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# taz.de -- Barcelona gegen Madrid: Die niederländische Revolution
> Der Reiz des Duells mit Real Madrid liegt in der Vergangenheit: "El
> Clásico" war einst Sinnbild eines zerrissenen Spaniens unter der Diktatur
> Francisco Francos.
Bild: Ein Bild vom letzten Treffen der Rivalen. Links Lionel Messi und rechts R…
BARCELONA taz |Für den englischen Guardian ist das spanische Spitzenderby
"die größte Show auf Erden". Barcelona gegen Madrid sei schon immer eine
besondere Angelegenheit gewesen, "ein Spiel von kolossaler politischer,
sozialer und historischer Bedeutung, häufig als Spiel der katalanischen
Nation gegen den spanischen Staat präsentiert". Noch heute bezieht "El
Clasico", wahlweise auch "El Superclásico", "El Derbi" oder "El Gran Derbi"
genannt, einen erheblichen Teil seiner Munition aus den Jahren der
Franco-Diktator (1939 bis 1975). Francos Sieg im Spanischen Bürgerkrieg
(1936 bis 1939) hatte einschneidende Auswirkungen auf den spanischen
Fußball.
Das klerikalfaschistische Regime richtete sich nicht nur gegen das
"atheistische Gesindel" aus Kommunisten, Anarchisten, Sozialisten, sondern
auch gegen die autonomistischen Bestrebungen in Katalonien und im
Baskenland. Die katalanische Sprache wurde verboten, und der Futbol Club
Barcelona musste sich in Club de Fútbol Barcelona umbenennen. Barças
Vereinswappen wurde von seinen katalanischen Bezüge gereinigt.
Trotzdem avancierte der FC Barcelona nach der Zerschlagung katalanischer
Institutionen und Strukturen "zum sichtbaren Zeichen bürgerlichen
Widerstands gegen diktatorische Herrschaft" und zur "epischen Waffe eines
Landes ohne Staat", wie es der spanische Schriftsteller Manuel Vázquez
Montalbán beschrieb. Zur gleichen Zeit entwickelte sich Real Madrid zu
einem Tummelplatz für Funktionäre der Franco-Administration, die sich im
Ruhm eines europäischen Seriensiegers sonnten und die "Königlichen" als
diplomatische Brücke ins demokratische Ausland benutzten.
##
Für die Fans des FC Barcelona war Real nun mehr als nur ein sportlicher
Rivale - nämlich ein Symbol des verhassten franquistischen Zentralismus.
Und Siege über die "Königlichen" sind nach dem in Barcelona lebenden Autor
Sergi Pàmies, der seine Texte ausschließlich auf Katalanisch
veröffentlicht, "ein Placebo, um den Hunger nach Freiheit zu stillen".
Kein anderes Vereinsspiel im Europa nach dem Zweiten Weltkrieg dürfte eine
so große politische Symbolik entwickelt haben wie El Clásico vom 17.
Februar 1974. Vor der Saison hatte Barça sich mit dem Niederländer Johan
Cruyff verstärkt, dem damals teuersten, aber wohl auch besten Spieler
Europas.
Cruyff kam aus einem Land, das in den Jahren zuvor einen phänomenalen
Aufstieg aus dem Provinziellen vollzogen hatte und ein liberales
Kontrastprogramm zum düsteren und rückständigen Franco-Spanien bildete.
Auch auf dem Fußballfeld, wo Cruyffs Stammverein Ajax Amsterdam mit dem
"totalen Fußball" eine neue attraktive Fußballphilosophie begründet hatte.
Und Cruyff dachte nicht nur auf dem Fußballfeld offensiv. Der
selbstbewusste Niederländer gab sich als Gegner des Franco-Regimes zu
erkennen und missachtete so ziemlich alle Spielregeln der Diktatur.
Mit dem Anführer Cruyff besiegte Barça nun Real im Estadio Bernabéu 5:0.
Die New York Times war anschließend davon überzeugt, dass der Niederländer
in den neunzig Minuten auf dem Rasen mehr für den Geist der katalanischen
Nation erreicht habe als viele Politiker zuvor. Aus der Perspektive der
geschlagenen Madrilenen brachte es später der Schriftsteller und Real-Fan
Javier Marías auf den Punkt: "Cruyff war innerhalb und außerhalb des Felds
so intelligent, dass uns nicht einmal unser ausgezeichnete Netzer helfen
konnte."
## Das "Dream Team" von 1992
In Katalonien firmiert jenes 5:0 vom 17. Februar 1974 noch heute als Anfang
vom Ende der Franco-Diktatur. Von wegen Placebo, glaubt Montalbán: "An
jenem Tag, so empfanden es Millionen im Land, setzte der endgültige
Niedergang der faschistischen Diktatur ein. An jenem Tag, sagen viele, fing
die Freiheit an." Am Ende der Saison war Barça erstmals seit vierzehn
Jahren wieder Meister. Die Katalanen tauften Cruyff "El Salvador", den
Erlöser.
Im Sommer 1988, zehn Jahre nach seinem Abschied als Spieler, kehrte Cruyff
zum FC Barcelona zurück - diesmal in der Funktion des Trainers. Cruyff war
erneut zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Kataloniens Metropole befand
sich in einer kulturellen und sozialen Aufbruchstimmung. 1992 gewann Barça
erstmals den Europapokal der Landesmeister, bis dahin ein Privileg des
verhassten Rivalen.
Cruyff hatte den Katalanen eine Spiel- und Ausbildungsphilosophie
verordnet, die wunderbar zum Klubmythos einer moralischen Überlegenheit
über Madrid passte. Europas Champion von 1992 ging als "Dream Team" in die
Annalen ein, "el cruyffismo" wurde zur bis heute gültigen Norm des FC
Barcelona. Pep Guardiola, Barças aktueller Coach, ist ein glühender
"cruyffista".
Unter dem Präsidenten Joan Laporta (2003 bis 2010) betrieb Barcelona den
Ausbau zum "Modell des Guten in der Fußballwelt" (Financial Times). 2006
und 2009 gewann Barça die Champions League - jeweils in höchst stilvoller
Manier. Für Laporta, einem überzeugten Katalanisten, waren die
Spielphilosophie und die Prinzipien und Werte seines Klubs "Sportlichkeit,
Fairness, Universalismus und Gemeinwohl" - zwei Seiten ein und derselben
Medaille. Barça sei "ein schöner Lebensstil".
Bei so viel Pathos, unterlegt von spektakulär errungenen sportlichen
Triumphen, wirkten die ausgabenfreudigen "Königlichen" aus Madrid in den
letzten Jahren geradezu bescheiden.
15 Apr 2011
## AUTOREN
Dietrich Schulze-Marmeling
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