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# taz.de -- Potenzieller Absteiger Eintracht Frankfurt: Ratloser Ligaversteher
> Eintracht Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen muss beinahe
> hilflos zusehen, wie sein Klub abschmiert. Dabei hat er doch extra
> Christoph Daum geholt.
Bild: Im Schatten Christoph Daums: Vorstandschef Heribert Bruchhagen.
FRANKFURT taz | Heribert Bruchhagen besitzt weder iPhone noch Blackberry.
Wer den Vorstandsvorsitzenden der Eintracht Frankfurt Fußball AG erreicht,
landet auf einem uralten Apparat – ohne jeden Schnickschnack. Wenn
Bruchhagen, 62, einer der anerkanntesten Strippenzieher der Branche,
telefoniert, wirkt das wie ein Anachronismus in der Lebenswelt des früheren
Gymnasiallehrers.
Und doch ist er immer der Meinung gewesen, die Fußballwelt der Neuzeit
erklären zu können. Bruchhagen hat bei der Bundesliga stets von einer
zementierten Gesellschaft gesprochen, von einem Wettbewerb, dessen Ranking
sich nach den Personalkostenetats gebildet hat, von Automatismen, die er
vorhersagen konnte.
Doch nun, in dieser wahnwitzigen Spielzeit 2010/2011, ist alles anders, und
dummerweise kann es ganz am Ende seinen Verein treffen, den er doch so
vorbildlich zum Musterexemplar des Mittelstands gemacht hat: selten
schillernd und glänzend, aber anerkannt und etabliert. Schuldenfrei und
meist aller Sorgen ledig. Das war einmal: Gelingt am Samstag gegen den 1.
FC Köln kein Sieg, droht Eintracht Frankfurt der direkte Abstieg.
## War es richtig, Christoph Daum zu holen?
Noch immer rätselt der Ostwestfale ja selbst, ob es richtig war, entgegen
seinen jahrzehntelang gehegten Prinzipien, mitten in der Saison den Trainer
zu wechseln und ausgerechnet den umstrittenen Motivator Christoph Daum zu
installieren. Die Talfahrt unter Michael Skibbe habe auch ihn ratlos
gemacht. "Ich war auf der Suche, woran das liegt. Indizien hatte man zwar
genügend, aber sie erklären niemals diese in der Bundesligageschichte kaum
dagewesene Unterschiedlichkeit zwischen Hin- und Rückrunde."
Ihm bleibt derzeit nichts anderes übrig, als dem längst enttarnten
Dampfplauderer Daum den Rücken zu stärken, sogar den Weggang von
Identifikationsfigur Patrick Ochs zum Abstiegskonkurrenten VfL Wolfsburg
zur Unzeit verteidigt er wortreich. Denn Bruchhagen fürchtet in der
Mainmetropole, wo er ein feudales Apartment am Fluss mit Panoramablick auf
die Skyline bewohnt, um das große Ganze. Um sein Aufbauwerk.
## Erste Liga? "Das ist mein Credo seit acht Jahren hier"
Allein die Anwesenheit in der ersten Liga hat er in der aufgeregten
Bankenstadt immer als Erfolg zu verkaufen versucht, "das ist mein Credo
seit acht Jahren hier". Bruchhagen möchte selbst die Krise meistern, obwohl
sein Kontrakt nur für die erste Liga gilt, der nach mehr Aufmerksamkeit
dürstende Aufsichtsrat ohnehin seit Längerem einen Sportchef installieren
will. Er kämpft um seine Doppelfunktion: "Es wäre geradezu naiv, dass die
Tatsache, dass ich keinen Vertrag für die zweite Liga habe, dazu führt,
dass ich die Eintracht verlasse."
Doch steht auch er in der Schusslinie: Die Personalpolitik und das Scouting
waren nicht das geschickteste, die Verzahnung zum von der Fußball AG
abgekoppelten Verein und damit zum Nachwuchssektor ist verbesserungswürdig,
auf dem Multimediasektor oder bei der Teambetreuung liegt einiges im Argen.
Seine Machtfülle macht den Mann nun angreifbar.
## Realitätsfremde Wünsche
Bruchhagen würde sich im Grunde noch wünschen, dass alle Spieler schwarze
Stollenschuhe tragen, sich montags am Kiosk den Kicker kaufen und ohne
Berater in sein Büro kommen – doch das sind realitätsfremde Wünsche. Gerne
kramt er aus einer Schublade die Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus seiner aktiven
Zeit aus den 70er Jahren beim DJK Gütersloh hervor.
Er hat sich später nur kurz als Trainer beim SC Verl versucht, um dann in
den 80er und 90er Jahren als Manager auf Wanderschaft zu gehen. Schalke 04,
Hamburger SV und sein Herzensverein Arminia Bielefeld stehen in seiner
Vita, aber nirgendwo sind die Spuren tiefer als bei Eintracht Frankfurt,
dem Klub, den Bruchhagen seit dem 1. Dezember 2003 führt.
Er kam quasi direkt gegenüber aus der Otto-Fleck-Schneise, aus der
damaligen Zentrale der Deutschen Fußball-Liga, um einen Patienten des
Profigeschäfts auszupäppeln: die in der zweiten Liga gestrandete Eintracht,
verschuldet und verspottet, das neue Stadion im Stadtwald zwar im Bau, die
Geschäftsstelle indes in Containern beherbergt. Damals stand Bruchhagen vor
einem gewaltigen Berg von Problemen - und trug schwer an der Bürde,
möglichst schnell aufsteigen zu müssen, um dem zweitklassigen Niemandsland
zu entkommen. Dass vielleicht alles da endet, wo es begann, dagegen wehrt
er sich aber noch - genauso tapfer wie gegen ein neues Handymodell.
6 May 2011
## AUTOREN
Frank Hellmann
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