# taz.de -- STROMWECHSEL: Energiewende soll anstecken | |
> 25 Jahre nach dem Super-GAU in Tschernobyl weiht Ökostrompionier Jan | |
> Saffe Bremens erste atomstromfreie Zone ein. Die Idee ist auf Wachstum | |
> angelegt | |
Bild: Hat eine atomstromfreie Zone in Bremen auf die Beine gestellt: Jan Saffe | |
Die SPD muss weg, Atommüllfass-Plakat hin oder her, zumindest für die | |
Feierstunde. Jan Saffe braucht Platz. Platz am Laternenpfahl. An genau | |
diesem. | |
40 Zentimeter im Quadrat misst sein schwarz-gelbes Schild. Ein | |
Schildermacher hat es angefertigt, zweifache Ausfertigung aus stabilem | |
Blech, mit großen angeschraubten Schellen auf der Rückseite. Die wird Jan | |
Saffe nachher um den Pfosten legen, eines hier und eines 30 Meter weiter | |
vorn. Er wird die Schrauben festzurren. Und damit, auf den Tag genau 25 | |
Jahre nach dem Super-GAU in Tschernobyl, den mittleren Abschnitt des | |
Sträßchens Beim Paulskloster im Milchquartier samt des kleinen Platzes vor | |
dem "Bauernladen" als "Atomstromfreie Zone" ausweisen - die erste in | |
Bremen. | |
Eine Kunstauktion zugunsten von Tschernobyl-Opfern wird die Einweihung | |
begleiten. Der Prosecco ist schon kalt gestellt. Ob er die Schilder | |
aufhängen darf, hat Saffe nicht gefragt. Sie sähen doch aus, "als hätten | |
die Behörden das angeordnet". | |
13 von 14 Haushalten in den neun Häusern links und rechts der Straße | |
beziehen ihren Strom von einem der vier echten Ökostromanbieter, die | |
Umweltverbände empfehlen, der 14. hat seinen Stromwechsel schon | |
angekündigt. Womit die Hauptbedingung für das selbstverliehene Prädikat | |
erfüllt wäre. | |
Für Ökostrompionier Saffe, der schon vor elfeinhalb Jahren und als einer | |
der ersten in Bremen den Atom- und Kohlestrom abbestellt hat, ist das | |
allerdings nur der erste Schritt. Das Ergebnis des zweiten liegt auf den | |
Dächern der "Zone": zwei Kollektoren, die die Sonne für Heizung und | |
Warmwasser nutzen, und drei Photovoltaikanlagen, die Strom erzeugen. Die | |
Energiewende, über die seit Fukushima wieder alle reden, ist hier im | |
Kleinen längst Realität. Jan Saffe freut sich jeden Abend, wenn er im | |
Keller des Bauernladens auf den Einspeisezähler guckt. "Jetzt zeigen wirs | |
den Großen", denkt er dann. Er meint die Stromkonzerne mit ihren Kohle- und | |
Atomkraftwerken. | |
Der Atomstrombann beim Paulskloster ist vor allem Saffes Mundpropaganda zu | |
verdanken: Er kennt so ziemlich jeden, der hier wohnt. Und über den Tresen | |
im Bauernladen, wo er arbeitet, wandern nicht nur Karotten und Käse, | |
sondern gerne auch Infos über Ökostrom und wie man ihn bestellt. Wer will, | |
dem rechnet Saffe die finanziellen Auswirkungen der persönlichen | |
Energiewende vor: In den meisten Fällen, sagt er, schlage sie mit etwa drei | |
Euro pro Monat zu Buche. | |
Schritt drei von Saffes Plan ist seit gestern Abend vollbracht: Die | |
Schilder hängen - aus dem Stromwechsel, mit einer Postkarte am Küchentisch | |
vollzogen, ist ein öffentliches Statement geworden. Die 270 Euro, die Saffe | |
dafür investierte, hält er für gut angelegt. Denn seine Erfahrung lautet: | |
Energiewende ist ansteckend. Gut also, wenn sie jeder sieht. | |
Ein erstes Beispiel kann Saffe schon vorweisen: Mit dem Besitzer des Hauses | |
von gegenüber etwa, dessen Dach sich so unverschämt unverschattet zur Sonne | |
reckt, verhandeln inzwischen Nachbarn, die dort weitere Solarzellen | |
draufpacken wollen. Auch die atomstromfreie Zone selbst, unterstreicht | |
Saffe, sei jederzeit erweiterbar. Kehrten weitere Haushalte den | |
Stromkonzernen den Rücken, würden die Schilder einfach ummontiert. "Ich hab | |
schon geguckt, wo die nächsten Laternenpfähle sind." Saffe hofft auf | |
Nachahmer auch in anderen Straßen, auf ein immer dichter werdendes Netz | |
atomstromfreier Zonen, nächstes Etappenziel: atomstromfreies Milchquartier. | |
26 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Armin Simon | |
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