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# taz.de -- Ungarische Mini-Demo vor "taz"-Kongress: Eine Handvoll Protest
> Die ungarische Presse berichtet über eine Demonstration vor dem
> "taz"-Kongress am Samstag. Dabei offenbart sie ihren laxen Umgang mit der
> Wahrheit.
Bild: In Ungarn wurde die Selbstdarstellung einiger weniger die Hauptnachricht.
BUDAPEST taz | Aufrichtige Demonstranten gegen böse, linksliberale
Netzbeschmutzer - so berichteten die regierungstreuen ungarischen Medien
über den Kongress der taz am vergangenen Wochenende in Berlin. Nicht einmal
ein Dutzend ungarische Demonstranten zogen mit ein paar deutschen Freunden
vor das Haus der Kulturen der Welt, wo eine Podiumsdiskussion über das
ungarische Mediengesetz und die Budapester Regierung von Viktor Orbán
anstand.
Stein des Anstoßes war eine falsch übersetzte Aussage der teilnehmenden
Philosophin Ágnes Heller in Brüssel. Die 82-jährige Holocaust-Überlebende
wird bezichtigt, die brutalen Polizeiangriffe von 2006 gegen teils
friedliche Demonstranten unter der sozialistischen Vorgängerregierung
geleugnet zu haben. Gegen sie läuft in Budapest eine von der
nationalkonservativen Regierung unterstützte Kampagne.
Nach der einstündigen Demonstration am Samstag nahmen einige der glühenden
ungarischen "Patrioten" im Konferenzsaal Platz. Als die Zuschauer die
Möglichkeit bekamen, Fragen zu stellen, sprangen die Demonstranten auf und
fragten, ob Heller zu ihrer Aussage über die Polizeiattacken vor fünf
Jahren weiter stehe. Sie antwortete auch in Berlin wie überall schon: sie
wäre falsch wiedergeben worden, und damit sei die Sache für sie erledigt.
Die Demonstranten, mehrheitlich in Berlin lebende Ungarn, wollten aber
Heller provozieren und weitere Fragen stellen, die gar nichts mit der
Diskussion zu tun hatte: Folgerichtig wurde ihnen das Wort entzogen.
Unendlich peinlich sei es gewesen, meinten die anwesenden Ungarn über die
Performance der wenigen Ewiggestrigen. Doch sie haben anscheinend alles
falsch gedeutet. Denn das Nachrichtenmagazin des ersten ungarischen
Fernsehens MTV stellte am Sonntagabend klar, was wirklich geschah.
Linksliberale ungarische Intellektuelle zögen zurzeit durch halb Europa, um
ihr Land zu beschmutzen und übel anzugreifen, war da zu erfahren. So sei es
in Berlin zum Skandal gekommen.
## Antisemitische Zwischenrufe
Von antisemitischen Zwischenrufen, die es gab, war keine Rede. Die
Selbstdarstellung einiger weniger wurde die Hauptnachricht, interviewt
wurden die Demonstranten und nicht Frau Heller oder gar die Organisatoren
der Konferenz. Außerdem wurden Aussagen von Heller und Tamás teilweise auch
noch entstellt wiedergegeben. Der private rechtsradikale Kleinsender Echo
TV erzählte die Geschichte ganz ähnlich, nur war er etwas mutiger, Heller
etwas in den Mund zu legen, das sie gar nicht gesagt hatte. Viele
regierungstreue Medien übernahmen die Lesart.
Eine Hexenjagd laufe gegen sie, sagte Heller auf dem Berliner Podium, und
das sah man. Einige ungarische Medien beteiligen sich daran, auch wenn sie
dafür den Lauf der Ereignisse verfälschen müssen.
Vor ein paar Tagen flog schon eine solche Unverschämtheit auf. Zielperson
war Daniel Cohn-Bendit, der die ungarischen Rechte damit gegen sich
aufgebracht hatte, dass er im europäischen Parlament die antidemokratische
Machenschaften der Orbán-Regierung dem anwesenden ungarischen
Ministerpräsidenten persönlich aufgezählt hat.
Als der Europapolitiker vor Wochen Budapest besuchte, wurde er von dem
Korrespondenten des Staatsfernsehens der Pädophilie bezichtigt. In den
Nachrichten lief ein Beitrag, in dem Cohn-Bendit den Saal verlässt, als er
mit der Frage konfrontiert wird. Der Bericht behauptete, der Grüne sei vor
peinlichen Fragen geflüchtet. Jetzt aufgetauchte Aufnahmen zeigen, dass er
die Frage beantwortete und die Pressekonferenz weitere 30 Minuten lang
lief.
Man würde denken, es sei ein klarer Fall, der Journalist arbeitet nicht
mehr für die Öffentlich-Rechtlichen. Weit gefehlt. Kaum wurde die Fälschung
offengelegt, kam die Nachricht: Der Mann wird Chefredakteur bei der
verstaatlichten ungarischen Nachrichtenredaktion, die alle Sender
beliefert.
Gergely Márton, 34, ist ungarischer Journalist. Er nahm an der
Podiumsdiskussion selbst teil
11 Apr 2011
## AUTOREN
Gergely Márton
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