# taz.de -- Streit der Woche: Das Gesetz des Krieges | |
> Amnesty International sieht in der Tötung Osama bin Ladens durch | |
> US-Truppen eine Verletzung des Kriegsvölkerrechts. US-Botschafter Philip | |
> Murphy verteidigt das Vorgehen. | |
Bild: Pakistaner protestieren gegen die Ermordung bin Ladens. | |
BERLIN taz | Amnesty international wirft den USA nach der Tötung des | |
Al-Qaida-Chefs Osama bin Laden eine klare Verletzung des internationalen | |
Kriegsvölkerrechts vor. Der stellvertretende Generalsekretär der deutschen | |
Amnesty-Sektion, Wolfgang Grenz, bezweifelt im sonntaz-Streit der Woche die | |
Ansicht der USA. Sie befänden sich in einem weltweiten bewaffneten Konflikt | |
mit al-Qaida: "Diese Auffassung sprengt den Rahmen des internationalen | |
Kriegsvölkerrechts, das für territorial begrenzte Konflikte entworfen | |
wurde." Demnach hätten die USA nicht das Recht gehabt, "den unbewaffneten | |
bin Laden auf der Stelle zu töten". Er hätte stattdessen einem fairen | |
Gerichtsverfahren zugeführt werden müssen. | |
US-Botschafter Philip Murphy sieht indem Vorwurf, die Tötung des | |
Al-Qaida-Führers bin Laden sei "eine von der Regierung sanktionierte | |
Hinrichtung" gewesen, einen Denkfehler: Als Rechtsstaat seien die USA | |
verpflichtet, Gefangenen ein ordentliches Verfahren zu gewährleisten. "Die | |
rechtlichen Standards der Fürsorge und Rechtsstaatlichkeit gelten erst, | |
wenn ein feindlicher Kombattant sich im Gewahrsam der Regierung oder der | |
Streitkräfte befindet." | |
Präsident Barack Obama habe sich gegen eine gezielte Tötung ohne Risiko für | |
die US-Truppen entschieden. Stattdessen habe er Soldaten entsandt, "die | |
Osama bin Laden unter großem Risiko für ihr eigenes Leben gefangen nehmen | |
sollten", schreibt Murphy in der sonntaz. Hätte bin Laden sich ergeben | |
wollen, "hätte er die bewaffneten Personen auf dem Gelände anweisen können, | |
keinen Widerstand zu leisten." Eine gezielte Tötung sehe anders aus. | |
Der Münchner Historiker Michael Wolffsohn verteidigt die Tötung Osama bin | |
Ladens durch US-Truppen. Töten sei "das schreckliche, auch vom Völkerrecht | |
gedeckte Gesetz des Krieges", schreibt der Professor der | |
Bundeswehr-Universität in München. Manchmal müsse man es anwenden, "um die | |
Massentötung unschuldiger Zivilisten" zu verhindern. Der al-Qaida-Chef sei | |
in einem selbst verschuldeten Krieg Feind gewesen, weshalb Wolffsohn in der | |
sonntaz schlussfolgert: "Bin Laden durfte, ja, musste getötet werden." | |
Ganz anders sieht das der sicherheitspolitische Sprecher der | |
Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour. Er sagte taz.de: Ein | |
internationales Gericht wäre der richtige Ort gewesen, vor dem sich Osama | |
bin Laden hätte verantworten müssen.“ Nehme man die Prinzipien des | |
Rechtsstaats ernst, dürfe man nicht in einen zynischen Relativismus | |
verfallen und sagen: "In unserem Land muss das Recht gelten, was anderswo | |
geschieht, das ist verhandelbar." Die USA fordert Nouripour auf, die | |
Umstände der Tötung bin Ladens jetzt schnellstmöglich aufzuklären. "Gelingt | |
dies nicht, verlieren die USA an Glaubwürdigkeit als selbst ernannter | |
Fackelträger demokratischer Werte." | |
Astrid Proll, Autorin, Fotografin und früheres RAF-Mitglied, erklärte, die | |
Türme des World Trade Centers seien zu hoch gewesen, um Osama bin Laden | |
noch vor ein Gericht zu stellen, auch die Opferzahl sei zu groß. "Der | |
Angriff vom 11. September 2001 war zu schockierend. Für die US-Regierungen | |
war der Islamist seitdem ihr Hauptfeind, auch wenn er die letzten Jahre | |
vorwiegend mit Kindern und Kühen verbrachte", sagte Proll gegenüber taz.de. | |
"Darf man seine Feinde töten?" - zu dieser Frage diskutieren im Streit der | |
Woche der aktuellen sonntaz der stellvertretende Vorsitzende der | |
SPD-Bundestagsfraktion, Gernot Erler, die Tochter des von der RAF | |
ermordeten Dresdner-Bank-Chefs Jürgen Ponto, Corinna Ponto, taz-Leser Franz | |
Schart, Anna Goppel, Philosophin an der Universität Zürich, sowie Steven | |
David, Politologe an der Johns-Hopkins-Universität Baltimore. | |
7 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Felix Zimmermann | |
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