# taz.de -- Straßenstrich in Dortmund: Die Verdrängung der Huren | |
> In Dortmund wird kommende Woche entschieden, ob der Straßenstrich | |
> geschlossen wird. Die Prostituierten haben Angst vor den dunklen Ecken, | |
> die ihnen drohen. | |
Bild: Für manche Mitbürger ein Dorn im Auge: Prostituierte verhandelt mit ein… | |
Die Huren in Dortmund sollen von den Straßen verschwinden. Am Donnerstag | |
will der Stadtrat beschließen, dass der legale Straßenstrich in der | |
Ravensberger Straße geschlossen wird. Die ganze Stadt würde dann zum | |
Sperrbezirk und die Prostituierten würden den Schutz ihres sicheren | |
Arbeitsplatzes verlieren. | |
Aus Protest gegen die anstehende Entscheidung demonstrierten die | |
Sexarbeiterinnen am Donnerstag letzter Woche für die Erhaltung des Strichs. | |
"Sie wollen nicht kampflos aufgeben", sagt Elke Rehpöhler von der Kontakt- | |
und Beratungsstelle Kober. | |
Achtzig Demonstrantinnen und Demonstranten, unter ihnen auch Unterstützer | |
der Prostituierten, marschierten von der Ravensberger Straße zum Rathaus. | |
Die meisten mit Sonnenbrille und Perücke, um ihre Anonymität zu wahren. | |
Denn Prostitution mag zwar ein legaler Beruf sein, sie ist dennoch | |
stigmatisiert. Daher war die Demo ein außergewöhnlicher und mutiger | |
Schritt. | |
Im Protestaufruf der Huren tauchte immer wieder das Wort "Angst" auf. Angst | |
um den Arbeitsplatz, Angst, den Schutz durch Beratungsstellen und Polizei | |
zu verlieren. "Diese Ängste sind größer als die Angst, bei einer | |
öffentlichen Demonstration persönlich als Prostituierte erkannt zu werden", | |
hieß es in der Erklärung. | |
Die Stadtratsfraktionen haben unterschiedliche Vorschläge gemacht. Von | |
einer Verkleinerung, einer Verlagerung bis zu einem stadtweiten Sperrbezirk | |
reichen die Szenarien. CDU und SPD favorisieren aber die komplette | |
Schließung. | |
Das treibt die Frauen vermehrt in die Beratungsstelle Kober, die in einem | |
Container vor Ort betrieben wird. "Die Frauen sagen uns, sie haben Angst, | |
dass ihnen was Schlimmes passiert, wenn sie wieder in dunklen Ecken stehen | |
müssen", sagt Kober-Chefin Elke Rehpöhler. | |
Denn eigentlich wird das sogenannte Dortmunder Modell allseits gelobt. "Es | |
hat einfach perfekt funktioniert", erzählt Rehpöhler. Die Idee ist, dass | |
Ordnungsbehörden, Beratungsstellen und Gesundheitsamt vertrauensvoll | |
zusammenarbeiten, im Interesse der Prostituierten. Jede Woche ist ein Arzt | |
vor Ort, es gibt ständige Kontrollen, "im positiven Sinne", sagt Rehpöhler. | |
## Es hat perfekt funktioniert | |
Gewalttaten sind zurückgegangen, auch weil die Frauen selbst Strafanzeige | |
erstatten. Zusätzlichen Schutz bieten die zwanzig sogenannten | |
Verrichtungstaschen oder Sicherheitsboxen, in die Kunden mit den | |
Prostituierten hineinfahren. Die Holzverschläge ähneln Carports, sie sollen | |
Sichtschutz bieten - vor allem aber Sicherheit für die Prostituierten. | |
Die Fahrertür kann darin nicht geöffnet werden, wohl aber die Beifahrertür, | |
damit die Frauen schnell flüchten und den Alarm auslösen können. | |
Bislang war es aus Sicht von Stadt und Polizei sinnvoll, die | |
Straßenprostitution an Ravensberger Straße, Juliusstraße und Mindener | |
Straße zu bündeln. "Es hat sich alles gut bewährt, bis zur | |
EU-Osterweiterung", sagt Stadtsprecher Hans-Joachim Skupsch. | |
Als 2007 Bulgarien und Rumänien EU-Mitglieder wurden, zogen von dort viele | |
Menschen nach Dortmund, vor allem Roma. Weil sie nicht als Angestellte | |
arbeiten dürfen, sondern nur als Selbständige, haben viele Frauen | |
Prostitution als Gewerbe angemeldet. "Das Geschäft verlagert sich in | |
Gebüsche und Seitenstraßen", sagt der Sprecher. | |
So wie in Dortmund sollen in Deutschland viele Huren verdrängt werden. "Das | |
Prostitutionsgesetz wurde nie ernsthaft umgesetzt, eine Anerkennung hat nie | |
stattgefunden", sagt Simone Kellerhoff von der Hurenorganisation Hydra. | |
Im politischen Diskurs würde Prostitution immer mit anderen Themen wie | |
Menschenhandel vermischt. "Das wird genutzt, um Prostitution zu | |
kriminalisieren und zu stigmatisieren." Die Prostitution werde schrittweise | |
auf frühere Zustände zurückgefahren, durch Reglementierungen und Rufe nach | |
Strafen für die Freier. | |
In Bayern sei die Verdrängung in die Randbezirke ebenso Realität wie in | |
mehreren Berliner Stadtteilen, in denen gut laufende Bordelle schließen | |
mussten. Auch in Gelsenkirchen gibt es aktuell den Versuch, einen | |
Straßenstrich zu verbannen. Nach Jahrzehnten stört er auf einmal, weil in | |
der Nähe eine Kinderklinik gebaut wird. | |
In Dortmund scheint die Schließung beschlossene Sache zu sein. Dennoch | |
hoffen die Prostituierten, dass ihre Demo etwas bewirkt hat. "Eine Bulgarin | |
sagte, sie habe in ihrer Heimat eines gelernt", sagt Elke Rehpöler, | |
"nämlich: Wenn man demonstriert, bekommt man meist, wofür man sich | |
einsetzt." | |
25 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Johannes Opfermann | |
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