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# taz.de -- Eine spezielle Mosel-Idylle: Wo Buddha wie Bacchus grinst
> Traben-Trarbach ist eine typische weinselige Mosel-Kleinstadt. Doch sie
> hat zwei Besonderheiten: Jugendstil und viele Buddhas.
Bild: Wo noch guter Riesling wächst - TrabenTrarbach
Die alte Weinkellerei Julius Kayser im Mosel-Ort Traben-Trarbach ist
schönster Jugendstil. Originale Bacchus-Köpfe zieren noch heute die alten
Weinhähne im unterirdischen Weinkeller, hinter dessen Wänden riesige
Betontanks eingemauert waren. Große Fenster geben im Erdgeschoss den Blick
auf die Mosel frei. Das Konterfei des Weingottes Bacchus wurde sorgfältig
restauriert.
Der Traben-Trarbacher Geschäftsmann Wolfgang Preuß, der hier auch das
Ayurveda Kurhotel Parkschlösschen besitzt, kaufte die alte Weinkellerei im
Jahr 2000 und sanierte das Gebäude mit mehreren Millionen Euro. 50.000
Arbeitsstunden, 15 Kilometer Kabel, 1.300 Quadratmeter Bambusparkett und 71
Tonnen Naturstein sollen darin verarbeitet worden sein.
Jetzt steht auf 4.000 Quadratmetern seine private Buddhasammlung: 1.800
Erwachte in allen Größen, Farben, Formen, beispielsweise der 3,60 Meter
hohe Buddha Amitabha. Die Frage, wie er, der erfolgreiche Geschäftsmann,
auf diesen Trip gekommen sei, ob er etwa auf dem Hippietrail in Indien zum
Meditieren war, verneint Preuß im Cafe seines Buddha-Museums: „Nein, dazu
hatte ich keine Zeit, auch wenn es zu meinem Alter passen würde. Andere
sammeln Briefmarken. Ich sammle eben Buddhas.“ Zur Meditation, zum
Fernöstlichen fühle er sich jedoch durch seine Beschäftigung mit Ayurveda
hingezogen. „Ich meditiere selbst“, sagt er.
Der Rundgang durch die restaurierte Weinkellerei mit den besinnlichen
Sitzecken, den edlen Materialien und großzügigen Räumen ist meditativ. Kein
Wunder, ging es hier im Weinkeller doch stets ums Spirituelle. Und Weingott
Bacchus grinst ähnlich selig wie der nun neben ihm meditierende Buddha -
auch wenn sich die beiden, um den Zustand absoluter Zufriedenheit zu
erreichen, jeweils eines anderen Mediums bedienten.
Traben-Trarbach ist eine typische Moselkleinstadt, wo stramme
Mosel-Radfahrer zum Sightseeing stoppen, prominente Ayurvedafans im
Parkschlösschen fasten und gutsituierte Paare im Restaurant Claus Feist des
Bellevue Hotels speisen. Das Jugendstilhotel direkt an der Mosel wurde 1903
nach den Plänen des Berliner Architekten Bruno Möhring erbaut. Und es wurde
ob seiner Schönheit gerühmt.
Möhring hatte in Berlin unter anderem den Bülowbogen entworfen und galt als
einer der kreativsten Jugendstil-Architekten Deutschlands. Von den Lampen
bis zur Wendeltreppe, von den Nippesfiguren im 20er-Jahre-Outfit bis zu den
bunten Ornamenten an Fenstern und Türen - der Jugendstil lebt im
restaurierten Bellevue. Und er rankt sich mit seinen Formen und Farben um
die Quelle des Reichtums, den Wein: so wurde der Turm des Bellevue dem Hals
einer Sektflasche nachempfunden.
„Um 1900 war die kleine Stadt im Moseltal nach dem französischen Bordeaux
die wichtigste Weinhandelsstadt der Welt“, erzählt Richard Ochs, der
passionierte Stadtführer für die Jugendstil-Tour. „Mehr als einhundert
Kellereien und Weinhandlungen hatten hier ihren Sitz. Von Traben-Trarbach
aus wurde der Wein nach England, Russland und durchs Deutsche Reich
verschifft.“ Und um ihrem Reichtum gebührend Ausdruck zu verleihen, bauten
die Weinhändler nach dem letzten Schrei.
Diesen pflegte man im fernen Berlin, und so ließen sich die reichen
Weinhändler und Weingutsbesitzer von prominenten Berliner Architekten Bruno
Möhring repräsentative Villen im Jugendstil sowie Kellereigebäude und
weitläufige Kelleranlagen errichten. Etwa die Villa Huesgen, erbaut 1904
für den Weinhändler Adolph Huesgen, oder die ein Jahr später errichtete
Villa des Weinhändler Breucker, ein kubisch-verschachtelter Jugendstilbau.
Jugendstil statt Mosel-Fachwerk - „das kam bei alten Moselanern weniger gut
an“, weiß Ochs.
Selbst in ihren Weinkellern protzten die erfolgsverwöhnten Händler mit
Jugendstil. „Im Zuge des Erfolgs des Moselweins wurden in der zweiten
Hälfte des 19. Jahrhunderts große Flächen des Stadtkerns unterkellert“,
sagt Ochs und führt uns in den Weinkeller des Hotels Moselschlösschen. Ein
beeindruckendes Labyrinth. Modrig und feucht. Die schöne Mosella hat hier
oft ihren natürlich Tribut gefordert und alles überschwemmt.
Zum Markenzeichen für die Jugendstil-Epoche der Stadt wurde das alte
Brückentor, das Möhring 1899 erbaute und mit Jugendstil-Elementen
verzierte. „Es war die erste Straßenbrücke, die es zwischen Bernkastel und
Koblenz gab“, sagt Ochs. Die Brücke wurde in den letzten Kriegstagen 1945
gesprengt. Sie verbindet heute wieder die damals getrennten Orte Traben
links der Mosel und Trarbach rechts des Flusses. „Traben und Trarbach waren
Ende des 19. Jahrhunderts neben Reichenhall die ersten deutschen
Ortschaften, die statt Gaslampen eine elektrische Straßenbeleuchtung von
der Edison-Gesellschaft, heute AEG, bauen ließen“, betont Ochs die einstige
Bedeutung des Weinumschlagplatzes.
Traben-Trarbach liegt nicht weit entfernt vom 360 hohen Moselsporn, wo die
umstrittene Hochmoselbrücke geplant ist. Sie wird für ein paar Minuten
Fahrtverkürzung noch mehr Lärm und Belastung in die weltbekannte
Rieslingregion bringen. Eine Attacke auf die Idylle.
12 Apr 2011
## AUTOREN
Edith Kresta
## TAGS
Reiseland Deutschland
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