# taz.de -- Kolumne Lustobjekte: Mein Bifi-Mezzo-Mix-Trauma | |
> Meine Freunde sind total tolerant. Außer Menschen gegenüber, die nicht | |
> kochen. Wie mir. | |
Früher wollte ich immer ein Schlüsselkind sein. Doch damals, als | |
Bionade-Boheme noch nicht mal ein Schimpfwort war, kauften meine Eltern | |
schon bei Hess Natur, Manufactum und Demeter. Mittags gab es | |
Grünkernbratlinge, abends Brot mit Bergkäse. Alle paar Monate mal lag | |
mittags ein Zettel auf dem Küchentisch: "Liebe Franzi, wir kommen erst | |
heute Abend wieder. Im Gefrierfach ist Tiefkühlpizza. Kuss, Mama." Diese | |
Tage fühlten sich an wie Milchschnitte, Bifi und Mezzo-Mix zusammen. | |
Irgendwann zog ich zu Hause aus und in eine WG. Und plötzlich, über Nacht, | |
war Kochen total angesagt - nur ich war irgendwie auf Cheeseburger, Döner | |
und Limo hängen geblieben. Durfte ich als Kind ja alles nicht, ich hatte | |
also Nachholbedarf. Als alle um mich herum schon blanchierten, dünsteten | |
und flambierten, stieg ich gerade von Kochbeutelreis auf Basmati um. Als | |
ich endlich drei Rezepte auswendig konnte, fingen die anderen bereits an, | |
Gerichte aus dem Kühlschrank heraus zu improvisieren. | |
Tim Mälzer hat mal gesagt, wenn er im Supermarkt mit einer Pizza an einer | |
Kasse stehe, sei das so, als wenn andere mit einem Schmuddelheft am | |
Bahnhofskiosk warten. Lieber Tim, mir geht es genauso. Fernsehkoch hin oder | |
her - was das Kochen betrifft, befinde ich mich in der sozialen | |
Schmuddelecke meines Freundeskreises. Die sonst allgegenwärtige | |
linksliberale Gesinnung ist da schnell vergessen - wer nicht kocht, wird | |
diskriminiert. | |
Eine ehrliche Portion Nudeln mit Pesto? Ein absolutes No-go! Entweder muss | |
das Pesto selbst hergestellt werden ("Um die Ecke gibt es ganz tolle | |
Einmachgläser!"), oder es muss noch mindestens eine Extrazutat | |
reingeschnippelt werden ("Wie, du hast keine Schalotten da?"). Das Wort, | |
das dabei gern verwendet wird: verfeinern. Dabei haben das doch schon die | |
Geschmacksexperten von Barilla gemacht, als sie die Soße entwickelt haben. | |
Aber nein, meine Freunde sind ja so überaus individuell. Das Motto: Ich | |
koche, also bin ich. | |
Mein Freund Hugo zum Beispiel beäugte neulich kritisch das dreckige | |
Geschirr in der Spüle. "Aha!", rief er und zeigte anklagend mit dem | |
Zeigefinger auf die Essensreste: "Tomatensoße, Tomatensoße, Tomatensoße. | |
Und Salat, na immerhin." Am Kühlschrank ging die Razzia weiter. "Wein, | |
Wodka, Prosecco und Ketchup. Hm …" Jetzt reichts aber, dachte ich und schob | |
Hugo zur Tür hinaus. Im Vorbeigehen widmete er dem schrumpeligen Apfel in | |
meinem Obstkorb noch einen letzten mitleidigen Blick. | |
Leider denken viele wie Hugo. Zum Geburtstag bekam ich zwei Kochbücher | |
geschenkt. Und eine Freundin beendete die Liaison mit einem tollen Mann, | |
nur weil der gern und oft Fast-Food-Produkte aß. | |
Ich beklagte mich bei meiner Freundin Martha über mein bedauernswertes | |
Leben unter fanatischen Hobbyköchen. "Quatsch nicht rum", sagte sie, "dein | |
Rührei an Ostern war göttlich!" Ach, dabei hatte ich das doch nur schnell | |
improvisiert - Eier, Milch, Feta. Und das Ganze dann mit Kräutern der | |
Provence verfeinert. Das ist ja nun wirklich keine große Sache. | |
13 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Franziska Seyboldt | |
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