# taz.de -- Schwuler Theologe über Lehrverbot: "Konservativer für die Karrier… | |
> Der schwule Theologe David Berger darf nicht mehr lehren - Kardinal | |
> Meisner hat ihm die Erlaubnis zum Religionsunterricht entzogen. Für ihn | |
> Ausdruck eines Backlashs. | |
Bild: Der Kölner Erzbischof Kardinal Meisner (r) und der Theologe David Berger… | |
taz: Herr Berger, nachdem der Essener Bischof Overbeck im Fernsehen | |
Homosexualität als Sünde bezeichnet hatte, haben Sie sich in der | |
Frankfurter Rundschau geoutet. Warum? | |
David Berger: Bis zu diesem Ausspruch hatte sich ziemlich viel aufgestaut. | |
Overbeck hat dann zum Ausdruck gebracht, was sich in der katholischen | |
Kirche spätestens seit dem Pontifikatswechsel 2005 abzeichnet: eine | |
Radikalisierung der Positionen im Hinblick auf Homosexualität. Viele sind | |
aus Karrieregründen konservativer geworden. Nicht mehr "nur" die ausgeübte | |
Sexualität wird als Sünde betrachtet, sondern schon die Veranlagung an sich | |
wird verurteilt. | |
Sie haben im Zusammenhang mit Ihrem Outing die Herausgeberschaft der | |
erzkonservativen Fachzeitschrift Theologisches niedergelegt. Warum setzt | |
man sich als Schwuler gerade so einem Extrem aus? | |
Das hatte mehrere Ursachen. Ich bin in das konservative Spektrum | |
hineingewachsen. Dazu kommt, dass mich die traditionelle Liturgie stets | |
fasziniert hat. Das hängt mit einer Faszination des Ästhetischen und | |
Sakralen zusammen. Über die Vorliebe für diese ästhetische Form habe ich | |
mir nach und nach einen gewissen Fundamentalismus eingehandelt. Und dann | |
war es bei mir auch ein Stück weit Projektion: Ich hatte ein | |
Sühnebedürfnis, vielleicht auch, weil ich nicht Priester geworden bin, | |
sondern mich für ein schwules Leben entschieden habe. So wollte ich | |
vielleicht etwas wiedergutmachen, indem ich mich besonders papsttreu | |
zeigte. | |
Später erkannten Sie in der Kirche ein "perfides Unterdrückungssystem", in | |
dem Ihre bekannte Homosexualität als Druckmittel benutzt wurde. Hatten Sie | |
die Illusion, das System von innen zu ändern? | |
Das ist ein schleichender Prozess. Da kam die Idee, das System von innen | |
ändern zu können, gar nicht auf. Es war auch eher eine indirekte Form des | |
Unter-Druck-Setzens. Wenn man etwas unterschrieben hat, was nicht ins | |
konservative Weltbild passte, etwa eine Petition, dann kam die Ermahnung: | |
"Weißt Du denn nicht, dass bei dieser Petition auch Homosexuelle | |
unterschrieben haben?" Das war subtil und ich habe gelernt, damit | |
umzugehen. In der Endphase, als ich das durchschaut hatte, ging es für mich | |
darum, bei der Zeitschrift Theologisches das Schlimmste zu verhindern. | |
Jetzt wird der Kurs dort radikalisiert. Über das Thema Homosexualität hatte | |
ich irgendwann gar nichts mehr gebracht, weil ich sowieso nur homophobes | |
Zeug abgeliefert bekam. | |
Wie konnten Sie in dieser Umgebung eine Beziehung führen? | |
Jeder hat es gewusst und konnte damit gut leben, solange es nicht | |
"offiziell" war. Das funktioniert in der katholischen Kirche grundsätzlich | |
ganz gut. Solange die Leute loyal sind, mischt sich auch niemand ins | |
Privatleben ein. Mein Freund, der offiziell immer als mein Cousin | |
aufgetreten ist, hat das mit Humor genommen und über die Leute in dieser | |
Scheinwelt gelacht. | |
Wie schwer war dieses Doppelleben zu ertragen? | |
Besonders in der Endphase war es schwer zu ertragen. Am Anfang glaubte ich, | |
einen Kompromissweg gehen zu können. Aber die letzten Jahre ist es immer | |
schwerer geworden, als mir klar wurde, dass man das in Form subtiler | |
Erpressung gegen mich verwendet. So habe ich mich immer mehr verabschiedet | |
und die gegensätzlichen Positionen haben sich radikalisiert. Das ist dann | |
unaufhaltsam auf mein Outing zugesteuert; die Situation war unerträglich | |
geworden. | |
Haben Sie danach - abgesehen vom Entzug der Lehrerlaubnis - an Ihrer Schule | |
Probleme bekommen? | |
In der Schule wussten die meisten schon von meinem Outing in der Kirche und | |
haben sich gewundert, dass das so ein großes Thema wurde. Denn den Kollegen | |
ist meine Sexualität natürlich egal. Von Schülern und Eltern habe ich nur | |
positive Reaktionen bekommen, das hat mich gefreut. Auch jetzt nach dem | |
Entzug der Lehrerlaubnis erfahre ich viel Unterstützung. Besonders meine | |
Schüler und Schülerinnen planen derzeit eine größere Demonstration vor dem | |
erzbischöflichen Palais in Köln und haben eine eigene Unterstützergruppe in | |
einem sozialen Netzwerk gegründet, die innerhalb weniger Tage fast 800 | |
Sympathisanten sammeln konnte. | |
6 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Markus Pfalzgraf | |
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