# taz.de -- Neuer Berliner Mietspiegel: Berlin bald Weltklasse | |
> Höhere Mieten, teure Neubauten, Wohnungsknappheit, Verdrängung: Der neue | |
> Mietspiegel 2011 hat eine enorme Teuerung in Berlin um acht Prozent | |
> ermittelt. | |
Bild: Schick, aber teuer: Neubau in Berlin | |
Dass auf dem Berliner Mietwohnungsmarkt derzeit mächtig was los ist, konnte | |
am Montag Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) im eigenen | |
Hause erleben. Nur eine Minute war ihre Pressekonferenz alt, auf welcher | |
der neue Berliner Mietspiegel 2011 vorgestellt werden sollte, da musste | |
Junge-Reyer die Veranstaltung erstmals unterbrechen. | |
Zur Musik aus der Filmkomödie "Ghostbusters" stürmte ein Dutzend in roten | |
Shirts und weißen Masken Verkleideter den Raum in der Senatsbauverwaltung, | |
warf Konfetti und verteilte Flugblätter. "Keine steigenden Mieten - die | |
Stadt gehört uns", riefen "Die Überflüssigen", wie sich die Protestierer | |
nannten, und verschwanden. | |
Empfand Junge-Reyer dieses "Happening" noch witzig, reagierte sie zehn | |
Minuten später gereizter, als erneut Vertreter linker Stadtteilinitiativen | |
den Raum enterten. Die Polizei wurde gerufen - was überflüssig war, | |
angesichts des friedlichen Protests gegen den "Mieterhöhungsspiegel". | |
Der [1][Berliner Mietspiegel 2011] verzeichnet in der Tat einen | |
beispiellosen Anstieg der Mieten in der Stadt, die Hausbesitzer bitten | |
kräftiger zur Kasse denn je. Im Vergleich zu 2009 erhöhten sich die Mieten | |
um durchschnittlich 7,9 Prozent, was einem Jahres-Anstieg von vier Prozent | |
entspricht. Damit müssen für eine frei (nicht öffentlich) finanzierte | |
Wohnung im Schnitt 5,21 Euro pro Quadratmeter ohne Nebenkosten hingelegt | |
werden. 2005 betrug die jährliche Erhöhung noch 2,9 Prozent, 2009 lag diese | |
bei nur 0,8 Prozent und die Miete um 4,80 Euro. | |
Verantwortlich für den Trend, betonte die Senatorin, seien die | |
"überdurchschnittlich hohen Mietsteigerungen" beim Altbaubestand in | |
"beliebten Innenstadtlagen" (Mitte, Pankow, Steglitz-Zehlendorf, | |
Charlottenburg) sowie der moderne Neubau gewesen. Der Wohnraum kostet dort | |
sechs, acht und mehr Euro pro Quadratmeter (kalt). | |
Hinzugekommen sei auch, dass nach Sanierungen und bei Neuvermietungen die | |
Eigentümer in guten Wohnlagen kräftig zulangten. Allein 220.000 Wohnungen | |
werden zu diesem Sektor gezählt. Aber auch bei kleinen Wohnungen und in den | |
"mittleren Lagen" wie im Wrangelkiez, in Friedrichshain, Schöneberg und | |
sogar in Teilen Neuköllns werden durch Aufwertungs- beziehungsweise | |
Verdrängungsprozesse die teuren Mieten salonfähig. | |
Nach Ansicht Junge-Reyers "steigen die Mieten zwar an", es gebe in Berlin | |
"aber keine Wohnungsnot". Dass Viertel umstrukturiert würden, findet die | |
Senatorin unproblematisch: "Wir wollen auch eine Aufwertung von | |
Quartieren." Gleichwohl müsse das Augenmerk auf die Zweckentfremdung und | |
die Engpässe bei kleineren Wohnungen gerichtet werden, so Junge-Reyer. Sie | |
kündigte an, dass das Land eigenen Grund und Boden zur Verfügung stellen | |
werde, um hierfür Neubauten zu ermöglichen. | |
## Noch ist Platte günstig | |
Am günstigsten wohnt man in Berlin in schlecht ausgestatteten | |
Altbauwohnungen und in einfachen Wohnlagen wie Wedding, Spandau oder | |
Neukölln. Dort zahlen Mieter 3 bis 4 Euro pro Quadratmeter. Noch günstig | |
wohnt man in Plattenbauten: Trotzdem hat sich auch in den 200.000 | |
Plattenbauwohnungen im Schnitt die Miete von 2009 bis 2011 um 2,3 Prozent | |
verteuert. | |
Der neue Mietspiegel wurde am Montag zum Anlass genommen, mit der rot-roten | |
Wohnungspolitik abzurechnen. Renate Künast, grüne Spitzenkandidatin, | |
bezeichnete den Mietspiegel als "beschämendes Zeugnis". Es müsse etwas | |
gegen Preissteigerungen bei Neuvermietungen getan werden. Franz Schulz, | |
grüner Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, legte in einem offenen | |
Brief an den Senat einen umfassenden Maßnahmenkatalog vor: Mietsteigerungen | |
bei Neuvermietungen und Modernisierungen müssten einschränkt werden. | |
Mietervereinschef Reiner Wild sprach von einem "SOS auf dem Wohnungsmarkt". | |
Es sei ein "Skandal", dass der Senat die angespannte Situation ignoriere. | |
30 May 2011 | |
## LINKS | |
[1] http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/ | |
## AUTOREN | |
Rolf Lautenschläger | |
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