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# taz.de -- Pannen bei der Volkszählung: Holprig gestartet
> Kaum hat die "Bevölkerungs-Inventur" begonnen, trüben Fälschungen und
> Fehler, aber auch ein paar kritische Stimmen das Bild vom sicheren
> Datenschutz.
Bild: Der Mensch, als Datensatz betrachtet.
HAMBURG taz | Pünktlich zum Start des "Zensus 2011" steckten die
Erhebungsbögen im Briefkasten. Doch die Fragen, sie waren gar nicht so
harmlos wie erwartet.
Unter dem amtlichen Zensus-Logo wurden die Adressaten gefragt, ob sie
hetero- oder homosexuell seien, sich für die Wiedereinführung der
Prügelstrafe begeistern könnten, welche Drogen sie konsumieren, welche
Partei sie wählen oder welche Erbkrankheit sie vorweisen könnten und
schließlich ob sie denn jüdische Vorfahren hätten. Auch eine
Datenschutzklausel am Endes des Formulars fehlte nicht: Zur Finanzierung
des Zensus 2011 behalte "man sich vor, die erhaltenen Daten an Dritte
weiterzuverkaufen".
Während einige Bürger den Bogen brav ausfüllten und an die Erhebungsstelle
zurückschickten, wurden andere misstrauisch, informierten die Polizei. Die
konnte darüber aufklären, dass die amtlich aufgemachte Wurfsendung nur ein
übler Scherz, eine plumpe Fälschung sei, die gerade in Braunschweig
kursiere.
Tag eins des Zensus 2011: Rund 8.000 "Erhebungsbeauftragte" in
Niedersachsen, 2.500 in Schleswig-Holstein, 700 in Hamburg und 400 in
Bremen am gestrigen Dienstag erstmals ausgeschwärmt, um bis zum Hochsommer
knapp 1,2 Millionen Nordlichtern 46 zum Teil sehr persönliche Fragen
stellen.
Daneben werden noch einmal rund 3,5 Millionen Wohnungs- und Hauseigentümer
in den zwei Nordländern und den beiden Stadtstaaten zur Auskunft über ihr
Hab und Gut gebeten - allerdings auf schriftlichem Wege.
Doch kaum hat die erste Bevölkerungs-Inventur nach der DDR-Zählung 1981 und
der umstrittenen Volkszählung in Westdeutschland 1987 begonnen, da mehren
sich schon die Nebengeräusche. Während in Braunschweig gefakte Bögen
verteilt wurden, erhielten viele Haus- und Wohnungseigentümer in Bremen
zwar die amtlichen Papiere, das aber gleich dutzendfach und für Immobilien,
mit denen sie rein gar nichts zu tun haben.
Als die stolze Besitzerin einer kleinen Eigentumswohnung beim Stadtamt
vorsichtig nachfragte, warum sie für 17 Wohnhäuser Bögen geschickt bekommen
habe, erhielt sie als Antwort, sie sei nach amtlichen Unterlagen für die
sich dort befindenden 102 Wohnungen zuständig und damit verpflichtet, über
jede einzelne Angaben zu machen.
Doch nicht nur üble Scherze und böse Pannen bremsen einen erfolgreichen
Zensusstart aus: Die Datenschutzbeauftragten von Hamburg und
Schleswig-Holstein, Johannes Caspar und Thilo Weichert, die sich bislang in
ihrer Kritik zurückgehalten hatten, rügten am Starttag via Hamburger
Abendblatt das Statistische Landesamt und den Informationsdurst des
Staates. Ihr gemeinsamer Tenor: Viele Fragen - etwa die nach
Religionszugehörigkeit und Migrationshintergrund - seien nicht notwendig,
der Zensus zu teuer und weitgehend überflüssig.
Und kaum hatten die Datenschützer ihre vornehme Zurückhaltung aufgegeben,
da kritisierten auch Hamburger Grüne, Linke und Liberale eine unzureichende
Anonymisierung der erhobenen Daten und das Instrument der Zwangsbefragung
an sich.
Norddeutschlands Chefstatistiker Helmut Eppmann musste gestern auf
Nachfrage einräumen, dass man den Ausfüll-Zwang umgehen und sich aus der
Pflicht, die Bögen wahrheitsgemäß auszufüllen, kostenfrei herausmogeln
könne. Zwar seien Zwangsgelder - 300 Euro sind im Gespräch - für alle
kategorischen Ausfüll-Verweigerer vorgesehen. Wer aber falsche Antworten
gebe, müsse wohl nicht mit Strafzahlungen rechnen.
"Wir prüfen die Bögen auf Plausibilität, gehen aber bei offensichtlich
falschen Antworten von einem Versehen aus, dass wir nicht ahnden werden",
erläutert Eppmann. So wird der elfjährige Witwer, der gerade seinen
Zivildienst ableistet, von den Statistikern zwar als möglicher Schummler
enttarnt werden - seine Witwenrente aber wird nicht durch ein Zwangsgeld
geschmälert werden.
10 May 2011
## AUTOREN
Marco Carini
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