# taz.de -- Massenproteste gegen serbische Regierung: "Weg mit den Dieben" | |
> Zum wiederholten Mal gehen tausende Serben gegen ihre Regierung auf die | |
> Straße. Der Oppositionspolitiker Tomislav Nikolic will mit einem | |
> Hungerstreik Neuwahlen erzwingen. | |
Bild: Demonstrieren gegen die Regierung Tadic: Serben in Belgrad. | |
BELGRAD taz | Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Monaten sind am Samstag | |
tausende Menschen dem Aufruf der oppositionelle Serbischen | |
Fortschrittspartei (SNS) gefolgt. Sie versammelten sich vor dem Parlament | |
in Belgrad. "Weg mit den Dieben!", "Ihr habt Serbien ausgeplündert!", | |
schrien die Demonstranten und forderten den Rücktritt der Regierung. | |
Nachdem viele Redner von der "tragischen" Situation, von "hungernden" | |
Menschen, einer Million Arbeitslosen, hunderttausenden Menschen am Rande | |
des Existenzminimums gesprochen hatten, trat SNS-Führer Tomislav Nikolic | |
vor die Massen und sorgte für eine Überraschung: "Ich werde kein Wasser und | |
keine Nahrungsmittel zu mir nehmen, bis das Datum für Neuwahlen festgelegt | |
wird." Dies sei seine persönliche, "orthodoxe, christliche Geste", sein | |
letzter Versuch, um die für das Volk und Land schädliche Regierung von | |
Staatspräsident Boris Tadic zur Besinnung zu bringen. Entschlossen, "bis | |
zum Ende zu gehen", verließ Nikolic nach einigen Stunden die Bühne und | |
setzte den Streik in den Parteiräumen der SNS im Parlament fort. | |
Vor Journalisten erklärte er: "Ich streike gegen die Arroganz der | |
Machthaber und das schlechte Leben in Serbien." Bei seiner Aktion ginge es | |
darum, dass "Millionen unzufriedener Bürger darauf warten", dass Präsident | |
Tadic zugibt, dass diese Regierung nichts tauge. Er sei sich bewusst, dass | |
seine Gesundheit Schaden nehmen könnte, doch für Serbien sei ihm kein Opfer | |
zu groß. | |
## Der Ton verschärft sich | |
Seit Monaten dauert das Tauziehen zwischen Opposition und Regierung um das | |
Datum für Neuwahlen. Die SNS mit ihren Verbündeten beharrt auf dem 18. | |
Dezember 2011. Dadurch würde auch die Verleihung des EU-Kandidatenstatus an | |
Serbien bis zum Jahresende nicht bedroht. | |
In den vergangenen Tagen verschärfte sich der Ton. Die Regierungsparteien | |
warfen der SNS vor, Serbien zu destabilisieren und ihren undemokratischen | |
Charakter zu offenbaren. Die SNS konterte, dass sich die korrupte Regierung | |
um das Leid der Bevölkerung nicht kümmere. | |
Als Reaktion auf Nikolic Entscheidung, mit seinem Streik Wahlen zu | |
erpressen, wünschte ihm die regierende Demokratische Partei (DS) von Tadic | |
zynisch "gute Gesundheit", lehnte alle Forderungen ab und bezeichnete den | |
Streik als Marketingtrick. Analytiker sprechen von extremem Benehmen, einem | |
gefährlichen Märtyrertum und einer tragikomischen Farce. | |
Die SNS, die sich von der extrem-nationalistischen Serbischen Radikalen | |
Partei abgespalten hat, liegt in Umfragen mit 37 Prozent 10 Prozent vor der | |
DS. Die Koalitionsregierung verfügt nur über eine knappe parlamentarische | |
Mehrheit. Wann immer die Wahlen stattfinden - der substanzlose Populismus | |
beider Seiten dürfte die Wahlabstinenz vieler Bürger fördern. | |
17 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Andrej Ivanji | |
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