# taz.de -- Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Schleichwerber mit Reue | |
> Die "WAZ" verspricht, künftig bezahlte Artikel als "Anzeige" zu | |
> kennzeichnen. Die "taz" hatte aufgedeckt, dass sie und andere PR-Texte | |
> wie Redaktionsinhalte präsentierten. | |
Bild: Zu oft in der Grauzone? Die "WAZ" am Zeitungsstand. | |
Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung hat die von der taz aufgedeckte | |
Schleichwerbung eingestanden. Die Kennzeichnung der verkauften PR-Texte sei | |
"juristisch nicht korrekt" gewesen, schreibt Verlagssprecher Paul Binder in | |
einer Stellungnahme. | |
In Zukunft werde die Zeitung die "bezahlten PR-Texte klar und deutlich mit | |
dem Wort 'Anzeige' kennzeichnen". Bisher hatte der Verlag die Seiten mit | |
solchen Artikeln als "Verlagssonderveröffentlichung" oder | |
"Anzeigensonderveröffentlichung" gekennzeichnet, obwohl die | |
Landespressegesetze das Wort "Anzeige" vorschreiben. | |
Zwei taz-Reporter hatten sich bei einer verdeckten Recherche gegenüber zehn | |
Verlagen als Mitarbeiter einer Werbeagentur ausgegeben. Mehrere Verlage | |
hatten angeboten, einen Text über ein von der Werbeagentur vorgegebenes | |
Thema zu veröffentlichen, wenn gleichzeitig eine bezahlte Anzeige in | |
Auftrag gegeben wird. Noch weiter gingen die Westdeutsche Allgemeine | |
Zeitung, die Zeit und das Neue Deutschland: Sie boten an, dass direkt für | |
die Texte bezahlt wird, ohne dass die Texte mit dem Wort "Anzeige" | |
gekennzeichnet werden. | |
Für den Deutschen Presserat spricht dessen Geschäftsführer Lutz Tillmanns | |
von einer altbekannten "Grauzone", die auch bei dem Selbstkontrollorgan der | |
Zeitungen und Zeitschriften ganz oben auf der Agenda stehe. "In vielen | |
Redaktionen gibt es Unsicherheiten bis hin zur Unkenntnis, was die | |
Kennzeichnungspflicht angeht", sagt Tillmanns. Der taz-Artikel vom | |
vergangenen Wochenende habe zwar die rechtliche Seite der Thematik formal | |
richtig beschrieben, die rein juristische Sicht sei jedoch "nicht griffig | |
genug und daher in der Praxis wenig hilfreich", so Tillmanns. | |
Der Presserat nimmt also nicht die Landespressegesetze als Grundlage, | |
sondern prüft nach eigenen Kriterien: Wenn der Leser den Eindruck habe, es | |
mit einem redaktionellen Produkt zu tun zu haben, obwohl es sich | |
tatsächlich um Werbung handelt, liege ein Verstoß gegen den Pressekodex | |
vor. Da der Presserat die Kennzeichnung von "Verlagssonderseiten" oder | |
"Anzeigensonder-veröffentlichungen" für ausreichend hält, um den Inhalt für | |
die Leser als Werbung zu kennzeichnen, beanstandet er solche Beilagen | |
nicht. | |
Die Zahl der vom Presserat erteilten Rügen aufgrund von Verstößen gegen | |
dieses Trennungsgebot steigt seit Jahren. Dies, so Tillmanns, belege auch, | |
"dass sich immer mehr Leser kritisch mit Themen wie Schleichwerbung und | |
ungenügender Kennzeichnung auseinandersetzen. | |
## Bund der Pressesprecher: Verlage und Journalisten bereiten Boden | |
Den Trend, die Grenzen zwischen redaktionellem Teil und werblichen | |
Veröffentlichungen zu verwischen, sieht auch der Bundesverband deutscher | |
Pressesprecher (BdP). In der "gemeinsamen Verantwortung" gegenüber dem | |
Leser seien aber Pressesprecher wie Journalisten gefordert, auf eine klare | |
Trennung zu achten, sagt BdP-Präsidiumssprecher Jörg Schillinger, im | |
Hauptberuf Leiter der Öffentlichkeitsarbeit beim Lebensmittelkonzern Dr. | |
Oetker. "Seit rund zehn Jahren gibt es leider den Trend, dass Verlage sogar | |
proaktiv Angebote zur werblichen Berichterstattung machen." | |
Hier bereiteten also nicht Werber oder PR-Leute, sondern Verlage und | |
Journalisten selbst den Boden für eine solche Vermischung. Für den | |
Pressesprecherverband und seine Mitglieder bleibe dies ein No-Go: "Die | |
Trennung von redaktionellem Teil und werblichen Veröffentlichungen ist | |
durch die Pressegesetze und den Pressekodex klar definiert und so | |
selbstverständlich, dass wir da kein eigenes Papier brauchen", sagt | |
Schillinger. | |
"Das Vertrauen, das die Leser in die Zeitung haben, ist unser höchstes | |
Gut", sagt Hans-Joachim Fuhrmann, für Kommunikation zuständiger | |
Geschäftsführer beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Daher | |
sei es "von existenzieller Wichtigkeit, auf eine klare Trennung zwischen | |
redaktionellem Teil und Anzeigen zu achten - und wie die auszusehen hat, | |
steht im Pressekodex". Dies sei auch gängige Praxis, "die Verlage haben | |
sich da nichts vorzuwerfen", so Fuhrmann: Redaktionelle Beilagen unterlägen | |
den gleichen Anforderungen wie der Rest der Zeitung. | |
Anderes gelte für Sonderveröffentlichungen, die klar getrennt und | |
gekennzeichnet seien. Hier könnten die Leser aber auch klar unterscheiden. | |
Die Verlagssonderveröffentlichung sei eine "beliebte Methode, da man hier | |
weit über die Möglichkeiten der klassischen Anzeige hinaus beispielsweise | |
komplexe Zusammenhänge erklären kann", so Fuhrmann. Daher würde diese | |
Werbeform auch "in zunehmendem Maße von den Zeitungen angeboten". | |
Dass es dabei "immer wieder Grenzfälle gibt und es auch zu Fehltritten | |
kommt", gibt auch Fuhrmann zu. Das lehre schon "die tägliche Praxis - und | |
dafür haben wir den Presserat". | |
8 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
St. Grimberg | |
S. Heiser | |
## TAGS | |
taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“ | |
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