# taz.de -- Bürgerkrieg in Libyen: UN-Bündnis macht mobil | |
> Barack Obama stellt Gaddafi ein Ultimatum. Die Vorbereitungen für eine | |
> militärische Intervention laufen auf Hochtouren. Frankreich und | |
> Großbritannien setzen Streitkräfte in Bewegung. | |
Bild: Mobilmachung: F18-Kampfjets landen auf dem Nato-Militärflugplatz in Avan… | |
WASHINGTON/PARIS/BERLIN afp/rtr/dpa/taz | Am Freitag haben die USA dem | |
libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi ein Ultimatum gestellt. Der | |
Diktator müsse sofort alle Angriffe auf sein Volk beenden, seine Truppen | |
zurückziehen und humanitäre Hilfe in dem Land zulassen, sagte US-Präsident | |
Barack Obama am Freitag in Washington. Sonst würde er entsprechend der | |
UN-Resolution militärische Konsequenzen zu spüren bekommen. Zugleich machte | |
er deutlich, dass die USA sich bei möglichen Militäraktionen lediglich als | |
"Teil der einer internationalen Koalition" sehen. | |
Nach der vom Sicherheitsrat verabschiedeten Resolution ist zum Schutz von | |
Zivilisten bis auf Bodentruppen militärisch fast alles erlaubt. Frankreich, | |
Großbritannien, Kanada, Spanien und weitere Länder setzten Planungen in | |
Gang und Streitkräfte in Bewegung. | |
Der britische Premierminister David Cameron erklärte am Freitagmittag vor | |
dem Unterhaus in London, Vorbereitungen zur Durchsetzung der | |
UN-Flugverbotszone über Libyen hätten bereits begonnen. Deutschland bleibt | |
bei der Haltung, keine Soldaten nach Libyen schicken zu wollen. Dafür will | |
sich Deutschland mit Aufklärungsflugzeugen und Piloten an einem | |
Awacs-Einsatz in Afghanistan zu beteiligen. | |
"In den nächsten Stunden" bereits sollten britische Kampfflugzeuge auf | |
Basen stationiert werden, von denen sie "die notwendigen Maßnahmen" | |
ergreifen könnten. Kanada setzte sechs Kampfflugzeuge in Bewegung. Spaniens | |
Regierung erklärte, sie werde die Luftwaffenbasen Rota und Moron im Süden | |
des Landes zur Verfügung stellen. | |
Auch Italien sagte die Nutzung seiner Luftwaffenbasen zu. Dänemark will am | |
Samstag sechs Kampfflugzeuge entsenden. Norwegen will sich ebenfalls | |
beteiligen, hat aber noch keine Entscheidung getroffen. In Frankreich | |
sollte die Regierung am späten Nachmittag ihren Beitrag bekanntgeben. Zuvor | |
hatte es in Paris geheißen, die ersten Schritte könnten bereits "in wenigen | |
Stunden" beginnen. | |
Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) hat die Entscheidung | |
Deutschlands, im UN-Sicherheitsrat nicht für die Flugverbotszone über | |
Libyen zu stimmen, gerechtfertigt. "Die Völkergemeinschaft sagt: Hier darf | |
eingegriffen werden. Und wir nehmen uns das Recht, im deutschen Interesse | |
zu sagen: Wir sind diesmal nicht dabei", sagte der Minister am Freitagabend | |
im ZDF-"heute-journal". Obwohl das Herz eher dafür spreche, sage der kühle | |
Kopf: lieber nicht. | |
## Nato hat noch keine Entscheidungen getroffen | |
Ein Treffen der Nato-Botschafter in Brüssel traf am Freitag noch keine | |
Entscheidung darüber, ob die Nato das geplante Eingreifen zur Durchsetzung | |
der Flugverbotszone führen würde. Die Nato trifft ihre Entscheidungen | |
traditionell im Konsens, aber Deutschland und Türkei sind im Falle Libyens | |
dagegen. Es wurde lediglich beschlossen, die Planungen für ein | |
Nato-Eingreifen zum Abschluss zu führen. | |
Frankreichs Regierung berief für Samstag eine internationale Konferenz in | |
Paris ein, auf der die Europäische Union (EU), die Afrikanische Union (AU) | |
und die Arabische Liga zusammen mit UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon "die | |
Lage in Libyen und den Umgang damit im Lichte der letzte UN-Resolution zu | |
prüfen", wie ein Sprecher der Arabischen Liga erklärte. Die EU denkt nach | |
eigenen Angaben an "mögliche militärische Unterstützung für Operationen im | |
Rahmen der humanitären Hilfe", wie ein EU-Diplomat in Brüssel sagte. | |
Konkrete Beschlüsse dazu würden aber erst am Montag beim wöchentlichen | |
EU-Außenministertreffen gefasst werden. | |
## Verwirrung um libysche Ankündigung eines Waffenstillstands | |
Für Verwirrung und Überraschung sorgte am Freitagnachmittag eine | |
Ankündigung der libyschen Regierung, die Kampfhandlungen sofort | |
einzustellen. "Wir haben einen sofortigen Waffenstillstand und eine | |
sofortige Einstellung aller Militäroperationen beschlossen", sagte Libyens | |
Außenminister Moussa Koussa Journalisten in Tripolis. Man werde die | |
UN-Resolution respektieren und "Dialog mit allen Seiten, die an der | |
territorialen Einheit Libyens interessiert sind", einleiten. | |
Zuvor hatte Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi auf die UN-Resolution mit | |
Drohungen geantwortet. Er verfügte die Schließung des libyschen Luftraums | |
und erklärte, man werde jetzt "mitleidlos" gegen die Rebellen vorgehen. | |
Die mögliche Kehrtwende am Nachmittag wurde international mit Skepsis | |
aufgenommen, zumal Angriffe der Gaddafi-Streitkräfte in den umkämpften | |
Orten Misrata und Adschdabiya weitergingen. Die Führung in Tripolis müsse | |
Worten Taten folgen lassen, erklärte US-Außenministerin Hilary Clinton; man | |
dringe weiter auf Gaddafis Rücktritt. | |
Der Kommandant der Aufständischen in Libyen, Chalifa Heftir, nannte in | |
Bengasi das Angebot Gaddafis einen "Bluff", der "ohne Bedeutung" sei. | |
Gaddafi sage niemals die Wahrheit, die "ganze Welt" wisse, "dass Gaddafi | |
ein Lügner ist", sagte Heftir. "Die internationale Gemeinschaft wird sich | |
nicht von dem libyschen Regime täuschen lassen und mit allen möglichen | |
Mitteln die Einhaltung der Resolution überprüfen", sagte Spaniens | |
Premierminister José Luis Zapatero. | |
## Deutschland hält sich weitgehend raus | |
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat am Freitag den Entschluss | |
der Bundesregierung bekräftigt, keine Soldaten nach Libyen zu schicken. Bei | |
den Partnern habe Deutschland Respekt und Verständnis für diese | |
Entscheidung gefunden. Wenngleich nicht für umsonst: Am gleichen Tag | |
erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass Deutschland | |
grundsätzlich bereit sei, sich mit Aufklärungsflugzeugen und Piloten an | |
einem Awacs-Einsatz in Afghanistan zu beteiligen. | |
Funktioniert diese Abmachung, dann würde das Nato-Mitglied Deutschland die | |
Nato bei einem möglichen Einsatz über Libyen entlasten. Gleichzeitig müsste | |
sich Deutschland aber nicht an einem neuen Krieg beteiligen. Der | |
UN-Sicherheitsrat hatte in der Nacht zum Freitag ein Flugverbot über Libyen | |
beschlossen. Um dieses zu verteidigen, könnten etwa auch libysche Flugzeuge | |
abgeschossen werden. Deutschland hatte sich der Abstimmung im Rat | |
enthalten. | |
Im Bundestag sagte Westerwelle am Freitag, die Entscheidung keine Soldaten | |
nach Libyen zu entsenden, sei nach einem schwierigen Abwägungsprozess | |
gefallen. "Es gibt keinen chirurgischen Einsatz. Jeder Militäreinsatz wird | |
zivile Opfer fordern." | |
Die Aussprache im Bundestag, welche der Erklärung folgte, verlief | |
turbulent. Während der SPD-Außenexperte Rolf Mützenich der Regierung | |
wahltaktische Motive und mangelnden Mut vorwarf, lobte der stellvertretende | |
Fraktionschef der Linkspartei, Jan van Aken, den Außenminister | |
überschwänglich: "Herr Westerwelle hat eine kluge und konsequente | |
Entscheidung getroffen." Ein Kriegseinsatz sei falsch. | |
## Oppositionsparteien attackieren einander | |
Umso heftiger attackierten die Oppositionsparteien einander. SPD und Grüne | |
warfen van Aken Kriegstreiberei vor und wurden daraufhin von | |
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) gerügt. Im Namen der Grünen | |
begrüßte Fraktionsvorsitzende Renate Künast den UN-Beschluss, räumte aber | |
gleichzeitig ein, dass die Frage eines Kriegseinsatzes in der Fraktion | |
umstritten sei. "Wenn Gaddafi sein Volk nicht beschützt, sondern beschießt, | |
stehen wir in der Verantwortung", bekräftigte sie ihre Ansicht. Auch die | |
SPD ist in der Frage eines Militäreinsatzes uneins. Parteichef Sigmar | |
Gabriel und Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier hatten die | |
Entscheidung der Bundesregierung begrüßt. | |
Noch während die Bundestagsabgeordneten debattierten, ließ Libyens | |
Außenminister in Tripolis ankündigen, dass alle Kämpfe eingestellt seien. | |
"Die Drohkulisse des UN-Sicherheitsrats scheint fürs Erste gewirkt zu | |
haben. Umso fataler, dass Deutschland nicht dabei ist", meinte der grüne | |
Verteidigungsexperte Omid Nouripour zur taz. Deutschland hätte Ja zur | |
UN-Resolution gegen Libyen sagen können, ohne sich an einem | |
Jagdfliegereinsatz zu beteiligen. | |
Die Meinungsbildung geht weiter: Über ein Mandat für einen Awacs-Einsatz | |
müsste der Bundestag abstimmen. | |
19 Mar 2011 | |
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