# taz.de -- DFB-Team verliert gegen Australien: Von den Holzern abgesägt | |
> Deutschland verliert im Freundschaftsspiel gegen Australien 2:1. Wenn es | |
> um nichts geht, kann die deutsche Nationalelf anscheinend nicht gewinnen. | |
> Eine Analyse. | |
Bild: Hart ging es zur Sache beim Freundschafts-Derby in Mönchengladbach. | |
BERLIN taz | Lang, lang war's her. Damals hieß der Gegner Spanien, diesmal | |
Australien. Damals ging es in Durban um den Einzug ins WM-Endspiel, diesmal | |
vor halbleeren Rängen in Mönchengladbach in aller Freundschaft bloß um die | |
Ehre. | |
Damals traf die DFB-Auswahl auf den späteren Weltmeister, diesmal auf den | |
21. der Weltrangliste. Die Gegensätze könnten kaum größer sein, das | |
Ergebnis allerdings war dasselbe: Die deutsche Nationalmannschaft verlor am | |
Mittwoch 1:2 gegen Australien, es war die erste Niederlage seit dem | |
WM-Halbfinale vor fast neun Monaten. | |
Mario Gomez hatte die Deutschen zwar in der ersten Halbzeit in Führung | |
gebracht (26.Minute), aber die Australier drehten das Spiel innerhalb von | |
nur drei Minuten. Dave Carney traf zum Ausgleich (61.) und Luke Wilkshire | |
verwandelte einen Foulelfmeter zum 2:1-Endstand (64.). Der Sieg der | |
Australier war sicherlich glücklich: Der von Christian Träsch verschuldete | |
Elfmeter war zumindest zweifelhaft, auf der anderen Seite wurde dem spät | |
eingewechselten Klose ein Strafstoß verwehrt. | |
Andererseits war die Niederlage für die Deutschen auch nicht unverdient, | |
hielt sie doch eine Erkenntnis für Bundestrainer Joachim Löw bereit: Die in | |
den Pflichtspielen zuletzt so gut geölte Maschine Nationalmannschaft gerät | |
schnell ins Stottern, wenn in Testspielen zu viele Teile ausgetauscht | |
werden. Seit der WM hat man zwar jedes Qualifikationsspiel, aber kein | |
einziges Freundschaftsspiel gewonnen. | |
## Durchschnittsalter 23 Jahre | |
Löw hatte die Startaufstellung im Vergleich zum samstäglichen | |
EM-Qualifikationsspiel gegen Kasachstan auf gleich acht Positionen | |
verändert. Nur Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller und Lukas Podolski | |
hatten das große Stühlerücken überlebt. Stattdessen standen nun sechs | |
Profis in der ersten Elf, die zuvor nicht mehr als fünf Länderspieleinsätze | |
auf dem Konto hatten. Denn neben dem Mainzer Angreifer Andre Schürrle | |
wollte der Bundestrainer vor allem einen ganzen Schwung Dortmunder | |
Demnächstmeister testen: | |
Mats Hummels spielte in der Innenverteidigung, Marcel Schmelzer auf der | |
linken Abwehrseite, und Sven Bender feierte sein DFB-Debüt als zweiter | |
Sechser neben Schweinsteiger. Später vervollständigte noch der 18-jährige | |
Mario Götze den BVB-Block. So hatten hatten die deutsche Feldspieler | |
zwischenzeitlich ein pennälerhaftes Durchschnittsalter von 23 Jahren – | |
obwohl der 31-jährige Rückkehrer Arne Friedrich durchspielen durfte. | |
Doch das grundsätzliche Problem, das eine solch umfassende Testreihe | |
aufwirft, offenbarte sich schnell. Das deutsche Defensivspiel unter Löw ist | |
angelegt auf radikales Verengen der Räume, effektives Zustellen der | |
gegnerischen Passwege, schnelle Balleroberung und sich daran | |
anschließendes, rasantes Umkehrspiel in der Offensive. | |
Das setzt zwar eine gewisse individuelle Klasse voraus, wichtiger aber ist | |
das fein aufeinander abgestimmte taktische Verhalten ohne Ball, mithin eine | |
eingespielte Mannschaft, deren Laufwege automatisiert sind. Die aber konnte | |
es aufgrund der vielen Wechsel nicht geben. „Vieles hat nicht geklappt“, | |
stellte Andre Schürrle nach seinem zweiten Länderspiel fest, "weil wir | |
nicht eingespielt waren". | |
## Rustikale Fouls der Australier | |
Genau diese Qualitäten aber wären nötig gewesen gegen Australien, immerhin | |
Zweiter der Asien-Meisterschaft im Januar hinter Japan. Stattdessen | |
demonstrierten die Männer vom fünften Kontinent diese neuen deutschen | |
Tugenden und verengten die Räume so geschickt, dass sie zu Ballgewinnen und | |
gefährlichen Gegenangriffen kamen. Zudem schien Holger Osieck, der deutsche | |
Trainer der Socceroos, vergessen zu haben, den Seinen mitzuteilen, dass es | |
sich um ein sogenanntes Freundschaftsspiel handelte. | |
Die Australier wurden seit der Weltmeisterschaft, wo sie zum Auftakt 0:4 | |
gegen die deutsche Mannschaft verloren hatten, zwar stark verjüngt, haben | |
aber offensichtlich ihre rustikale Grundauffassung beibehalten: Anstatt die | |
Deutschen freundlich kombinieren zu lassen, standen sie ihren Gegenspielern | |
auf den Füßen, schreckten auch vor taktischen Fouls der gröberen Sorte | |
nicht zurück und handelten sich bereits in der ersten Halbzeit zwei gelbe | |
Karten ein. | |
Wie ernst die Australier das Spiel nahmen, zeigte die Tatsache, dass Osieck | |
erst in der 80. Minute zum ersten Mal wechselte. Er war offensichtlich | |
nicht so versessen aufs Testen wie sein Gegenüber Löw, der "viele gute | |
Ansätze" und einen "guten Test auf dem Weg zum nächsten Turnier" gesehen | |
haben wollte. | |
So entwickelte die Partie zwar mitunter eine Abnutzungsintensität, die an | |
Abstiegskampf erinnerte, war aber auch entsprechend fahrig. „Man hat | |
gemerkt“, analysierte der hin und wieder unsicher wirkende Mats Hummels, | |
"dass wir so noch nie zusammen gespielt haben". Trotzdem wirkte die radikal | |
umgebaute deutsche Mannschaft zumindest bis zu den Gegentoren in der | |
zweiten Halbzeit feldüberlegen, hatte aber große Probleme, Torchancen zu | |
kreieren, und Mario Gomez, die einzige Spitze in Löws 4-2-3-1-System hing | |
weitgehend in der Luft. | |
## Taktisch noch nicht ausgereift | |
Die fehlende taktische Abstimmung konnte auch nicht durch eine zentral | |
gesteuerte Organisation ersetzt werden, denn im Zentrum stand | |
Schweinsteiger und zeigte sich gegenüber seinem unterirdischen Auftritt | |
gegen Kasachstan zwar verbessert, aber weiter grundsätzlich verunsichert. | |
Der Bayern-Profi produzierte allerhand Fehlpässe und pomadige Pirouetten, | |
die des öfteren mit Ballverlusten endeten. Einer davon ging dem | |
1:1-Ausgleich der Australier voraus. | |
Allerdings erweckte auch keiner der vielen Testkandidaten den dringenden | |
Eindruck, er wäre in naher Zukunft unverzichtbar für die | |
Nationalmannschaft. Allein der Mainzer Schürrle fiel des öfteren positiv | |
auf, verwirrte mit seiner Antrittsschnelligkeit zumindest hin und wieder | |
den solide destruktiven australischen Defensivverbund und bereitete | |
folgerichtig auch die zwischenzeitlich 1:0-Führung vor, die Mario Gomez in | |
der 26. Minute nach einer Tempokombination durch die Mitte erzielte. Es war | |
der einzige Moment, in dem die deutsche Spielphilosophie sich an diesem | |
Abend hatte durchsetzen können – gegen bissige Australier und gegen die | |
Demontage der eigenen Maschinerie durch das kurzfristige Austauschen zu | |
vieler Teile. | |
30 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
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