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# taz.de -- die wahrheit: Auf der Alm da gibt's koan Zensus
> Der Zensus lässt einige der Interviewer im Allgäu zu unfreiwilligen
> Bergsteigern werden. Und das kommt so: Von den rund 3.000 im Oberallgäu
> ausgewählten Befragten ...
... leben sieben oben auf dem Berg, "auf Alpen", wie die Almen im Allgäu
heißen. Und nur vier dieser "höher gelegenen und schlecht erreichbaren
Gebäude", wie es im Amtsdeutsch heißt, sind durch Fahrwege erschlossen. Die
anderen drei können nur zu Fuß erreicht werden.
Um welche Alpen oder gar Berghütten es sich handelt, darf das Landratsamt
Oberallgäu nicht preisgeben. "Aus Datenschutzgründen!", heißt es. Auch eine
Auskunft darüber, "ob die theoretisch mit dem Auto erreichbaren Alpen auch
tatsächlich mit dem Fahrzeug des Erhebungsbeauftragten erreichbar sind,
können wir aus Datenschutzgründen nicht geben", so der Sprecher des
Landratsamts, Andreas Kaenders. Offenbar steckt bei diesem kleinen Segment
der zufällig ausgewählten zu Befragenden der Teufel so richtig im Detail.
Vor allem dann, wenn viel Bürokratie im Spiel ist.
## Durchfahrtsgenehmigung für Befrager
Im Allgäu ist diese unerwartete Variante des Zensus 2011 bereits Thema an
einigen Stammtischen. Christine, eine bergerfahrene Frau aus Schrattenbach,
diskutiert heftig im Wirtshaus mit Freunden. "Was macht denn zum Beispiel
der Rentner, der mit seinem Opel Corsa zur Hinteren Traufbergalpe
hochfahren soll? Mit dem Jeep okay, aber da gehts fei ganz schön rauf und
runter, das muss man erst mal mögen", feixt sie. "Was heißt mögen, das muss
man sich erst mal trauen", wirft Steffen ein. Die Zensus-Geschichte treibt
die tollsten Blüten. "Meinst du, die Rechtler geben dem Befrager so einfach
eine Durchfahrtsgenehmigung?"
Die Genehmigung hochzufahren würde es für Zensus-Befrager vom
Rechtlerverband schon geben, sagt deren Geschäftsführer Albert Titscher auf
Anfrage. Dafür würden auch keine Gebühren fällig, aber "das brauchts halt
schon einen Jeep".
Tatsächlich müssen auch von Amts wegen solche Überlegungen angestellt
werden. Wenn einer der Rentner, die sich für die Zensus-Befragung gemeldet
haben, sagen sollte: Ich verbinde die Befragung mit einer kleinen Bergtour,
dann ist alles kein Problem. Aber was ist, wenn er sagt, der beschwerliche
Aufstieg rentiert sich für die 7 Euro pro Befragung überhaupt nicht?
Auch für eine Ausnahmegenehmigung zum Befahren von gesperrten Wegen gibt es
an sich keine Rechtsgrundlage. Und wenn der Erhebungsbeauftragte sagt, er
fährt mit der Bergbahn hoch und geht den Rest des Weges dann zu Fuß, dann
kostet ihn eine Seilbahnfahrt beispielsweise 12 Euro, die Befragung aber
bringt ihm gerade mal 7 Euro. Hinzu kommen noch 35 Cent pro Kilometer. Bei
fünf Kilometer beschwerlicher Bergstrecke gäbe das 1,75 Euro...
Beim zuständigen Landratsamt Oberallgäu wusste man zunächst nicht so recht,
wie man sich verhalten soll, und so hat der zuständige Mitarbeiter im
Landratsamt beim Bayerischen Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung
angefragt, ob man in den wenigen Fällen eventuell - wieder nach dem
Zufallsprinzip - eine neue Adresse ziehen könnte und einfach jemand anderen
befragen könnte.
## Von den Alpen ins Tal
Doch da winkt die für den Zensus zuständige Verantwortliche ab. Ausgewählt
bleibt ausgewählt! Aber man könnte das doch auch etwas einfacher gestalten,
meint Anke Schwarz vom Landesamt. Sie spricht von "Praktikabilität" und
sagt auch gleich, wie die ihres Erachtens aussehen könnte: "Irgendwann
kommt doch von den Alpen auch jemand ins Tal", sei es zum Postholen, zum
Einkaufen, "dann könnte der Interviewer ja seine Befragung bei dieser
Gelegenheit durchführen."
Genauso machen wir das jetzt auch, heißt es beim Landratsamt Oberallgäu.
"Jetzt wissen wir, dass wir die betroffenen Personen anschreiben dürfen,
und bitten sie, sich zur Befragung zu melden, wenn sie mal ins Tal kommen",
sagt der Landratsamtssprecher. Erleichtert sind sie alle, die mit der
Organisation betraut sind, dass sie nicht alle 672 Oberallgäuer Alp-Gebäude
abklären müssen, sondern eben nur die sieben, die zufällig gezogen wurden.
Wie die Befrager an die Infos kommen, ob auf den ausgewählten und streng
geheim gehaltenen Berghütten oder Alpen auch tatsächlich schon jemand oben
ist, wo doch noch nicht mal der Alpauftrieb war, das bleibt - aus
Datenschutzgründen - ihr Geheimnis.
17 May 2011
## AUTOREN
Klaus Wittmann
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