Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berlin vor dem 1. Mai: Al-Qaida im Kiez
> Vor der erwarteten Randale informiert Springers "BZ" in einer Serie über
> die Machenschaften der "linksextremen Mafia", die ganz Berlin im
> angsteinflößenden Klammergriff hält. Eine Würdigung dieser
> aufklärerischen Großtat
Bild: Wird der 1. Mai ein Tag des Zorns nach arabischem Vorbild?
In Kreuzberg gibt es nicht nur massenhaft Sarrazinisten, sondern auch ein
talibanähnliches "Terrornetzwerk", wenn man der BZ glauben will. Bis zur
traditionellen 1.-Mai-Randale entlarvt die Lokalzeitung der
Springerstiefelpresse derzeit täglich auf einer Doppelseite die fiese
Unmoral der Linken, "die alles bestreiten, nur nicht ihren Lebensunterhalt"
(Helmut Kohl).
Diese "große BZ-Serie zur linken Gewalt: ,Wie die linksextreme Mafia in
Berlin operiert'" begann Mitte April, nachdem "autonome Gruppen" eine
Polizeiwache mit Molotowcocktails angegriffen hatten. Zuvor war vom
Amtsgericht Moabit ein Verfahren gegen drei linke Buchläden wegen
"Anleitung zu Straftaten" überraschend wegen "Geringfügigkeit" eingestellt
worden: Sie hatten das "gewaltverherrlichende" Autonomeninfo interim
verkauft.
Das war zu viel für die Springerstiefelpresse, die nun auf ihre Weise die
Polizei für den 1. Mai fit macht, indem sie ihnen den verbrecherischen
"linksextremen Untergrund" mit Zahlen, Namen und Fotos liefert, dazu die
"Schlachtpläne des Schwarzen Blocks" und Grafiken über das "verschachtelte
Netz" der wichtigsten autonomen Schaltstellen (Buchläden, Stiftungen,
Ermittlungsausschuss, Internetplattformen, Mehringhof, Trotzkisten usw.).
Der SPD-Innensenator redet in dem Blatt von "ausmerzen"; Polizisten
behaupten, dass die feigen "Linkschaoten" sich unter ihren Kollegen immer
"die schwächsten heraussuchen"; und die BZ-Autorin klagt, wie "schwer" es
ist, in dieser Szene "zwischen legaler Kulturarbeit und
gewaltverherrlichenden Extremisten in der Praxis" zu unterscheiden. Auf der
anderen Seite verlangen die namentlich genannten Buchhändler
Gegendarstellungen und in der Partei Die Linke überlegt man sich rechtliche
Schritte gegen die BZ, die sich alle Mühe gibt, damit Berlin nicht länger
"Hauptstadt der Chaoten" bleibt, wie ihre erste Folge betitelt ist. Darin
wird die Attraktivität der Stadt für den "linken Radikalismus" seit der
Kaiserzeit umrissen, der 1967/68 seinen vorletzten Höhepunkt hatte, als er
fast 50.000 Studenten erfasste.
Schon damals sah die BZ ihre vornehmste Aufgabe darin, diese
"Radikalinskis" zu bekämpfen. Der zweite Höhepunkt kam im Herbst 1990 mit
dem Widerstand gegen die Räumung der besetzten Häuser in der Mainzer Straße
. Die "Gewaltbereitschaft ist ein verbindendes Lebensgefühl im autonomen
Milieu", wird dazu der Pädagoge Micha Brumlik zitiert.
Zusammen mit den Organisationen der 1.-Mai-Demonstrationen, von denen eine
mit den arabischen Schriftzeichen für "Jalla jalla" (los gehts!)
mobilisiert - und damit eine mögliche Ausweitung der arabischen Aufstände
bis nach Berlin suggeriert, ergibt das tatsächlich eine gewisse nervöse
Spannung schon im Vorfeld des diesjährigen 1. Mai in der Stadt. Dabei ist
nichts lächerlicher als das: Schon seit Jahren kann von einer linken
Bewegung in Berlin nicht mehr die Rede sein. Auf linken Veranstaltungen
wird regelmäßig beklagt, dass die Gruppen zerfallen und kein
"Diskussionszusammenhang" mehr existiert. Was es gibt, sind, abgesehen von
den desolaten Gewerkschaften und linksalternativen Parteien bzw.
Kirchentagen, um Aufmerksamkeit buhlende Projektemacher, Blogger, Club- und
Kneipenkollektive, Single-Issue-Initiativen und Bürgerinitiativen zur
Umfeldverbesserung, die letztlich alle der Gentrifizierung Vorschub
leisten.
Diese, die steigenden Mieten, sind denn auch inzwischen das Einzige, was
ein nennenswertes Protestpotenzial am 1.Mai auf die Straße treiben könnte.
Ansonsten werden die harten Ideologien (Klassenkampf, Antiimperialismus)
hier fast nur noch von Rentnern und Stasisympathisanten vertreten, während
die "Facebook-Generation" und NGO-Netzwerke weichen Ideologien (Internet,
Ökologie, Menschenrechte) anhängen, die sich leicht mit Karriere und
Geschäft verbinden lassen. So gesehen geht die Anstrengung der BZ-Serie
bloß noch dahin, die letzten Hasskappen ("Ideologen") aus der
"ideologiefreien Stadt" zu entfernen, indem sie sie in die Nähe von
al-Qaida rückt.
Die Zahl der "Linksextremisten" schätzt die BZ übrigens auf 2.260 Personen
und erklärt: "98 Prozent der Teilnehmer des Schwarzen Blocks tragen
Schwarz, damit die Polizei sie schwerer identifizieren kann, das jüngste
Opfer linker Gewalt war ein 14-jähriges Mädchen". Typisch Taliban.
27 Apr 2011
## AUTOREN
Helmut Höge
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.