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# taz.de -- die wahrheit: Von Windsors verweht
> Das warme Bier floss in Strömen, tausende von Tieren wurden auf Holzkohle
> gegart, bis sie schwarz waren. Eigentlich ein normales englisches
> Wochenende...
...Diesmal hatten die Gelage aber das königliche Siegel. In vielen Parks
wurde die Traumhochzeit des Jahres zwischen Prinz William und Catherine
Middleton, genannt Kate, auf Großbildleinwänden übertragen.
Middleton ist die erste Bürgerliche, die in die britische Königsfamilie
einheiratet, seit James II. im Jahr 1660 Anne Hyde ehelichte. Sie musste
jedoch nicht wie Hyde in den Palast zur geheimen Hochzeit eingeschmuggelt
werden, und sie musste sich auch nicht vorwerfen lassen, mit dem halben Hof
geschlafen zu haben. Allerdings schickte man sie als künftige Königin in
die Lehre, um Winken, Smalltalk und das unfallfreie Entsteigen aus Kutschen
zu üben. Ein Wappen musste sich die Familie auch anschaffen, damit man es
neben das königliche Hoheitszeichen an die Wohnzimmerwand im Palast hängen
kann.
Wappen sollen die gesamte Familie sowie ihre Heimat und ihre
Freizeitaktivitäten repräsentieren. Den meisten britischen Familien reicht
dafür ein Pub und ein Bierglas. Aber welches Motiv passt am besten zur
Familie Middleton? Zwei gekreuzte Luftballons wegen des
Partyzubehörhandels, mit dem Kates Eltern reich geworden sind? Die Familie
entschied sich für drei Eicheln - wegen Kate und ihrer beiden Geschwister,
aber auch wegen Berkshire, wo die Middletons leben und wo Nelsons Kollege,
Admiral Collingwood, nach der Schlacht bei Trafalgar Eicheln verstreut
haben soll, damit der englischen Marine nie das Holz für ihre Schiffe
ausgehen möge.
Der frischbewappnete Middleton-Clan war dem Fernsehsender Channel 4 eine
Miniserie wert: "Meet the Middletons", in Anlehnung an die Komödie "Meet
the Fockers" mit Robert de Niro und Ben Stiller. Das sei "im Interesse der
Nation", beteuerten die Filmemacher, denn diese Leute seien die Vorfahren
künftiger Monarchen. In Wirklichkeit wollte man sich lustig machen über die
Friseusen und die Bergarbeiter, die Supermarkt-Filialleiter und die
dickliche Cousine dritten Grades mit den gefärbten roten Haaren.
Doch Kates Verwandte sind so normal, wie es die meisten Engländer sind. Sie
hatten nicht viel Interessantes zu erzählen, schon gar keine
Klatschgeschichten, weil kaum einer von ihnen Kate je begegnet ist. Eine
Frau kam zu Wort, die mal den Kinderwagen von Kates Oma mütterlicherseits
gesehen hat. Paul, ein Fitnesstrainer aus Paignton, sagte: "Es ist bizarr.
Wir sind eine Familie aus Nordengland, und nun wird eine von uns Königin."
Und Michael, ein Supermarkt-Filialleiter aus Wales, freute sich: "Klasse,
dass unser Stammbaum jetzt mit dem der Windsors verknüpft ist." Das ist er
längst: Die Daily Mail hat herausgefunden, dass Williams Familie
mütterlicherseits und Kates Familie väterlicherseits mit Sir Thomas
Leighton und Elizabeth Knollys gemeinsame Vorfahren haben. Die beiden
heirateten 1576.
Lediglich Kates Onkel Gary Goldsmith, der Bruder ihrer Mutter, gab etwas
Skandaltaugliches her. Er lebt auf Ibiza in einer
Zehn-Millionen-Dollar-Villa, die er "House of Sex" getauft hat, und wurde
voriges Jahr von einer britischen Sonntagszeitung hereingelegt: Er besorgte
den getarnten Journalisten Kokain und Prostituierte. Das ist ungefähr so
spannend wie die Frage, ob sich der Cocker Spaniel der Middletons mit den
Corgis der Königin vertragen wird.
Die Monarchiegegner feiern erst heute. Sie treffen sich in London zur
Konvention der "Allianz europäischer republikanischer Bewegungen". Es
werden Delegierte aus allen europäischen Ländern erwartet, in denen es noch
Königshäuser gibt: von Spanien bis Schweden. Man will Erfahrungen
austauschen und gemeinsame Aktionen planen, um mit friedlichen Mitteln "ein
monarchiefreies Europa" zu erreichen.
Solange die Queen noch lebt, wird aber zumindest in Großbritannien nichts
draus, denn sie ist bei den Untertanen überaus beliebt. Während der Enkel
heiratete, fand unter dem Codenamen "London Bridge" gestern allerdings der
Probelauf für Elisabeths Beerdigung statt - diskret im Hintergrund,
versteht sich. Eine solche Ansammlung von Staatsoberhäuptern und
Mitgliedern von Königsfamilien aus der ganzen Welt könne man sich nicht
entgehen lassen, um Zeitpläne, Routen, Einladungslisten und
Sicherheitsvorkehrungen in Hinblick auf das Begräbnis der Monarchin zu
überprüfen, sagte ein Sprecher des Palasts. Das kann noch dauern, Elisabeth
ist vorige Woche 85 Jahre alt geworden, ihre Mutter ist erst mit 101
gestorben. Charles hat im März den Rekord als dienstältester britischer
Thronfolger aller Zeiten gebrochen. Wenn die Zähigkeit bei den Windsors
erblich ist, wird Kate zur Königin in der Warteschleife.
30 Apr 2011
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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