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# taz.de -- Ausstellung über Flower-Power-Zwillinge: Das Grinsen des Dennis Ho…
> Die Hamburger Deichtorhallen zeigen eine Ausstellung über die
> Flower-Power-Zwillinge Gisela und Jutta Schmidt, die dadurch berühmt
> wurden, dass sie berühmte Männer trafen. Die genaueren Umstände bleiben
> im Dunkeln.
Bild: Die Schmidt-Zwilllinge 2011: Gisela Getty (links) und Jutta Winkelmann.
HAMBURG taz | Es gibt prominente Menschen, da taucht trotz allem Glamour
irgendwann die Frage auf, warum sie eigentlich so prominent sind, was sie
also dafür getan haben, dass sie alle kennen oder zu kennen scheinen.
Besonders wenn sie weder ein berühmtes Buch geschrieben noch einen
wegweisenden Film abgedreht haben.
Und wenn es überhaupt nicht ganz leicht fällt, griffig zu beschreiben,
woher sich ihre Bedeutung schöpft, außer dass sie vielleicht im richtigen
Moment Menschen getroffen haben, die bereits das waren, was sie unbedingt
werden wollten: erfolgreich und bekannt und am Ende berühmt.
Zu jenem Personenkreis, bei dem diese Frage nach dem eigenen Beitrag zum
Prominentsein zunächst offen ist, gehören unzweifelhaft die Schwestern
Gisela und Jutta Schmidt, denen das Hamburger Haus der Photographie jetzt
eine Ausstellung widmet, gleich links, wenn man reinkommt und weitergeht,
an der Kasse vorbei.
"The Twins - A visual journey by Gisela Getty & Jutta Winkelmann", heißt
die Ausstellung, und als Intro hängt vorne ein Doppelportrait der
Zwillingsschwestern: Beide stecken je in einem überladenden, mondänen
Kleid, die Arme je bis zu den Fingerspitzen behandschuht, die Augen je
durch eine Sonnenbrille geschützt. Hinter ihnen steht Dennis Hopper, auch
er trägt Handschuhe, und Hopper grinst dazu einigermaßen diabolisch, wie es
so seine Art war.
Es ist bestimmt kein Zufall, dass dieses Bild die Ausstellung eröffnet.
Zwei Frauen im Griff eines Mannes, so wie sie heute ja auch nicht mehr mit
Nachnamen Schmidt heißen, sondern nach Männern benannt sind, mit denen sie
mal verheiratet waren.
Natürlich folgen jetzt die üblichen Vokabeln, die da lauten: Groupie - Muse
- Göttin. Denn all das sollen die beiden Schwestern nacheinander gewesen
sein, wie sie erst in München, dann in Rom, später drüben in den USA mit
Menschen in Kontakt kamen, die ab den späten 60er Jahren unsere westliche
Welt künstlerisch prägten.
Dazu hängen an den Wänden Sprüche der beiden Schwestern: "Wir tragen nicht
mehr als Tücher um die Hüften. Freie Kinder sind wir." Oder: "Wir sind
unsterblich und heilig in einer an sich heiligen Welt." Das passt, handelt
es sich doch weder bei Groupie noch bei Muse und erst recht nicht bei
Göttin um einen anerkannten Ausbildungsberuf.
Es ist überhaupt eine seltsam informationsfreie Ausstellung. Den Besuchern
werden keine Lebensdaten, keine Zeitleiste, keine Kommentare dessen
geboten, was damals geschehen ist, als sich die Schmidt-Schwestern in der
Welt des Flower-Power-Seins ihre eigenen Welten schufen. Man muss daher
schon einiges wissen, um die Anknüpfungspunkte zwischen den verschiedenen
Lebensstationen und den dazu gehörigen Bildern zu verstehen.
Und es ist die Frage, was die Besucher machen und was sie in den
Fotografien erkennen, wenn ihnen dieses Wissen fehlt. Wenn ihnen etwa der
Lebenslauf des Paul Getty nicht parat ist, weil sie damals, als dessen
Entführungsgeschichte wochenlang durch die Illustrierten geisterte,
schlicht noch zu jung waren, um sich an sie erinnern zu können und ihre
Bedeutung für einen Menschen zu entschlüsseln.
Paul Getty, ein überaus hübscher Jüngling, wie immer wieder auf den Fotos
der Schmidt-Zwillinge zu sehen ist, Spross des milliardenschweren
Getty-Clans (Erdöl, moderne Kunst) wird im Juli des Jahres 1973 in Italien
entführt.
Doch sein Großvater, der das Unternehmen als Familienoberhaupt mit eiserner
Hand regiert, weigert sich ein Lösegeld zu zahlen. Bis die Entführer dem
Enkel ein Ohr abschneiden und es der Großvater in seiner Geschäftspost
findet, worauf er endlich zahlt, aber dieses Geld als Darlehen verstanden
wissen will, dass ihm der Enkel ordentlich verzinst zurückzuzahlen habe.
Paul Getty, der gut ein Jahr später Gisela Schmidt heiratet, die seitdem
Gisela Getty heißt, wird nicht sehr alt werden, hin und her geschüttelt von
den Drogen, die ihn schon vorher nicht kalt ließen, ihm aber nun endgültig
zusetzen und denen er sich nicht zu erwehren weiß. Und darum herum Gisela
und Jutta und all die anderen.
Schon ein wenig mehr an Hintergründen bietet da das gleichnamige Buch der
Schmidts, im letzten Frühjahr im Blumenbar Verlag erschienen, das
wenigstens einige Eckdaten anführt und noch mehr Fotos, von noch mehr
Prominenten aus dem Umfeld der beiden Schwestern, die man kennt oder auch
nicht und so wird schnell klar: Die Hamburger Ausstellung ist keine
eigenständige Ausstellung, sie ist der Trailer zum Buch. Die Ausstellung
ist genau genommen eine Mogelpackung.
Natürlich gibt es dennoch zwischendurch ein paar schöne, ordentliche Fotos
zu sehen, auf denen die Schmidt-Zwillinge abgelichtet sind. Und es gibt
welche, die sie selbst gemacht haben, von sich oder von den anderen, mit
denen sie ab den späten 60ern ihr bisheriges Leben verbracht haben: Sean
Penn, Leonard Cohen, Werner Herzog beispielsweise.
Oder Wolf Wondratschek, noch mit Nickelbrille, und der durchgedrehte
Timothy Leary und Henry Rollins, der erwartbar böse guckt, die muskulösen
Arme tätowiert.
Interessant ist ein Polaroid von Helge Schneider aus dem Jahre 1995, wo
dieser ganz normal in die Kamera geschaut haben muss und wo im Abgleich zu
den Bildern von heute zu erkennen ist, dass es seine auch körperlichen
Folgen hat, wenn einer immer und immer wieder auf der Bühne die Witzfigur
gibt, den Helge eben.
Und Rainer Langhans sieht auf einigen Bilder sogar recht sympathisch aus,
das Haar kurz gehalten wie bei einem frisch geschorenen Pudel, während
Bommi Baumann so feminin wirkt, dass man wirklich zweimal hinschauen muss,
um den späteren Kämpfer der "Bewegung 2. Juni" zu erkennen, der sich damals
in Afghanistan, danach in Rom rumtrieb, Mitte der Siebziger, wo er auf die
Schmidt-Zwillinge stieß.
Doch dieses bunte Allerlei aus diesem und jener (wobei die Schwestern an
anderen Frauen nur ein sehr marginales Interesse hatten) kann nicht darüber
hinweg täuschen, dass die Ausstellung anhand der dokumentierten
Lebensspuren nicht wirklich etwas über die 70er und auch 80er erzählt, was
substantiellen Charakter hat. Und so ist es andererseits kein Zufall, dass
es von Bob Dylan, dessen Musik und wohl auch dessen Person damals dafür
gesorgt haben sollen, dass sich die Schmidt-Zwillinge aus dem einst
heimatlichen Kassel auf den Weg in die große weite Welt aufmachten, in der
sie noch heute unterwegs sein sollen, kein Bild gibt. Und überhaupt: Solide
Zwillingsforschung sieht anders aus.
2 May 2011
## AUTOREN
Roberta Schneider
## TAGS
Kommune 1
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