# taz.de -- Kolumne Ökosex: Ausstiegsspaß mit Augenmaß | |
> Bei Merkels Atomplänen könnte man aus Dankbarkeit gleich heulen. Oder | |
> etwa nicht? | |
Dieser Text wird geschrieben mit einem kleinen Anti-AKW-Laptop, der nur bei | |
Vollgas 40 Watt zieht. Dieser Hinweis geht an die Ethikkommission, auf | |
deren erlösenden Bericht wir diese Woche warten. "Risiko" war früher | |
insbesondere bekannt als gefährliche Situation bei Wim Thoelkes Show "Der | |
große Preis". Da kam die bedrohlich Musik und Wim fragte: "Sie haben eine | |
schöne Republik mit herrlichen Bundesländern, Landschaften und Menschen: | |
Wie viel setzen Sie?" | |
Großmeister der Realpolitik wie Helmut Schmidt und Helmut Kohl setzten ohne | |
mit der Wimper zu zucken auf den Atom-Jackpot-Super-GAU. Das konnten sie | |
natürlich nur mit einer super Ausrede. Die lautete schlicht: "Wat mut dat | |
mut". No risk no fun. Fun meinte hier Arbeitsplätze, Unternehmensgewinne, | |
Weltmarkt und Spitzentechnologie. Dieser offensichtliche Mumpitz hatte | |
bekanntlich den Soziologen Ulrich Beck inspiriert. Er reüssierte in den | |
80er Jahren mit dem Begriff der Risikogesellschaft. Zu Recht ist Professor | |
Beck heute einer der fabulösen Ethiker der Bundesregierung. Ich dachte | |
erst, es ginge ethisch um eine Bewertung des Risikos der Atomkraftwerke. | |
Viel interessanter! Es geht in der Kommission um das Risiko des | |
beschleunigten Ausstiegs. Aussteigen ist nämlich höllengefährlich. Deshalb | |
nur mit ethischem Augenmaß. Augenmaß wird das "Merkelwort" des Jahres 2011. | |
Das Augenmaß der CSU sagt beispielsweise 2022. Whow! Die Ethikkommission | |
hat schon durchsickern lassen, dass es mit Augenmaß und wegen Klimaschutz | |
(besonders Eon macht sich dafür stark) wohl 2021 empfehlen könnte. Respekt! | |
Merkels Konsensplan sieht vor, dass ich bei so viel Beschleunigung dankbar | |
weine und nie mehr demonstriere. Leider fehlte der Kanzlerin hier das | |
nötige Augenmaß. 2021 ist natürlich ein Schlag ins Gesicht jedes aufrechten | |
Atomkraftgegners. | |
Wie jeder weiß, ist die Ethik- in Wahrheit eine "Ausredenkommission". Meine | |
These: Sind die Risiken sichtbarer, müssen die Ausreden eben noch | |
innovativer präsentiert werden. So wende ich mich persönlich an das | |
Kommissionsmitglied Ulrich Beck: Lieber Herr Professor Beck, die | |
"Ausredengesellschaft" ist der Schwippschwager der "Risikogesellschaft. Was | |
wir erleben: Die Risikojunkies haben sich so an den Hauch des Todes | |
gewöhnt, dass sie das Undenkbare, den raschen Ausstieg, gar nicht zu denken | |
wagen. Aus Ökosex-Perspektive ist schlüssig, was Hubert Weiger vom BUND | |
sagt: Bis 2012 könnten wir alle Atomkraftwerke vom Netz nehmen. Das | |
alleinige Kriterium sei die Unversehrtheit der Bevölkerung. Heißt, das | |
definitive Ende der Ausreden. Vor allem brauche es eine gemeinsame | |
Anstrengung in Sachen schneller Stromeinsparung: ran an die Heizungspumpen, | |
Elektromotoren, Druckluftteile, Gefriereinheiten und den ganzen | |
uneffizienten Quatsch. Und zwar heute. | |
Ich meine, da könnte auch die Ethikkommission jenseits des Berichts ein | |
tolles Zeichen setzen. Wenn nun alle EthikerInnen 2011 bei sich zu Hause 20 | |
Prozent Atomstrom einsparen würden. Wäre das nicht toll? Oder geht das gar | |
nicht? | |
23 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Martin Unfried | |
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