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# taz.de -- Arte-Doku zu erneuerbaren Energien: Revolutionspredigten in Spielfi…
> Großes Kino fürs Fernsehen - ein Filmemacher sucht die Energiewende und
> weiß, wo er sie findet: "Die 4. Revolution - Energy Autonomy", 20.15 Uhr,
> Arte.
Bild: Solarhaussiedlung in den Niederlanden.
"Energieautonomie" heißt ein Buch von Hermann Scheer aus dem Jahr 2005, es
handelt von seinem Lebensthema: "Eine neue Politik für erneuerbare
Energien". Der Alternative Nobelpreisträger ist im vergangenen Jahr
verstorben, deshalb kann man den auf der Grundlage seines Buches
entstandenen Dokumentarfilm "Die 4. Revolution - Energy Autonomy" auch als
sein Vermächtnis begreifen.
Der etwas unbescheidene Filmtitel spielt an auf die Agrarrevolution, die
Industrielle Revolution und die Digitale Revolution. Scheer wird in dem
Film mehr Raum eingeräumt als allen anderen Protagonisten, er ist "Der
Politiker". Mit so einem Schlagwort hat der Filmemacher Carl-A. Fechner
alle seine Figuren ausgestattet, da kommen zum Beispiel vor "Der Gründer",
"Der Aufbauer", "Der Erfinder", "Der Fabrikant", "Der Unternehmer"; Bianca
Jagger ist "Die Menschenrechtsaktivistin", der Nobelpreiträger Muhammad
Yunus "Der Banker". Er hat für seine Anwendung des Mikrofinanz-Gedankens
bemerkenswerterweise den Friedensnobelpreis erhalten - nicht den
Wirtschaftsnobelpreis.
Diese und (beinahe) alle anderen - überaus sympathischen - Interviewten
sind mit Hermann Scheer, wie man so sagt, auf einer Wellenlänge und
predigen einhellig die Notwendigkeit und baldige Machbarkeit der
Energiewende hin zu den Erneuerbaren Energien. Selbst für die in diesen
Post-Fukushima-Tagen gewiss zahlreichen Zuschauer, die auch alle auf dieser
Welle schweben, wäre so viel traute Übereinstimmung in Spielfilmlänge ein
bisschen unspannend.
Das hat auch Fechner erkannt, weshalb er immerhin einen advocatus diaboli
zu Wort kommen lässt, Fatih Birol ist "Der Regierungsberater". Das heißt,
Birol ist Chefökonom der Internationalen Energieagentur (IEA). Er sitzt
hinter seinem ausladenden Chef-Schreibtisch, genießt die teure Aussicht
über Paris - und bestreitet vehement die Umsetzbarkeit einer
Energierevolution "in den nächsten zwei, drei Jahrzehnten".
Und er sagt ein paar Sachen, die man sehr lustig finden kann. Etwa: "Das
Meiste, was ich über Energie weiß, verdanke ich meiner Arbeit in der OPEC."
Oder: "In Frankreich beziehen wir seit Jahrzehnten 80 Prozent unseres
Stroms aus Atomkraftwerken. Atommüll war nie ein Problem in diesem Land."
## Deutschlands erfolgreichster Kinodokumentarfilm
Gäbe es in dem Film nur noch ein einziges weiteres Ironie-Signal, so könnte
man fast meinen, Birol solle da ein bisschen vorgeführt werden. "Die 4.
Revolution" nimmt sich und überhaupt alles allerdings sehr ernst. Der Film
hat eine Botschaft, eine Mission, ist ein Propagandafilm. Es verwundert
nicht, dass sich unter den 24 im Abspann genannten "Sponsoren" fast
ausnahmslos Unternehmen der alternativen Energiewirtschaft finden.
Propagandafilme folgen meistens, nicht immer, einer eher schlichten Logik.
Davon zeugen hier insbesondere die gelegentlichen Texttafeln, auf denen zum
Beispiel gelehrt wird: "Den höchsten Gewinn aller Zeiten verbuchte der
amerikanische Ölkonzern Exxon Mobile 2008: 45 Milliarden Dollar. Davon
könnten 546 Millionen Einwohner Afrikas ein Jahr lang leben." Wie sie davon
leben könnten, das sagt der Film nicht.
Die Texttafeln taugen aber auch als Beleg dafür, was einen "echten"
Dokumentarfilm von dem Einerlei der tagtäglichen Fernseh-Dokumentationen
unterscheiden kann: Der Verzicht auf einen an- und abmoderierenden, jeden
O-Ton erklärenden Off-Kommentar. Der Einsatz von eigens komponierter
Filmmusik (Natalia Dittrich) ohne Angst vor dem ganz großen Pathos. Der
globale Ansatz, die zahlreichen Schauplätze in aller Welt - in Amerika,
Dänemark, Mali, Frankreich, Deutschland, Norwegen, Spanien, China,
Brasilien, Bangladesch.
Da braucht man natürlich "Sponsoren", das war gewiss nicht billig. Das gilt
auch für die Bilder (Kamera: Sorin Dragoi), echte Kinobilder - ein Flug
über das nächtliche, hell erleuchtete LA, Totalen von Windrädern im
Gegenlicht der auf- oder untergehenden Sonne, die mit dem
Smog-Weichzeichner veredelte Skyline von Shanghai. Arte sagt, der Film "war
2010 Deutschlands erfolgreichster Kinodokumentarfilm".
3 May 2011
## AUTOREN
Jens Müller
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