# taz.de -- MONIKA EBELING über Gender Mainstreaming: "Auch Männer haben Narb… | |
> Zu sehr auf Männer fixiert? Goslar hat seine Gleichstellungsbeauftragte | |
> Monika Ebeling abgewählt - für sie eine Absage an den Fortschritt der | |
> Emanzipation. | |
Bild: Arbeitet angeblich zu männerbedacht: die Gleichstellungsbeauftragte Moni… | |
taz: Frau Ebeling, die Linken-Ratsfraktion möchte Sie als | |
Gleichstellungsbeauftragte abberufen lassen. Warum? | |
Monika Ebeling: Mir wird vorgeworfen, dass meine Arbeit zu männerbedacht | |
sei und ich mich als Gleichstellungsbeauftragte mehr auf Frauen fokussieren | |
müsste. Gleichstellungsarbeit geht für mich aber in beide Richtungen. Der | |
Konflikt war von Anfang an da und hat sich zugespitzt, als eine Gruppe von | |
feministischen Frauen merkte, dass ich an meiner Linie festhalte. | |
Worum gab es Krach? | |
Letztes Jahr gab es eine Ausstellung mit dem Titel "Gegengewalt in | |
Paarbeziehungen". Das Handbuch dazu war nicht gendergerecht, da es bei | |
Berufsbezeichnungen zwar die männliche und weibliche Form gab, aber | |
Täterbezeichnungen konsequent männlich waren. Die Frau ist das Opfer, der | |
Mann der Täter. Das ist doch ein Vorurteil, und darauf habe ich aufmerksam | |
gemacht. Den Vorwurf, ich sei einseitig auf die Männerthematik bedacht, | |
kann ich dennoch nicht nachvollziehen. Es macht natürlich auch Spaß, da ein | |
Thema anzusprechen, das noch Kontroversen bietet, aber das ist nur ein Teil | |
meiner Arbeit, auf den die Kritiker mich dann gern reduzieren. | |
Im Leitbild zur Gleichstellung der Stadt Goslar steht ja bereits, dass man | |
statt reiner Frauenförderung auch männliche Differenzen aufgreifen will. | |
Das neue niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz ist auch von reiner | |
Frauenförderung abgekommen und spricht allgemein von Geschlecht. Die | |
öffentliche Sensibilität für männliche Gleichberechtigung hält sich aber | |
noch sehr in Grenzen. Beispielsweise gibt es dieses Jahr den ersten | |
Gesundheitsbericht für Männer. Sowie man das anspricht, kommt gleich der | |
Vorwurf, man würde polarisieren wollen. In Goslar wird gerade sehr | |
offensichtlich, wie einseitig Gleichheit aufgefasst werden kann. Da fehlt | |
einfach die Gelassenheit, zu sagen: Schauen wir mal, wie ist das denn. Bei | |
den Männern ist das durchschnittliche Berufsrisiko höher, Depressionen | |
treten häufiger auf und es gibt mehr plötzliche Kindstode bei männlichen | |
Babys. | |
Steht Gleichstellungsarbeit für Männer im Widerspruch zur Frauenförderung? | |
Auf keinen Fall. Das ist eine Frage der Empfindung. Ich vergleiche das mit | |
Eltern, die einen Sohn und eine Tochter haben. Wenn ich mich meinem Sohn | |
mal mehr zuwende, heißt das nicht, dass ich meine Tochter nicht mehr liebe. | |
Natürlich haben Frauen nach wie vor Benachteiligungen und es besteht | |
Handlungsbedarf. Die letzten 30 Jahre gab es einen starken Fokus auf die | |
Emanzipation der Frauen. Und das war richtig so. Aber die Emanzipation muss | |
sich weiterentwickeln, damit geht nicht automatisch eine Einschränkung | |
einher. Auch Männer haben Narben. Das letzte Jahrhundert mit zwei | |
Weltkriegen und den patriarchalischen Systemen war sehr zeichnend. Es ist | |
ja bekannt, dass Männer schwerer Gefühle zeigen können - das kommt eben | |
auch durch die Geschichte. Da muss man endlich handeln. | |
Liegt das auch an den Gleichstellungsbeauftragten, die fast alle aus der | |
Frauenbewegung kommen? | |
Wir haben in der Bundesrepublik in etwa 800 weibliche | |
Gleichstellungsbeauftragte und nur zwei Männliche. Ich hätte gern einen | |
Kollegen, dann könnten wir miteinander besprechen, wie man eine beidseitige | |
Gleichstellung erreicht. | |
Was sagen sie dazu, dass Mädchen ihre männlichen Klassenkameraden in der | |
Schule zunehmend abhängen? | |
Das sehe ich als großes Problem. Wenn wir auf diesen Trend nicht reagieren, | |
lassen wir es zu, dass da eine wichtige Ressource unserer Gesellschaft | |
einfach verloren geht. Ich kann mir vorstellen, dass der normale | |
Schulalltag einfach gegenläufig zu den Bedürfnissen der meisten Jungs ist. | |
Man muss ihnen den Raum für ihren gesunden Bewegungsdrang geben. Dann sind | |
sie auch im Unterricht ruhiger und stören nicht die Konzentration der | |
Stilleren. | |
Wo werden Männer noch benachteiligt? | |
Bei Scheidungen liegt der Fokus sehr stark auf dem Mütterlichen. Das ist | |
nicht verkehrt. Aber ein Vater, der sich kümmern will, sollte nicht | |
ignoriert werden. Wenn wir wollen, dass Kinder ein Gefühl für | |
Gleichberechtigung entwickeln, müssen sie sich mit dem Männlichen und dem | |
Weiblichen auseinandersetzen dürfen. | |
17 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Viviane Petrescu | |
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