# taz.de -- Korruption in Österreich: Politisches Aus für Ernst Strasser | |
> Österreichs ehemaliger Innenminister tritt als EU-Abgeordneter zurück. | |
> Gegen Zahlung von Schmiergeld hatte er angeboten, auf die | |
> Bankengesetzgebung Einfluss zu nehmen. | |
Bild: Gekaufte Gesetze: 100.000 Euro jährlich sollte Strasser bekommen, wenn e… | |
WIEN taz | "Wer einmal lügt, ist tot", sagt Ernst Strasser in einem | |
heimlich aufgezeichneten Gespräch mit vermeintlichen Lobbyisten. Gemeint | |
hatte er die Glaubwürdigkeit als Lobbyist. Jetzt ist er politisch tot. Nach | |
einwöchigem Rückzugsgefecht erklärte der Delegationsleiter der | |
ÖVP-Abgeordneten im EU-Parlament am Sonntag seinen Rücktritt. | |
Nach einem Enthüllungsartikel über die Bestechlichkeit von | |
EU-Parlamentariern in der Sunday Times wollte ihn die eigene Partei nicht | |
mehr halten. Strasser hatte sich angeboten, gegen ausreichend Schmiergeld | |
einen spekulantenfreundlichen Abänderungsantrag zum Bankengesetz | |
einzubringen. Das belegen die über die Homepage der Zeitung abzurufenden | |
Videos, auf denen Strasser sich mit seinen zahlreichen Lobbyverträgen | |
brüstet. Dem EU-Parlament habe er diese Nebeneinkünfte nicht gemeldet: "Ich | |
bin sehr diskret." | |
Claire Newell und Michael Gillard von der angesehenen Sonntagszeitung | |
hatten sich mehreren Abgeordneten als Vertreter einer Lobbyagentur | |
vorgestellt und lukrative Posten angeboten, wenn die EU-Gesetzgebung in | |
ihrem Sinne beeinflusst würde. Zum Beweis, dass die Politiker anbissen, | |
haben sie die Gespräche aufgezeichnet. | |
Schon im vergangenen Sommer hatten sich die vermeintlichen Lobbyisten bei | |
Ernst Strasser gemeldet und Geld für eine Kooperation bei der Gesetzgebung | |
in Aussicht gestellt. Nach weiteren Kontakten in Brüssel und Straßburg flog | |
Strasser im Dezember auf eigene Rechnung nach London, um die Zusammenarbeit | |
zu konkretisieren. Man bot ihm einen mit 100.000 Euro jährlich dotierten | |
Posten im Verwaltungsrat eines britischen Finanzunternehmens an, wenn er | |
die Entscheidungen im EU-Parlament in dessen Sinne beeinflusse. | |
Vor einem Monat wurde es konkret: Strasser erhielt den Auftrag, einen | |
Abänderungsantrag zum Anlegerschutz einzubringen. Da er selbst nicht in den | |
entsprechenden Ausschüssen sitzt, wandte er sich an die Parteikollegen | |
Othmar Karas und Hella Ranner, die jedoch dem Ersuchen nicht nachkamen. | |
## Ein Opfer der Medien | |
Mit Othmar Karas verbindet Strasser eine persönliche Feindschaft. Der | |
ehemalige Innenminister, der nach seiner Amtszeit durch undurchsichtige | |
Lobbygeschäfte und Firmenbeteiligungen schnell reich wurde, war auf | |
Vorschlag von Parteichef Josef Pröll dem langgedienten Europaparlamentarier | |
Karas als Delegationsleiter vorgezogen worden, obwohl mehr als 100.000 | |
Wähler Karas bei den Europawahlen gerne auf dem ersten Listenplatz gesehen | |
hätten. Strasser verteidigt sich, er sei nur zum Schein auf das | |
unmoralische Angebot eingegangen, um die Reporter, hinter denen er | |
Geheimdienstleute vermutet haben will, zu enttarnen. | |
Othmar Karas und Hella Ranner teilen diesen Eindruck nicht. Strasser habe | |
wiederholt auf die Einbringung eines Änderungsvorschlags zum | |
Anlegerschutzgesetz gedrängt. Sein Rücktritt sei nicht als | |
Schuldeingeständnis zu deuten, stellte Strasser klar. Vielmehr sei er ein | |
Opfer der Medien: "Ich habe mich zu dem Schritt entschlossen, weil es in | |
Österreich eine Kampagne gegen mich gegeben hat." | |
Diese habe eine "Optik erzeugt, die der Volkspartei schadet". Neben | |
Strasser tappten auch die Europaabgeordneten Zoran Thaler aus Slowenien und | |
Adrian Severin aus Rumänien in die Falle der Sunday Times. | |
21 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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