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# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Peru: Gesucht wird ein Erbe des Alan Garcia
> In Peru wird ein neuer Präsident gewählt. Angesichts stabilen Wachstums
> und gesunkener Arbeitslosigkeit stehen die Zeichen auf Kontinuität.
Bild: Anhängerinnen des linken Nationalisten Ollanta Humala.
LIMA taz | Im historischen Zentrum der peruanischen Hauptstadt Lima laufen
die Druck- und Schneidemaschinen auf Hochtouren. Es rattert, stanzt, walzt
und quietscht entlang der Straße Callao. Hier, nur vier Querstraßen vom
Präsidentenpalast entfernt, lassen die KandidatInnen ihre Wahlwerbung
drucken.
"Hier ist alles informell", sagt Jesus Rolando Ramos. Stolz zeigt er auf
das Herstellerschild seiner Edelmann-Offsetmaschine aus dem deutschen
Offenbach. Die alte Postleitzahl verrät, dass deren Geburtsjahr vor 1993
gelegen haben muss. "Ich drucke nur." Stanzen, schneiden, falzen, kleben,
das alles machen andere Kleinunternehmer.
Rund 2.000 Minibetriebe drängen sich in den Häusern und Galerien entlang
der Straße. Je nach Bedarf sind hier 7.000 bis 10.000 Menschen beschäftigt.
Wer angestellt ist und Glück hat, bekommt für seine Sechstagewoche mit
ihren 10 bis 14 Stundentagen den gesetzlichen Mindestlohn von 600 Soles,
umgerechnet knapp 150 Euro, im Monat.
Nebenan rattern frisch gedruckte Wahlplakate aus der Offsetmaschine.
Aufmerksam überwacht Marco die Rotation der Walzen. Für welchen Kandidaten
er gerade die Wahlpropaganda druckt, ist ihm egal. Und ebenso egal ist es
ihm, ob es für einen Kandidaten rundläuft oder nicht. Mit seinen 17 Jahren
darf er ohnehin nicht wählen.
## Die Stichwahl ist vorprogrammiert
Wenn am Sonntag in Peru die Präsidentschaftswahl stattfindet, dann ist nur
eines sicher: Es wird eine Stichwahl geben. Wer dann gegen wen antritt, ist
jedoch völlig offen. Eine politische Wechselstimmung ist nicht auszumachen.
Nur dass der jetzige Amtsinhaber nicht wieder kandidieren darf, garantiert
einen Personalwechsel an der Staatsspitze. Politisch stehen die Zeichen auf
ein "Weiter so".
Bei Albino Skrzypietz stapeln sich die Handzettel für Keiko Fujimori. Dass
die Tochter des früheren Präsidenten Alberto Fujimori nur deshalb antritt,
um ihren zu über 30 Jahren Knast verurteilten Vater aus dem Gefängnis zu
holen, ist kein Geheimnis. Und dass Albino ihre Werbung druckt, heißt noch
lange nicht, dass sie seine Stimme bekommt.
Seine drei Angestellten haben ordentliche Arbeitsverträge mit den
vorgeschriebenen Sozialversicherungen. Damit ist er eine Ausnahme.
Lediglich 10 von den 2.000 Minibetrieben sind legalisiert. "Wenn alle
Schaltjahre die Kontrolle kommt, dann ist von jetzt auf nachher hier alles
verrammelt und verriegelt."
In Limas kleinen Druckbetrieben spiegelt sich die wirtschaftliche Lage des
Landes wider. Seit Jahren kann die Regierung ein jährliches Wachstum des
Bruttoinlandprodukts von durchschnittlich knapp über 7 Prozent verkünden.
Offiziell ist der Anteil der Armen in der Bevölkerung seit 2001 von 54
Prozent auf jetzt 34 Prozent gesunken.
## Nachfrage nach Arbeitskräften ist groß
Doch das Wachstum hat seine Schattenseite. 70 Prozent der Arbeitsplätze
sind im informellen Sektor. Von den 15 Millionen erwerbstätigen Frauen und
Männer, so hat die Weltbank Anfang März vorgerechnet, arbeiteten im Jahr
2008 11 Millionen ohne feste Verträge, ohne Sozialversicherungen und ohne
Urlaubs- oder Weihnachtsgeld.
Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist groß. "Als ich vor sechs Jahren eine
Anzeige mit ,Suche Zusteller' geschaltet habe, hatte ich eine Schlange von
Menschen vor dem Betrieb. Wenn ich heute die gleiche Anzeige schalte,
kommen vielleicht zwei bis drei", sagt Luis Nieto Mendoza.
Dass die Gewerkschaften daraus kein Kapital schlagen können, ist ebenfalls
der Informalität geschuldet. So war die Gewerkschaft der Bauarbeiter einmal
sehr stark, erzählt Nieto Mendoza. "Wenn die sagten, alles steht still,
dann stand auch alles still." Wenn sie es heute sagen, geht alles weiter
seinen normalen Gang. Von den 2,5 Millionen Beschäftigten im Baugewerbe
erhalten heute noch 400.000 die Sozialleistungen. "Der große Rest bekommt
nichts. Alles ist informell geregelt."
In den Hauptstadtbezirken Miraflores und San Isidro der Mittel- und
Oberklasse ist der Boom dagegen längst angekommen. In den blank gefegten
Straßen zwischen Bürogebäuden und Wohnhäusern stauen sich zur Rushhour die
importierten Luxuskarossen. An jeder dritten Straßenecke wird ein neues
Gebäude hochgezogen. Die Shoppingcenter sind mit kaufkräftiger Kundschaft
gefüllt, und vor den Edelrestaurants bilden sich abends Schlangen
modebewusster Feinschmecker. Reichtum wird in Lima nicht versteckt.
## Wachstum dank steigenden Rohstoffpreisen
Peru hat sein Wirtschaftswachstum vor allem den international gestiegenen
Rohstoffpreisen zu verdanken. Von den Exporten im Wert von 27 Milliarden
Dollar im Jahr 2009 stammen 60 Prozent aus dem Bergbaubereich, vor allem
Kupfer und Silber. Die Regierung hat diesen Prozess nach Kräften
unterstützt.
Ausländische Investoren genießen erhebliche Steuervorteile: Bergbaufirmen
müssen nur etwas über 3 Prozent ihrer Ausbeute an den peruanischen Fiskus
abführen. Dagegen sind deren Gewinne wegen der gestiegen Weltmarktpreise
nach oben geschossen.
Allein 2010 hat der Sektor einen Gewinn von 8 Milliarden Dollar
eingefahren. Das entspricht dem Jahreseinkommen von gut 40 Prozent der
peruanischen Bevölkerung. Wirklich infrage gestellt wird das bei der
kommenden Wahl nicht. Allenfalls streiten sich die KandidatInnen darüber,
ob sie eine Steuer auf die Zusatzgewinne wegen der gestiegenen
Weltmarktpreise erheben könnten.
10 Apr 2011
## AUTOREN
Jürgen Vogt
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