewinnt einen talentierten Moderator und | |
interessante Nachwuchs-Stand-Upper. Und dann stellt man ins Foyer des alten | |
Konzertsaals im WDR-Funkhaus, wo es aussieht wie im Einwohnermeldeamt und | |
hallt wie in der Kirche; man zeigt die Künstler häufig von der Seite, um | |
den rauschenden Paternoster im Hintergrund auch noch im Bild zu haben. Das | |
ist dann "Kult" und "schräg" und so weiter. | |
Die Annahme, dass Comedy auf Teufel komm raus "offig" daherkommen muss, ist | |
mir unbegreiflich. Und durch die Lieblosigkeit und Unentschlossenheit des | |
Rahmens wird den Talenten auch noch auf die Stirn gemeißelt, dass das auf | |
Dauer eh nichts werden kann. Und das tut mir im Herzen weh. Die Macher | |
sollten sich wirklich schämen für so einen Unsinn … So, jetzt ist die | |
Stimmung gekippt. Und alle Leser und "WDR Fun(k)haus"-Mitarbeiter dürfen | |
mir schreiben, was sie an meiner Sendung doof finden. | |
Wie wäre es zum Ausgleich mit ein bisschen Selbstkritik? "Offensive | |
Rückgratlosigkeit" haben Sie sich einmal attestiert. Wie äußert die sich? | |
Indem ich etwa Ina Müller auf ihre freundliche Anfrage hin meinen Besuch | |
bei "Inas Nacht" zunächst in Aussicht gestellt, dann aber aus Zeitgründen | |
abgesagt habe. In Wahrheit habe ich jedoch abgesagt, weil ich weder singen | |
kann noch trinken will. Und beides halte ich für Basisqualifikationen eines | |
Gastes in diesem Format. Was aber kein Grund ist, "Inas Nacht" nicht mit | |
Freude weiter zu gucken. Nur will ich mich darin nicht sehen. Es gibt daher | |
kaum etwas, was mir mehr Respekt abnötigt als klare Ansagen von Kollegen. | |
Es gibt einen Prominenten, der meiner Serie schon vor vier Jahren einen | |
sehr deutlichen Korb gegeben hat; für die fünfte Staffel von "Pastewka" | |
haben wir ihn trotzdem nochmal angefragt, weil wir ihn einfach brauchten | |
für die Idee, die wir ausgeheckt hatten. Am Tag darauf kam seine Antwort: | |
"Kinder, ich habe Bastian doch vor vier Jahren schon gesagt, dass ich seine | |
Serie scheiße finde. Fragt mich bitte nie wieder!" - grandios! Ich hätte | |
mich rausgeredet mit einer Ausrede wie "Schade, ich stecke in den | |
Vorbereitungen für ein Kinderbuch". Meine Agentur hat eine eigene | |
Abteilung, die sich diese Absagen ausdenkt. | |
Wofür, glauben Sie, steht die Marke "Bastian Pastewka"? | |
Ich weiß es manchmal selber nicht, aber ich glaube, genau dafür könnte die | |
Marke stehen. Ich hätte 1995, als ich beim WDR angefangen habe, weder | |
geahnt noch unterstützt, zunächst fünf Jahre lang eine Sketchcomedyshow zu | |
machen, dann eine Reisesendung, dann eine weitere Sketchcomedy, diesmal | |
ohne Text, dann zwei alberne Edgar-Wallace-Parodiefilme und jetzt eben eine | |
Serie, die meinen Namen trägt und mir eine zweite Haut geworden ist. Ich | |
habe mich eigentlich immer instinktiv für mein nächstes Projekt entschieden | |
- in der Hoffnung, mein Publikum damit immer wieder zu überraschen. Als | |
Zitat meiner selbst möchte ich bitte niemals enden. | |
Apropos "zweite Haut": Ist "Pastewka" am Ende etwa Ihr "Wetten, dass ..?"? | |
Ich fühle mich schon sehr wohl in diesem Format - was maßgeblich an | |
wunderbaren Menschen um mich herum liegt, der Producerin, den Autoren, dem | |
Cast, den Regisseuren, die mit ihren Ideen mindestens genauso viel | |
"Pastewka" sind wie ich selbst. | |
"Kreativen Kommunismus" hat die SZ das neulich genannt. | |
Ja, und ich kann und will nur so arbeiten. Wenn ich mir sicher bin, dass | |
jeder an der Produktion Beteiligte weiß, was zu tun ist, kann ich aufblühen | |
und mache mich mit Leidenschaft zum Affen, erwarte dann aber auch, dass man | |
mich zurückpfeift, wenn ich es übertreibe. Ich brauche Betreuung - mehr als | |
viele denken. Deswegen hasse ich auch nichts so sehr wie die Haltung: Das | |
ist der Pastewka, der wird uns das schon anständig abliefern. Abliefern - | |
ein Unwort. Wenn mir eine Rolle angeboten wird, will ich das Gefühl haben, | |
wirklich gemeint zu sein. | |
Nur darauf springe ich an. Das kann dann auch ein Teenager-Pups-Film sein - | |
wenn Haltung hinter der Anfrage steht und man nicht nur meine sogenannte | |
Popularität einkaufen will. So war es etwa bei dem Petticoat-Drama "Lulu & | |
Jimi". Der Regisseur Oskar Roehler rief mich an und sagte: "Du bist der | |
einzige Jungschauspieler, dem ich abnehme, dass er in seinem Leben noch | |
niemals Drogen genommen, noch nicht mal geraucht hat. Du verkörperst diese | |
spießbürgerliche deutsche 50er-Jahre-Reinheit wie kein anderer." Und ich | |
habe sein Buch gelesen und gedacht: Was für ein subjektiv wirres Buch - da | |
mache ich liebend gern mit. | |
Letztlich kokettieren Sie doch nur mit Ihrer Rückgratlosigkeit, oder? | |
Mit Sicherheit auch das. In der Arbeit will ich mich nicht verbiegen. Als | |
mir etwa angeboten wurde, die Hauptrolle in "Willkommen bei den Sch'tis" zu | |
synchronisieren, habe ich während der Probeaufnahmen erkennen müssen, dass | |
das mit mir nicht funktionieren wird. Ich kam nicht an den Charakter und | |
den sprachlichen Stil der Originalfigur. Ich habe sofort darum gebeten, | |
mich nicht zu nehmen. | |
Es blieb dann aber trotzdem in der Familie. | |
Ja, Christoph Maria Herbst hat das wunderbar gemacht. Auf den passte die | |
Rolle wie Arsch auf Eimer. Und das soll bitte das einzige Kriterium sein, | |
ob man etwas spielt oder nicht. Nicht etwa die Höhe der Gage oder die | |
Schriftgröße des Namens auf dem Plakat. | |
18 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
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