# taz.de -- Philipp Rösler und sein Adoptivvater: Aufs Engste vertraut | |
> Der wichtigste Berater des FDP-Chefs Philipp Rösler ist sein Vater. Zu | |
> ihm kam er im Alter von neun Monaten. NIchts darf sie trennen. | |
Bild: Philipp Rösler: "Ich bin geschickt worden, und dann musste man mich nehm… | |
Sie standen vor dem Spiegel, Vater und Sohn. Die Stirn, die Augen, die | |
Nasen, die Münder. Nichts ähnelte sich. Wie auch? Wenn der eine Kriegswaise | |
aus Vietnam ist und der andere sein Adoptivvater aus Norddeutschland. | |
Der Sohn war gerade eingeschult worden. Oder vielleicht doch noch im | |
Vorschulalter? Der Vater, in diesem Jahr siebzig, erinnert sich nicht mehr | |
an den genauen Zeitpunkt, heute, gut drei Jahrzehnte später. An den Moment, | |
als er, Uwe Rösler, seinem Sohn Philipp offenbarte, dass er nicht sein | |
leiblicher Vater ist. Aber was er damals seinem Adoptivkind sagte, das | |
wisse er noch genau: "Jetzt musst du dir überlegen, ob du mich als Vater | |
haben willst." | |
Was für eine Frage. Sie überfordert jedes Kind, natürlich. Zu entscheiden, | |
ob es dieses Leben behalten möchte, das doch gar keinen Vergleich zulässt, | |
weil es das einzige ist, an das es sich erinnern kann. Und doch ist diese | |
Frage der Schlüssel zu dem Geheimnis um diese beiden äußerlich so | |
ungleichen Menschen: die Beziehung zwischen Philipp Rösler, 38, dem neuen | |
FDP-Vorsitzenden und Vizekanzler vietnamesischer Herkunft, und seinem | |
Adoptivvater Uwe Rösler, einem ehemaligen Berufssoldaten aus Niedersachsen, | |
der sich in den Siebzigerjahren entschloss, seinen angenommenen Sohn allein | |
großzuziehen. Er ist bis heute dessen wichtigster Berater, und die | |
Beziehung ist auch deswegen so eng, weil sie nie eine selbstverständliche | |
war. | |
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Uwe Rösler sagt: "Ich habe ihn immer als Partner gesehen, auf Augenhöhe, | |
ich musste mich schließlich auf ihn verlassen können." Philipp Rösler sagt: | |
"Er ist mein Vorbild. Wenn Sie allein großgezogen werden, werden Sie früh | |
zur Selbständigkeit erzogen. Insofern sind Sie auch gar nicht im Zwang, | |
sich abkapseln zu müssen." | |
Im Jahr 1972 reist Uwe Rösler auf eine Fortbildung für Militärpiloten in | |
die USA. Er lernt südvietnamesische Kampfpiloten kennen und ist schockiert | |
über das, was sie von Kriegswaisen erzählen. Wieder zurück in Niedersachsen | |
beschließen er und seine Frau, dass nach zwei leiblichen Töchtern das | |
dritte Kind ein Adoptivsohn aus einem vietnamesischen Waisenhaus sein soll. | |
Heute gehört dieses dritte Kind zu den Mächtigen, und Uwe Röslers Einfluss | |
auf Philipp Rösler ist groß: Umgang mit politischen Kontrahenten, Grenzen | |
persönlicher Freiheit, Energie- oder Familienpolitik, wenn man erst mit dem | |
Sohn und dann mit dem Vater spricht, wird klar, dass viele der Werte, die | |
der neue FDP-Chef gerade seiner Partei verordnen will, Höflichkeit, | |
Harmoniebedürfnis und Konfliktscheue inklusive, seinem persönlichen Erleben | |
geschuldet sind. | |
Ein Beispiel? "Familie ist etwas Soziales, nichts Formales. Es hat etwas | |
mit Verantwortungsgemeinschaft zu tun, sie kann vielfältig sein im | |
Erscheinungsbild, hat aber die eine Gemeinsamkeit, dass man Verantwortung | |
füreinander übernimmt." Und dann, fast trotzig: "Mein Vater und ich, wir | |
waren zusammen eine Familie. Das hat gereicht." | |
Das musste reichen. Über viele Jahre ist Uwe Rösler die einzige Konstante | |
in Philipp Röslers Leben als Waisenkind, das im November 1973 aus Vietnam | |
ausgeflogen wird und mit neun Monaten, elf Pfund Körpergewicht und | |
Hospitalismusschäden zu den Röslers ins niedersächsische Bückeburg kam. Uwe | |
Rösler investiert seinen Jahresurlaub, er, ein Berufssoldat, widmet sich | |
fortan dem Adoptivsohn. | |
Als er vier Jahre alt ist, trennen sich die Eltern. Ein weiterer Verlust in | |
diesem Leben. Die älteren, leiblichen Töchter gehen mit der Mutter, das | |
Adoptivkind aus Vietnam bleibt beim Vater. So einen will man nie verlieren, | |
so einen verrät man nicht, mit so einem legt man sich nicht an. So einen | |
behandelt man wie ein kostbares Juwel: Als Philipp Rösler erfährt, dass die | |
taz seinen Vater, den er selbst als politischen Berater definiert, am | |
Telefon befragt hat, beschwert er sich: eine unentschuldbare Einmischung in | |
seine Privatsphäre. | |
Wie nahe kann man einem Kind sein, das nicht das eigene ist? Uwe Rösler | |
sagt: "Leiblich oder nicht leiblich ist die falsche Kategorie. Man muss | |
gucken, wer ist dieses Menschlein, das einem gegenübersitzt." | |
Sowohl bei dem Gesprächstermin mit dem Minister als auch in dem langen | |
Telefonat mit dem Pensionär fallen zuweilen Sätze, die seltsam hart | |
klingen. Philipp Rösler sagt über seinen Weg nach Deutschland: "Ich bin | |
geschickt worden, und dann musste man mich nehmen." Uwe Rösler sagt: "Die | |
Leute müssen für sich selbst haften und nicht darauf warten, dass andere | |
die Rechnung für sie bezahlen." In diesem Grundsatz habe er den Jungen | |
erzogen. | |
## | |
Als Philipp Rösler als Jugendlicher mit den Jungliberalen zu sympathisieren | |
beginnt, ist der Vater vor allem erleichtert, dass sein Sohn - die beiden | |
waren kurz zuvor nach Hannover umgezogen - offenbar Anschluss gefunden hat | |
bei Jugendlichen, "die zumindest nicht übermäßig tranken oder sonst wie | |
extrem waren". Der SPD hat Uwe Rösler zu diesem Zeitpunkt längst die | |
Mitgliedschaft gekündigt - wegen deren Bekenntnis zum Atomausstieg. | |
Mittlerweile ist er seinem Sohn in die FDP gefolgt. | |
Nichts darf sie trennen. | |
27 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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