# taz.de -- Ausstellung "Serious Games": Der Krieg ist niemals virtuell | |
> In der sehenswerten Ausstellung "Serious Games. Krieg - Medien - Kunst" | |
> in Darmstadt wird das Verhältnis von Kriegsrealität und Medienrealität | |
> überzeugend reflektiert. | |
Bild: Video-Installation von Harun Farocki mit dem Titel "Ernste Spiele II: Dre… | |
DARMSTADT taz | Die aktuelle Ausstellung auf der Mathildenhöhe in Darmstadt | |
widmet sich dem Thema "Serious Games. Krieg - Medien - Kunst". Die | |
Kuratoren Antje Ehmann und Harun Farocki beschäftigen sich schon seit | |
Jahren mit dem Thema. Die Ausstellung schielt nicht auf die aktuellen | |
Kriege im Nahen Osten und in Afrika, denn sie war lange davor geplant. | |
Ausgewählt wurden Fotos, Videos, Gemälde und Installationen von zwei | |
Dutzend Künstlern aus der ganzen Welt. | |
Unter den gezeigten Werken befinden sich ungewöhnliche Bilder vom Krieg - | |
zum Beispiel "Kriegsteppiche". Das sind von unbekannten Künstlern oder | |
Kunsthandwerkern von Hand geknüpfte Teppiche aus Afghanistan, die stark | |
stilisierte Panzer, Kampfhubschrauber und Kalaschnikows abbilden. Mit | |
landläufigen Vorstellungen von orientalischer Teppichkunst haben sie nichts | |
gemein. Gleich am Eingang steht eine überzeugende Installation von Ingo | |
Günther, der die Globalität von Konflikten und Konfliktursachen sinnlich | |
erfahrbar macht. Die Installation "Worldprocessor" besteht aus 25 Globen | |
von 30 Zentimeter Durchmesser. Jeder Globus enthält objektive Daten - etwa | |
zum Klima, zu Rohstoffvorkommen, Kriegen, Militärbasen, Energieverbrauch | |
oder Lebenserwartung und demonstriert so visuell das enorme Ungleichgewicht | |
von Chancen und Risiken in der globalisierten Welt und damit einen | |
wichtigen Grund für kriegerische Konflikte. | |
Das Zentrum der Ausstellung bilden vier Videos des Kokurators Harun | |
Farocki, der das Verhältnis von Kriegsrealität und Medienrealität | |
künstlerisch überzeugend reflektiert und darstellt. Wenige Probleme wurden | |
durch die modische französische Philosophie so verballhornt wie das | |
Verhältnis von Krieg und Medien. Paul Virilios und Jean Baudrillards | |
Schlagwörter vom "virtuellen Krieg" oder "medialen Krieg" beruhen auf | |
plumpen Denkfehlern. Die Ausstellung denunziert diese gleich doppelt - mit | |
den ausgestellten Werken und durch den guten Katalog. | |
## Unsichtbare Opfer | |
Nicht erst mit dem Vietnamkrieg, aber verstärkt durch diesen wurde der | |
Krieg auch in dem Sinne ein Medienkrieg, dass sich die Kriegsparteien der | |
Bilder vom Krieg bemächtigten, um mit diesen das heimische Fernsehpublikum | |
für ihre Sache zu gewinnen. An der Kriegsrealität hat die | |
Instrumentalisierung der Bilder aber nichts geändert. Der Krieg wurde | |
keineswegs zum "Bilderkrieg", wie die philosophierenden Fernsehzuschauer | |
meinen, sondern blieb ein realer Krieg, dessen Opfer und Folgen alles | |
andere als virtuell waren und sind. Neu war dabei allerdings, dass sich das | |
Verhältnis von Kriegsrealität und Medienrealität änderte: Während kämpfen… | |
Soldaten wie zivile Opfer unsichtbarer wurden, drängten sich die | |
Kriegsherren immer mehr auf die mediale Bühne. Man denke an den Auftritt | |
von George W. Bush am 1. Mai 2003 in der Uniform eines Piloten auf dem | |
Flugzeugträger "USS Abraham Lincoln", etwas voreilig "Mission Accomplished" | |
verkündend für einen Krieg, der bis heute andauert. Auch die Fotos mit dem | |
ehemaligen deutschen Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg als | |
Warlord trivialisierten das Bild vom Krieg zum kitschigen Genrebild. | |
Harun Farockis Videos unterlaufen die telegene Verharmlosung des Krieges. | |
Sie zeigen, dass ganz andere Bilder als die von Kriegsherren wichtig sind | |
für die Kriegsrealität. Farockis vier Arbeiten tragen den Titel "Ernste | |
Spiele" ("Serious Games") und dementieren zugleich alles Spielerische. | |
Seine Videos zeigen, wie Computersimulationen zur militärischen Ausbildung | |
gehören, wie also mit den im Studio erzeugten Bildern das Töten | |
fachmännisch eingeübt wird: eine "verharmlosende Virtualisierung des | |
Krieges", wie Ralf Beil im Katalog meint, und keineswegs ein "Spiel" mit | |
Kriegsbildern. Freilich führen Bilder keinen Krieg, aber die | |
Kriegsausbildung kommt ohne simulierte Bilder nicht aus. | |
Es spricht für die Sensibilität des Künstlers, der seine Arbeit mit | |
authentischem dokumentarischem Material bestreitet, das sich selbst | |
entlarvt, darauf hinzuweisen, dass die Videos, in denen "Krieg" zu | |
Lehrzwecken simuliert und damit "gespielt" wird, mit großem ästhetischem | |
und wissenschaftlichem Aufwand gemacht werden. Andererseits sind die | |
Videos, die zu therapeutischen Zwecken für traumatisierte Soldaten | |
eingesetzt werden, sehr viel primitiver gestaltet und wirken wie schlechte | |
Computerspiele. Die Vorbereitung der Soldaten für den Krieg war wichtiger | |
als die nachträgliche Heilung der traumatisierten Soldaten. | |
Was das Verhältnis und die Entwicklung von Kriegs- und Medienrealität | |
betrifft, so steuert die amerikanische Künstlerin Martha Rosler einen | |
starken Beitrag bei. Schon zu Zeiten des Vietnamkriegs schuf sie | |
Fotocollagen mit authentischen Kriegsbildern. Um den Hurrapatriotismus im | |
Afghanistan- und im Irakkrieg zu denunzieren, collagierte sie die heute | |
fast idyllisch wirkenden Kriegsfotos aus den 60er Jahren mit aktuellen | |
Fernsehbildern aus der Scheinwelt der Werbung und der Unterhaltung. | |
Die Schwarzweißfotos des Ägypters Fazal Sheikh beeindrucken durch ihre | |
Schlichtheit ("The Victor Weeps" - "Der Sieger weint"). Sie zeigen | |
Handflächen, in denen kleine Passfotos von Getöteten oder Vermissten | |
liegen. Die ruhigen Gesten der Trauer und der Erinnerung wirken anrührend, | |
aber nicht sentimental. | |
Bis 24. Juli, Mathildenhöhe, Darmstadt, Katalog (Hatje Cantz Verlag) 25 | |
Euro | |
25 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Walther | |
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