# taz.de -- Hoffnung Polen: Ein Obdachloser geht nach Hause | |
> Ryszard Kwiecien träumt von einem Job in Deutschland - und erwacht in | |
> einer Hamburger Altpapiertonne. Nach Polen zurück will er nicht. Bis ihm | |
> ein Streetworker hilft. | |
Bild: Dann steht Ryszard Kwiecien in Namyslow vor der Klingel seiner Mutter. | |
Wenn sich am 1. Mai die deutsche Grenze für polnische Arbeiter öffnet, ist | |
Ryszard Kwiecien schon wieder zuhause in Schlesien – bei seiner Mutter. Er | |
war nach Deutschland gekommen, als Polen der EU beitrat. Kwiecien hoffte | |
auf Arbeit, aber die Sache ging ganz anders aus als er sich das vorgestellt | |
hatte. | |
Etwas verloren steht er deshalb an diesem Montagabend im März zwischen all | |
den Menschen im Neonlicht des Hamburger Busbahnhofs. Ein Mann, den sieben | |
Jahre in Deutschland gezeichnet haben. Er raucht, seine rechte Hand | |
wackelt, als er die Asche auf den Boden stippt. Er hat seit fast 22 Stunden | |
nichts mehr getrunken. Besoffene nimmt der Busfahrer nicht mit, haben sie | |
ihm gesagt. Das wollte er nicht riskieren. Nicht heute. | |
Heute fährt Ryszard Kwiecien zurück nach Polen. Er gibt auf. Gescheitert | |
war er schon lange, aber erst ein Streetworker der Barka-Stiftung hat ihm | |
gezeigt, dass seine Zukunft in Polen eine bessere sein könnte – eine, in | |
der er wieder eine Wohnung hat, eine, in der er nicht mehr morgens in | |
Altpapiertonnen aufwacht. | |
## In Polen war er ein arbeitsloser Tischler | |
Es ist ein Sonntag im Mai 2004, als Kwiecien in seiner Heimatstadt Namyslow | |
in den Zug steigt und ihn in Hamburg wieder verlässt. In Polen war er ein | |
arbeitsloser Tischler, das soll sich jetzt ändern. Er will in Deutschland | |
das, was viele Polen wollen: raus aus der Armut. Ich werde so viel Geld | |
verdienen, dass ich dir jeden Monat was überweisen kann, hatte er seiner | |
Mutter zum Abschied gesagt. | |
Am 1. Januar 2004 war Polen der EU beigetreten. Die Grenzen öffneten sich. | |
Plötzlich schien alles möglich - auch für Ryszard Kwiecien. Ab 1. Mai 2011 | |
dürfen Polen in Deutschland uneingeschränkt Jobs suchen. Kwiecien | |
interessiert das nicht mehr. | |
Anfangs läuft es gar nicht schlecht. Er renoviert eine Wohnung, greift mit | |
den Händen in Farbeimer, schläft auf dem abgezogenen Parkett. Danach | |
allerdings findet er keinen Job mehr – und landet auf der Straße. Kwiecien | |
säuft, Bier, Wodka. Hilfe vom Staat steht im nicht zu, Notunterkünfte | |
meidet er. Sein Leben hängt, es geht nicht vorwärts und nicht zurück. Nach | |
zwei Herzinfarkten muss er ins Krankenhaus. Sie retten sein Leben und | |
setzen ihn wieder vor die Tür. | |
Erst als Kwiecien den Streetworker trifft, beginnt er wieder zu hoffen. Die | |
Barka-Stiftung hat sich darauf spezialisiert, polnischen Obdachlosen im | |
Ausland zu helfen, ihnen einen Ausweg zu zeigen. Irgendwann beschließt | |
Kwiecien zurückzugehen. | |
Warum er seiner Mutter nie etwas von seinem Schicksal erzählt hat, wie er | |
sich im Bus seiner Heimat nähert und wie das Wiedersehen mit der Mutter | |
verläuft, das erzählt die Ganze Geschichte der aktuellen sonntaz. | |
30 Apr 2011 | |
## AUTOREN | |
Emilia Smechowski | |
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