# taz.de -- Kolumne Männer: Der Unhold | |
> Die Welt ist kompliziert. Deshalb differenzieren wir sogar beim Müll. | |
> Warum nicht auch beim Thema "Männer, Macht und Sex"? | |
Eine Jugend auf dem Land hat manche Nachteile. Die Auswahl an Flirtpartnern | |
ist gering. Und wenn man ausgehen will, muss man manchmal in Discos, die | |
"Flash" heißen oder "Bananas". Aber es gibt auch Vorteile: Der Besuch einer | |
Feier der Freiwilligen Feuerwehr erweiterte mein Weltbild. | |
Zu später Stunde erörterten die rotbäckigen, volltrunkenen und | |
uniformierten Nachwuchsthekenhelden das Thema Bordellbesuch. "Da haben | |
wir's mal wieder", dachte ich im Gefühl meiner Gymnasiastenüberlegenheit: | |
"So sind se, die Prolotypen." Einer der betrunkensten Feuerwehrleute | |
erklärte: "Bevor ich inn Puff geh, nä, da geh ich mir lieber einma mitm | |
Brotmesser unten dran lang." | |
Der Unbekannte lehrte mich, dass Denkfaulheit jeden jederzeit befallen | |
kann; dass ich irritierenderweise sozialisiert worden bin, meinem | |
Geschlecht erst mal alles zuzutrauen; und dass Brotmesser auf | |
Feuerwehrfesten nichts zu suchen haben. | |
Diese Episode kam mir in den Sinn, als ich Artikel las zum Prozess gegen | |
den ehemaligen IWF-Direktor. Kaum geht es ums Thema "Männer, Macht & Sex", | |
lassen viele Medien alle Differenzierung fahren. In einem Meinungsbeitrag | |
in dieser Zeitung mutmaßte eine Kulturwissenschaftlerin vergangene Woche: | |
"Es könnte aber auch einfach so sein, dass Dominique Strauss-Kahn sich | |
schlicht in die lange Riege mächtiger und berühmter Männer einreiht, die in | |
den letzten Jahren durch bizarre Übergriffe auf weibliches Personal oder | |
exzessive Inanspruchnahme der gehobenen Sexindustrie von sich reden | |
[machten]: Israels Präsident Mosche Katzav, Arnold Schwarzenegger und | |
TV-Star Charly Sheen fielen durch sexuelle Belästigungen bis hin zu | |
Vergewaltigungen auf, Schwedens König Carl Gustav, Talkmaster Michel | |
Friedman und Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi als | |
konsumfreudige Freier." Der Spiegel druckte in einer Titelgeschichte | |
nebeneinander Fotos von Schwarzenegger, Berlusconi, Strauss-Kahn und | |
Katzav. | |
In meinem Hinterhof stehen Tonnen für Papier, weißes Glas, grünes Glas, | |
Bioabfälle, Verpackungen, Elektronikschrott und Restmüll. Mit dieser | |
Differenzierung kommen die Bewohner gut klar. Und wenn doch mal was | |
schiefgeht, hängt kurz darauf ein Zettel aus, der erläutert, dass komplette | |
Hochbettgestelle leider nicht im Hausmüll entsorgt werden können. So einen | |
Zettel wünsche ich mir auch für mediale Übersprungshandlungen. Der Aushang | |
läse sich etwa so: | |
"Liebe Meinenden, bitte beachten Sie: Schwarzeneggers außereheliche | |
Beziehung zu einer langjährigen Hausangestellten, mit der er ein Kind | |
zeugte, das die Frau großzieht, gehört nicht in die Tonne ,Vergewaltigung', | |
sondern ,Privates'. In die Tonne ,Vergewaltigung' gehört Katzav, den ein | |
unabhängiges Gericht dieses Verbrechens schuldig gesprochen hat. Wenn Sie | |
sich nicht sicher sind, wohin mit Strauss-Kahn, der der versuchten | |
Vergewaltigung beschuldigt wird und seine Unschuld beteuert: Tun Sie | |
einfach nichts, sofern Sie nichts zur Aufklärung des Falls beizutragen | |
haben. Das vermeidet Müll. | |
Vielen Dank! | |
Ihre Freiwillige Feuerwehr | |
25 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Matthias Lohre | |
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