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# taz.de -- Deutsch-kasachischer Nachwuchsspieler: Der Merkel in Mailand
> Für seinen Vereinskameraden Kevin-Prince Boateng übersetzt er bisweilen
> vom Italienischen ins Deutsche. Für sein Geburtsland Kasachstan will
> Alexander Merkel niemals spielen.
Bild: Alexander Merkel beim Torjubel mit seinen Mannschaftskameraden Zlatan Imb…
Der junge Kerl besitzt Selbstbewusstsein. "Ich will, dass die Kinder
irgendwann zu ihren Eltern gehen und das Trikot mit der Nummer 52 geschenkt
haben wollen", erzählte Alexander Merkel einem deutschen TV-Journalisten.
Ihm wurde vor wenigen Monaten erst beim AC Mailand eine Arbeitskleidung mit
ebendieser Rückennummer ausgehändigt. Und jetzt peilt er schon an, nicht
nur auf dem Rasen für einen wie Robinho eingewechselt zu werden, sondern
den auch gleich noch an der Merchandisingfront zu übertrumpfen.
Einen Typen wie ihn hätten die Männer, die in Vereinen mit so klingender
Bezeichnung wie Schachtjor Karaganda oder Wostok Öskemen ihr Geld
verdienen, sicherlich gern dabei, wenn sie heute als kasachisches
Nationalteam in Kaiserslautern gegen die DFB-Auswahl antreten.
Von der Geburtsurkunde her gesehen ist dieser 19-jährige Blondschopf mit
den ausgemachten Regisseurqualitäten tatsächlich einer der Ihren. Merkel
stammt aus der Provinz Perwomaiski, einem in alter Sitte dem
Arbeiterkampftag 1. Mai gewidmetem Dorf im Osten Kasachstans. Weil sich
seine Eltern im Jahr 1998 aber dauerhaft im noch kleineren Dörfchen
Waldernbach im Westerwald niederließen, spielte der Filius fortan auf
deutschen Bolzplätzen und galt bald als das neue Riesentalent. Die
Italiener wiederum, die seit einigen Jahren mit einer Mischung aus Neid und
Bewunderung auf den blühenden deutschen Fußballgarten starren, wollten auch
einmal eines dieser jungen Wunderkinder in den eigenen Reihen haben. Die
Wahl der Späher des AC Mailand, die im April 2007 einen Trip zum
U15-Länderspiel Deutschland - Schweiz in Stuttgart spendiert bekamen, fiel
schließlich auf Alexander Merkel.
Ein Jahr später war der Junge aus Perwomaiski und Waldernbach bereits in
Mailand zu Hause. Er lernte fleißig Italienisch und übersetzt zuweilen für
Kevin-Prince Boateng, das zweite deutsche Migrantenkind bei den Rossoneri.
Nach zwei Spielzeiten im Jugendbereich wurde Merkel im Dezember letzten
Jahres von Trainer Massimiliano Allegri schließlich für gut genug für die
Champions League befunden und bei seinem Debüt gegen Ajax Amsterdam auf den
Platz geschickt.
## Zehn Spiele hat er für Mailand aktuell bestritten
Das Spiel ging 0:2 verloren, was Merkel nicht sonderlich schmerzte,
schließlich hatte er die große Bühne betreten. Zehn Begegnungen hat er für
den AC Mailand bestritten: sechs in der Serie A, die die Rossoneri
weiterhin anführen, zwei in der Champions League, die für sie bereits
Geschichte ist, und zwei in der Coppa Italia, in der er sich im
Achtelfinale auch in die Torjägerliste eintragen konnte. "Ich lebe jetzt
meinen Traum", bekennt Merkel nach den wilden Wochen, in denen er von den
italienischen Medien als "Babygenie" und "Milans Zukunft" gefeiert und von
den deutschen wenigstens als "der blondeste Milan-Spieler seit Karl-Heinz
Schnellinger" zur Kenntnis genommen wurde. Mit einer gehörigen Portion
Realismus führte er seine Einsätze aber auch auf das Verletzungspech seiner
Kollegen zurück.
Zuletzt musste Merkel allerdings Rückschläge erleiden. Am letzten Spieltag
- Milan verlor gegen Palermo - war er gar nicht mehr im Kader. Beim Spiel
davor, einem mühevoll errungenen Unentschieden gegen den Tabellenletzten
Bari, konnte er als Einwechsler nur wenig Akzente setzen. Seine Anspiele
gerieten meist zu ungenau. "Merkel geht nicht", kanzelte ihn die Gazzetta
dello Sport ab. Der mediale Wind dreht sich schnell. Ein "Wunderkind" kann
blitzschnell zum "Versager" werden, nur weil er den unermesslich
gewachsenen Erwartungen nicht gerecht wird.
Seinen kasachischen Landsleuten wird Merkel von alldem nichts erzählen
können. Er hat es kategorisch ausgeschlossen, jemals für sein Geburtsland
zu spielen. Vom deutschen U19-Coach Ralf Minge ist er in diesen Tagen für
die Länderspiele gegen Belgien und die Ukraine nominiert worden. Merkel
rechnet sich einiges bei der Junioren-EM im Mai diesen Jahres in der Türkei
aus. Wie es danach weitergeht, hält er offen. Wegen der Herkunft seiner
Eltern kann er auch für Russland spielen. Viel hängt davon ab, welche
Karriereaussichten sich dieser vielsprachige Migrant mit den begabten
Beinen an den diversen Arbeitsplätzen ausrechnet.
25 Mar 2011
## AUTOREN
Tom Mustroph
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