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# taz.de -- Streik am Universitäts-Klinikum Charité: Ein Fall für den Notarzt
> Operationen fallen aus, Patienten werden notdürftig versorgt. Die Charité
> läuft auf Sparflamme, denn die Beschäftigten wollen genau so viel
> verdienen wie ihre Kollegen anderswo.
Bild: Streikwache vor dem Universitaetsklinikum in Mitte.
Drinnen ist es gespenstisch ruhig, draußen trommeln und tröten die
Demonstranten für ihr Anliegen: Der Streik bei der Charité hat den
Krankenhausbetrieb am Montag gelähmt. Operationssäle blieben leer,
Stationen arbeiteten mit Notbesetzung: 90 Prozent aller geplanten Eingriffe
hätten verschoben werden müssen, teilte die Charité am Abend mit. Nur 30
Notfälle seien operiert worden. Vor den Häusern in Wedding, Mitte und
Steglitz wurde hingegen der Protest gefeiert. "Pflegefall Charité" prangte
auf den T-Shirts der Demonstranten, die mit Transparenten und Kundgebungen
auf ihre Situation aufmerksam machten. Etwa 10.000 nichtärztlich
Beschäftigte waren zum unbefristeten Streik aufgerufen. Sie fordern,
künftig genauso viel zu verdienen wie ihre Kollegen an anderen
Krankenhäusern. Konkret wollen sie rund 300 Euro mehr pro Monat.
Natürlich wüssten sie um die finanzielle Notlage der Charité - daher sei
der Senat gefragt, sagte die Verhandlungsführerin der Gewerkschaft Ver.di,
Bettina Weitermann. "Das Land Berlin brüstet sich international mit der
Charité, dann soll es sich auch für ihre Mitarbeiter verantwortlich
fühlen." Man werde streiken, bis die Arbeitgeber einlenken.
Seit 6 Uhr morgens hatten laut Ver.di etwa 2.000 Schwestern, Pfleger,
Wachpersonal und Assistenten die Arbeit niedergelegt. Die Charité erklärte,
300 der 3.000 Betten seien leer geblieben, um das verbleibende Personal
nicht zu überlasten. Im Virchow-Krankenhaus etwa behandelte die Notaufnahme
nur ein Viertel so viele Patienten wie üblich. "So tot war es hier seit 40
Jahren nicht", sagte eine Pflegekraft. Im nahe gelegenen jüdischen
Krankenhaus meldeten sich hingegen deutlich mehr Menschen in der
Notaufnahme als sonst.
Auch im Bettenhaus an der Luisenstraße tummelten sich die meisten
Mitarbeiter im Foyer und vor dem Gebäude. Ein Patient von der
psychosomatischen Station erzählte, es sei schon ruhiger als sonst. Er sei
aber wie gewohnt versorgt worden. Nur Werner Flugmann am Empfang war zum
üblichen Dienst angetreten. "Die jüngeren sollen streiken, ich stehe ja
kurz vor der Rente und halte den Betrieb aufrecht", sagte er. Eine
Assistentin aus der Radiologie beschrieb ihre Problemlage: "Wir treten seit
Jahren gehaltsmäßig auf der Stelle, während auf den oberen Etagen neue
Posten geschaffen werden und die Löhne ständig steigen." Sie arbeitet seit
26 Jahren an der Charité und sagt, sie hänge an dem Unternehmen. "Umso mehr
schmerzt es, dass nichts passiert." Eine Kollegin aus der Virologie
ergänzte, ärgerlich sei auch das Verhalten von Ärzten: Denen sei es egal,
wie es den Mitarbeitern ergehe - dabei übernähmen Assistenten längst
Aufgaben, die früher von Ärzten erledigt worden seien. "Solange die sich
ihre Gehaltserhöhungen sichern, kümmern sie die anderen nicht."
Kilian Tegethoff, der Landesvorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger
Bund, widersprach dem: Die Ärzte könnten zwar wegen eines laufenden
Tarifvertrags nicht mitstreiken, unterstützten das Anliegen der
Beschäftigten aber voll und ganz, so Tegethoff zur taz. Die Charité hat
Ver.di 120 Euro monatlich mehr angeboten. Mehr sei nicht drin, sagte der
Ärztliche Direktor Ulrich Frei. Die Ansprüche von Ver.di seien für die
Charité ein Dilemma. "Die Forderungen des Senats, unsere wirtschaftliche
Situation ins Lot zu bringen, bestehen unverändert fort." Finanzsenator
Ulrich Nußbaum (parteilos) erklärte, er äußere sich nicht zu laufenden
Verhandlungen.
Weitermann drohte, wenn die Gehälter so niedrig blieben, werde das Personal
abwandern. Für den heutigen Dienstag haben Ver.di und DBB Tarifunion zu
einer größeren Demonstration aufgerufen; Züge aus Mitte und dem Wedding
wollen sich am Nachmittag vor dem Bayer-Firmengelände zu einer Kundgebung
treffen.
2 May 2011
## AUTOREN
Sebastian Fischer
Kristina Pezzei
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