Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hamburger Kongress "Operation Ton": Zukunftsmusik mit Gehirn und Ge…
> Der Hamburger Kongress "Operation Ton" setzte auf Kreativität mit
> Umweltbewusstsein. Die Musikschaffenden bestätigten sich dabei
> gegenseitig in ihren geschäftlichen Nischen.
Bild: Rittmeisters Gemüsedemonstration passt zum diesjährigen Motto der "Oper…
Das Wiener Gemüseorchester spielt mit Lebensmitteln: Man bläst in Zucchini,
schlägt auf Rüben oder schüttelt Petersilie. Das Orchester erzeugt mit
Grünzeug indifferentes Geknarze und Gefiepe und schließlich Musik. Mit
vegetabiler Musik haben 12 KünstlerInnen ihre Nische im Chaos der
Musikbranche gefunden.
In Hamburg zeigt einer der "Gemüsiker", Ernst Rittmeister, wie er aus
Mohrrübe, Zucchini und Paprika eine Trompete baut, die auch klingt. Das
"vegetarische" Orchester managt sich selbst, entschieden wird
basisdemokratisch. Man könne mit etwa 60 Auftritten im Jahr rechnen: "Unser
Businessmodell ist Eingeladenwerden", sagt Rittmeister.
Rittmeisters Gemüsedemonstration passt zum diesjährigen Motto der
"Operation Ton": Hirn meets Gemüse. "Wir haben ein Kongressformat, das auf
den Kopf gestellt ist", sagt Andrea Rothaug, die Initiatorin und
Geschäftsführerin von Rockcity, einem Verein für "Selbsthilfe von Hamburger
Musikschaffenden". "Hirn meets Gemüse" soll so viel heißen wie "Kreativität
und Umweltbewusstsein verdrahten". Denn sobald Künstler an den
Vermarktungsmechanismen teilnehmen, müssten sie sich mit ihrer Umwelt
befassten, erklärt Rothaug das Motto. Sie sind dann zugleich Künstler und
Geschäftsleute, zwei diametrale Rollen.
Gastredner Stephan Rath lebt diese Widersprüchlichkeit. "Ich habe sechs
Hüte auf", antwortet er auf die Frage, wie er es schafft, die Rollen des
"Goldene Zitronen"-Schlagzeugers und die des Tocotronic-Managers unter
einen einen Hut zu bringen. Wie das Künstlerleben fast ungeschäftlich geht,
zeigt die queerfeministische Rapperin Sookee. Die Berlinerin berichtet über
"Springstoff", ein Open-Source-Label. Die solidarische Ökonomie der
Künstlervereinigung um das Label wirft keine Profite ab. Wer Geld macht,
kauft nach eigenem Gutdünken etwa neue Technik für das Studio. Die Künstler
machen Musik über Tauschgeschäfte, Promotion gegen Beats, Technik gegen
Text.
## "Man muss herausragen aus dem Chaos"
Wesentlich geschäftstüchtiger zeigt sich die Indie-Beat-Punkband Angelika
Express. Der Gründer, Robert Drakogiannakis, berichtet vom vermeintlichen
Börsengang der Band. Die Produktion und das Marketing ihres Albums,
"Goldener Trash", haben die Kölner über die Angelika-Aktie finanziert. Die
Idee habe er aus Großbritannien geklaut, wo eine Band ihre Kunst als
Anteilsscheine an die Fans verkauft hat, sagt Drakogiannakis. 25.000 Euro
hat die Angelika Express von ihren Sympathisanten bekommen.
Der "Nennwert" einer Aktie betrug 50 Euro. Die kleinen Kunstmäzene bekamen
im Gegenzug eine CD, ein Poster, freien Eintritt und 80 Prozent aus den
Erlösen der Band. "Man muss herausragen aus dem Chaos", erklärt der Musiker
den Schritt an die Pseudo-Börse. Drakogiannakis empfindet sich als
Selbstvermarkter 2.0. Der idealtypische Weg von der Garage zum Majordeal
sei ohnehin illusorisch. "Aber immerhin braucht keiner mehr an den
Türstehern der Musikindustrie vorbei", sagt er.
Die kreative Szene habe unabhängig von Agenturen und Labels durch Cloud
Communities an Macht gewonnen, erklärt Frank Tentler, Kommunikationsberater
und selbsternannter Transmedia-Produzent. "Das Netz brodelt vor Leben",
schwärmt er. Tentlers praktischer Tipp: Mit einem Klick können Bands über
[1][posterous.com] gratis ihre Botschaft auf sämtliche Social-Web-Seiten
streuen. Ein großes Budget ist obsolet - das fehlt den meisten Künstlern
ohnehin.
"Kann man sich verabschieden von dem Gedanken, von seiner Musik zu leben?",
fragten Wiebke Colmorgen und ihr Co-Moderator Christoph Twickel in die
abschließende Diskussionsrunde. Rapperin Sookee ist die Einzige, die nicht
den Anspruch hat, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Liedermacherin
Johanna Zeul erzählt, dass sie aus der Not heraus ein eigenes Label
gegründet hat, nachdem ein Majorlabel sie loswerden wollte. Zeul lebt auf
eigenen Beinen von ihrer Kunst - so auch die Sängerin Bernadette Hengst.
Hengst war mit der Band "Die Braut haut ins Auge" fest bei einem
Majorlabel. Inzwischen hat sie neben der Musik ein zweites Standbein als
Theaterproduzentin. "Der Grund unserer Kunst kann nicht sein, dass wir sie
vermarkten wollen", sagt Hengst. Mit diesem Satz fasst die Künstlerin
zusammen, worüber sich die Musikschaffenden auf dem "Operation
Ton"-Kongress alle einig sind.
18 Apr 2011
## LINKS
[1] http://posterus.com
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.