# taz.de -- Celtic Glasgow gegen die Rangers: Lokalderby der antisozialen Exzes… | |
> Es ist ein historisches Duell: Am Sonntag spielt Celtic Glasgow wieder | |
> einmal gegen die Rangers. Der Hass der Fans ist längst außer Kontrolle. | |
Bild: Religiöser Fanatismus: Ein als Papst verkleideter Celtic-Fan grüßt die… | |
DUBLIN taz | Schon vor Spielbeginn wurden 34 Menschen verhaftet. Auf dem | |
Rasen ging es auch nicht gerade friedlich zu, es gab 3 Rote und 13 Gelbe | |
Karten. Nach Spielschluss rauften die beiden Trainer und mussten von | |
Ordnern getrennt werde. Es war ein typischer Derbytag in Glasgow. | |
Das Lokalderby zwischen Celtic und Rangers in Schottlands größter Stadt ist | |
nicht nur eines der ältesten der Welt, sondern auch das am häufigsten | |
ausgetragene. Allein in dieser Saison treffen die beiden Teams sieben Mal | |
in Pflichtspielen aufeinander. | |
Das nächste Spiel, das Finale um den Ligapokal, findet am Sonntag im | |
neutralen Hampden Park statt. Nach den Ereignissen beim letzten Mal, dem | |
Viertelfinale um den schottischen Cup, das Celtic 1:0 gewann, ist die | |
Polizei in höchster Alarmbereitschaft. Sogar die Regierung hat sich | |
eingeschaltet. | |
Premierminister Alex Salmond zitierte Vertreter beider Klubs zu seinem | |
Amtssitz, um über Maßnahmen zu beraten, die eine Wiederholung der | |
Zwischenfälle verhindern sollen. | |
Solche Beratungen sind nicht neu: Als es vor gut 20 Jahren wieder einmal | |
besonders heftige Auseinandersetzungen gab, beschloss man, die Derbys nur | |
noch am Nachmittag anzusetzen und den Spielplan so zu gestalten, dass es | |
gegen Ende der Saison kein Aufeinandertreffen der beiden Klubs geben kann, | |
bei dem die Meisterschaft entschieden werden könnte. | |
Die schottische Polizei verlangte nun sogar, dass die Derbys künftig hinter | |
geschlossenen Türen stattfinden sollten. "Wir haben weder das Geld noch die | |
Ressourcen, um solche Szenen zu kontrollieren", sagte Polizeipräsident Les | |
Gray. Von diesem Schritt nahm man jedoch Abstand, denn beide Vereine | |
profitieren finanziell erheblich von den Spielen. | |
## "Old Firm" | |
Deshalb werden die Derbys "Old Firm" genannt. Beide Teams dominieren die | |
schottische Liga. Seit die Meisterschaft 1891 zum ersten Mal ausgetragen | |
wurde, ist der Titel nur 14 Mal von anderen Mannschaften gewonnen worden. | |
Beschlossen wurde beim Treffen mit dem Premier, dass die Polizei einen | |
eigenen Nachrichtendienst für die Fußballszene einrichtet. Außerdem werden | |
ab sofort führende Polizeibeamte vor dem Spiel in die Kabinen kommen und | |
die Spieler an ihre Vorbildfunktion erinnern. | |
An den Stadioneingängen sollen verstärkt Alkoholkontrollen stattfinden. | |
Alkohol ist seit den frühen Achtzigerjahren im Stadion ohnehin verboten, | |
die Pubs in der Umgebung müssen an Spieltagen schließen. Das gilt freilich | |
nicht für die reichen Fans: Wer am Sonntag 245 Pfund für ein Ticket | |
ausgibt, darf sich in der VIP-Loge vier Stunden lang kostenlos betrinken. | |
Annabel Goldie, Chefin der schottischen Tories, verkündete im Parlament von | |
Edinburgh, sie habe von der Polizei gehört, dass sich nach Spielen der "Old | |
Firm" die häusliche Gewalt verdoppele. Eine akademische Untersuchung soll | |
nun herausfinden, in wie weit Fußball mit Gewaltverbrechen und häuslicher | |
Gewalt in Zusammenhang stehe. | |
Doch alleine mit solchen Maßnahmen kommt man der Sache nicht bei. Es geht | |
ja nicht nur um eine sportliche Lokalrivalität, sondern es gibt auch eine | |
religiöse, politische und vor allem soziale Komponente. Ende des 19. | |
Jahrhunderts kamen viele irische katholische Einwanderer ins damals | |
wohlhabende Glasgow. | |
Ein irischer Mönch, Bruder Walfried, gründete 1887 den Celtic Football and | |
Athletic Club, mit dem er die Armenspeisungen für seine Landsleute im | |
heruntergekommenen East End finanzieren wollte. | |
## Hass auf beiden Seiten | |
Für die einheimische Mittelschicht war die offensiv zur Schau gestellte | |
irische Herkunft eine Provokation, zumal man sich durch den massiven Zuzug | |
von Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg bedroht fühlte. Rangers war | |
bereits 1873 von protestantischen Studenten gegründet worden, bis 1989 | |
beschäftigte man nur protestantische Fußballer. | |
Der Verein wurde zum Symbol für die Loyalität zur britischen Krone und für | |
die Union mit England, was sich auch in der blau-weiß-roten Spielkleidung | |
ausdrückt, während Celtic im irischen Grün-Weiß antritt. Dadurch, welches | |
Trikot sie tragen, geben die Fans ihre Religion, ihre soziale Klasse und | |
ihre politische Einstellung preis. | |
Die Fangemeinde ist aber nicht nur in Glasgow gespalten, sondern vor allem | |
in Nordirland, wo die politische Bedeutung der "Old Firm" eine noch größere | |
Dimension hat. Die Celtic-Fans stimmten früher Lieder der | |
Irisch-Republikanischen Armee (IRA) im Stadion an, was ihnen die | |
Vereinsführung inzwischen verboten hat. | |
Der Hass sitzt tief auf beiden Seiten. So muss der nordirische | |
Celtic-Trainer Neil Lennon rund um die Uhr von der Polizei geschützt | |
werden, nachdem er per Post Patronen und Bombenattrappen zugeschickt | |
bekommen hatte. Als er noch für die nordirische Nationalmannschaft spielte, | |
hatte er Morddrohungen erhalten und brach seine Länderspielkarriere ab. | |
Zum Saisonende macht er auch bei Celtic Schluss. Sein Gegenüber Walter | |
Smith tritt bei den Rangers dann ebenfalls zurück - nicht nur, aber auch | |
wegen der "Old Firm". Er brauche das Theater nicht, sagte er entnervt. | |
Verhaftungen wegen Gewalt oder antisozialen Verhaltens nehmen an Tagen des | |
Lokalderbys um 77 Prozent zu. | |
"Die Gewalt, die Armut und die niedrige Lebenserwartung in Teilen Glasgows | |
sind Probleme, die man dem Fußball nicht in die Schuhe schieben kann", | |
meint Robert Marshall, der eine Rangers-Fankneipe betreibt. | |
"Das gäbe es auch ohne die Old Firm. Darum sollten sich die Politiker | |
kümmern, statt einen Fußball-Gipfel einzuberufen. Viele Menschen leben für | |
den Fußball. Glasgow ist eine ganz normale Stadt. Bis zum Lokalderby." | |
20 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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