# taz.de -- Interview mit Angel-Veteran: "Von Anfang an begeisterte mich die Sp… | |
> Heinz Haase ist stolzes Mitglied in Deutschlands ältestem Anglerverein. | |
> Ein Gespräch über große und kleine Fische. | |
Bild: Nicht Angler Haase, sondern potenzielles Opfer (Karpfen) | |
taz: Herr Haase, Ihre Leidenschaft fürs Angeln ist schon an Ihrem linken | |
Handgelenk zu erkennen. Ihre Armbanduhr ziert ein Fisch. Wo haben Sie die | |
denn her? | |
Heinz Haase: Ich war einige Jahre Chefredakteur der Anglerzeitschrift Der | |
Märkische Angler. Da ich auch Angelhistoriker bin, wurde ich gefragt, ob | |
ich die alte Literatur im Kellner ordnen und auflisten könnte. Das habe ich | |
gern gemacht. Als Dankeschön habe ich diese Uhr bekommen. | |
Aha. Sie sind Mitglied von Deutschlands ältestem Anglerverein, dem Berliner | |
Club "Angelfreunde 1866", der Anfang März sein 145-jähriges Bestehen | |
gefeiert hat. Wann begann Ihre Leidenschaft fürs Angeln? | |
Schon im Kindesalter, als mein Vater mich mit zum Angeln genommen hat. Das | |
war ab 1941, also noch in den Kriegsjahren, in Seelow am Rande des | |
Oderbruchs. Von Anfang an begeisterte mich der Aufenthalt in der Natur. Das | |
ist auch heute noch so. Und natürlich die Spannung beim Angeln! | |
Können Sie das genauer beschreiben? | |
Als Angler ist jeder Gang zum Wasser voller Erwartungen. Man will ja | |
möglichst Erfolg haben. Da geht einem so manches durch den Kopf. An welche | |
Angelstelle gehe ich? Mit welchem Köder locke ich die Fische an den Haken? | |
Und dann, wenn man die Angel ausgeworfen hat, erwartet man, na ja, den Biss | |
(lacht) und einen möglichst großen Fisch. Haben Sie meinen Dorsch im | |
Internet gesehen? | |
Oh ja, Sie meinen den 9 Kilo schweren Dorsch, den Sie im Juni 2010 gefangen | |
haben. | |
Ja. Ich hatte mir zu meinem 80. Geburtstag von meinen Kindern, die alle | |
Angler sind, Geld für ein Fahrrad gewünscht. Da haben sie zu mir gesagt: | |
"Nee, wir haben andere Vorstellungen!" Die Kinder hatten eine | |
Kutterausfahrt in der Kieler Bucht gebucht. Kurz vor Schluss bog sich meine | |
Angelrute bis zum Gehtnichtmehr. Dann kam Bewegung in die Rutenspitze, die | |
ganze Rute bog sich mächtig, und mir wurde schnell klar, dass sich ein | |
größerer Fisch festgebissen hatte. | |
War es schwer, ihn rauszuholen? | |
Der Fisch hat einige Meter Schnur abgezogen, die ich mir wieder | |
zurückgeholt habe. Das ist so drei- oder viermal passiert und hat etwa 20 | |
Minuten gedauert. Bis der Fisch ermattet war. Das war mein bisher größter | |
Fisch, der Fisch meines Lebens. | |
Haben Sie ihn verspeist? | |
Ja, natürlich. Ich habe ihn noch an Bord filetiert und in Portionsstücke | |
geschnitten. In unserer Unterkunft habe ich ihn mit Tochter, Schwiegersohn, | |
Sohn, Schwiegertochter und Enkel gegessen. Er hat wunderbar geschmeckt. | |
Was hat es mit dem berühmten Anglerlatein auf sich? | |
Wenn ich mich so umschaue in meinem Verein, da könnten einer oder zwei | |
dabei sein, die auch mal ein bisschen aufschneiden. Aber im Grunde genommen | |
ist der Angler ehrlich. | |
Gibt es eine Sache, die man nicht macht als Angler? | |
Natürlich. Wenn etwa die Fische zu klein sind, dann setzt man sie | |
vorsichtig wieder ins Wasser zurück. Das Gleiche gilt für Hechte, Zander | |
oder Schleie während der Schonzeit. Die Anglerehre erfordert es, den Fisch | |
in sein Element zurückzusetzen. Das ist auch beim Kutterangeln so, wenn das | |
Mindestmaß beim Dorsch nicht erreicht wird. | |
Ist Angeln ein typisches Männerhobby? | |
Da hat sich was geändert. In unserem Verein haben wir acht Frauen und ein | |
Mädchen. Wer zum Angler wird, hat meistens ein Elternteil als Vorbild. | |
Freundschaften spielen natürlich auch eine Rolle. Viele Frauen werden | |
Angler, wenn sie einen Mann kennenlernen, der Angler ist. Das Vereinsleben | |
ist natürlich auch wichtig. Einmal im Jahr machen wir ein großes | |
Sommerfest, und wenn ein Angler seine Freundin oder seine Frau mitbringt, | |
ist das schon ein erster Kontakt zu unserer Gemeinschaft und führt oft | |
dazu, dass die Frau dann auch mit angeln möchte. | |
Haben Sie Probleme, neue Mitglieder zu gewinnen? | |
Eigentlich nicht. Unsere Mitgliederzahl hat sich seit 2008 sogar um 17 neue | |
Mitglieder erhöht. Für jeden Angler ist es eine Ehre, Mitglied im ältesten | |
deutschen Anglerverein zu sein. Tradition spielt bei vielen schon eine | |
Rolle. Besonders stolz sind wir auf unsere uralte Vereinsfahne. | |
Sie meinen die Fahne von 1875, auf der es heißt "Friede, Freude, Einigkeit! | |
Heil und Gedeihn dem Angelverein!" | |
Ja. Zur Feier anlässlich des 145. Geburtstags unseres Vereins haben wir vor | |
allem die Mitglieder eingeladen, die unsere Fahne noch nicht kannten. | |
Die Traditionspflege spielt also eine große Rolle im Anglerverein. | |
Ja, natürlich. Wir sind sehr stolz darauf, der älteste Angelverein | |
Deutschlands zu sein. Wir hatten in unserem Verein auch zwei Mitglieder, | |
die um das Jahr 1900 mit dafür gesorgt haben, dass die Anglervereine in | |
Deutschland zu einem Bund zusammengeschlossen wurden. Interessant ist, dass | |
sich das gerade wiederholt. | |
Was meinen Sie? Was wiederholt sich gerade? | |
Es gibt in Deutschland zwei Anglerverbände: den Verband Deutscher | |
Sportfischer (VDSF), der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im Westteil | |
Deutschlands entstanden ist, und den Deutschen Anglerverband (DAV), der | |
1954 in der ehemaligen DDR gegründet wurde. Die Bemühungen, die beiden | |
Verbände zu vereinen, haben schon vor etwa acht Jahren begonnen. Aber es | |
gab immer wieder Schwierigkeiten. Jetzt sind beide Seiten festgefahren. | |
Ost- und Westdeutschland sind seit mehr als 20 Jahren wiedervereinigt. | |
Wieso finden die Angler nicht zusammen? | |
Eine ganz wichtige Sache sind die Eigentumsverhältnisse. In Westdeutschland | |
besitzt fast jeder Verein seine eigenen Gewässer, und die können nur von | |
den Vereinsmitgliedern beangelt werden. In den Ostländern war und ist das | |
heute noch anders. Dort sind viele Anglerverbände der Länder selbst | |
Eigentümer von Gewässern, und die Angler, die Mitglieder eines | |
DAV-Anglervereins sind, haben die Möglichkeit, in vielen Gewässern zu | |
angeln. Da fangen schon die ersten Konflikte an. | |
Überrascht es Sie, dass die Angler sich so schwertun zueinanderzufinden? | |
Das macht mich traurig, überrascht bin ich aber nicht. Um 1900, als in | |
Berlin der Deutsche Anglerbund gegründet wurde, haben auch nicht alle Hurra | |
geschrien. Es gibt aber Kräfte, besonders im Deutschen Anglerverband, die | |
keine Ruhe geben. Es wird sicherlich zu weiteren Verhandlungen kommen. Ich | |
bin da ganz zuversichtlich. | |
Im Präsidium des Deutschen Anglerverbands sind Sie Vorsitzender der AG | |
"Geschichte", Sie haben ein historisches Angelbuch geschrieben und | |
betreiben eine private Homepage zur Angelgeschichte, auf der auch die Rede | |
ist von "der Kampfbereitschaft" der Angler in den zurückliegenden über 140 | |
Jahren, "um ihre gebührende Stellung in den verschiedensten | |
Gesellschaftsformen einzunehmen". Spricht da der ehemalige Berufsoffizier | |
der Nationalen Volksarmee? | |
Nö. Wo haben Sie denn das Wort Kampfbereitschaft her? | |
Das steht auf Ihrer Homepage. | |
Der Ausdruck überrascht mich jetzt selbst. Das eine hat mit dem anderen | |
nichts zu tun. Wenn ich den Ausdruck gebraucht habe, dann im Zusammenhang | |
damit, dass die Angler besonders zwischen 1880 und 1900 durch die | |
preußische Gesetzgebung in ihren Handlungsmöglichkeiten stark unterdrückt | |
wurden. Da war eine Kampfbereitschaft schon gewünscht. | |
Auf Ihrer Homepage ist auch zu lesen, dass Ihnen Ihre berufliche Tätigkeit | |
bei der Armee zugutegekommen sei, um "Schätze" der deutschen Angelliteratur | |
in die Hand zu bekommen. Wie ist das zu verstehen? | |
Es war der Katastrophenwinter 1979, und ich arbeitete im Ministerium für | |
Nationale Verteidigung in Strausberg, wo eine Winterkommission gegründet | |
wurde. In dieser Kommission war ein Angler, und der besaß ein | |
Fischereibuch, dessen Quellen im Literaturverzeichnis bis 1750 | |
zurückgingen. Als ich später in Berlin wohnte, bin ich in die Stadt- und | |
Staatsbibliothek Unter den Linden gegangen und habe dort wahre Schätze zur | |
Fischerei- und Angelgeschichte gefunden. Und einmal im Jahr war ich | |
berufsmäßig in Leipzig tätig und leitete einen Lehrgang auf dem Gebiet des | |
Selbstschutzes. Da habe ich meine Themen immer auf den Vormittag gelegt und | |
bin nach dem Mittagessen in die Deutsche Bücherei gegangen. Auch dort habe | |
ich äußerst interessante literarische Werke gefunden. | |
Was haben Sie mit diesen "Schätzen" gemacht? | |
Daraus habe ich zunächst eine Ausstellung gemacht. Damit bin ich | |
deutschlandweit gereist. Die Leitung der Staatsbibliothek war so | |
begeistert, dass sie auch eine Ausstellung gestaltet haben. Dann wurde der | |
Findling Verlag auf meine Arbeiten aufmerksam und gab das Buch "Faszination | |
Fisch - Geschichtliches zum Fisch und seinem Fang" heraus. | |
Halten es die Angler wie die Pilzsammler und verraten ihre besten Stellen | |
nicht? | |
Das würde ich mit einem klaren Ja beantworten. | |
Hatten Sie mal etwas anderes an der Angel als einen Fisch? | |
Ja, einen Stiefel (lacht). Das war an der Ostsee. | |
Gibt es Anglerwitze? | |
Jede Menge! | |
Geben Sie einen zum Besten? | |
Sehr gern. "Wenn du mir 5 Euro gibst, Papa, dann verrate ich dir, was der | |
Briefträger immer zu Mama sagt, wenn du beim Angeln bist." - "Abgemacht. | |
Hier sind 5 Euro. Also, was sagt der Briefträger zur Mama, wenn ich zum | |
Angeln bin?" - "Guten Morgen, Frau Schulze. Hier ist Ihre Post." | |
4 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Barbara Bollwahn | |
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