# taz.de -- Königskult in Bayern: Wider die „Ludwigelei“ | |
> Zum 125. Todesjahr Ludwigs II. von Bayern: Mit einem gestandenen | |
> bayerischen Monarchisten zu Besuch auf Schloss Linderhof. | |
Bild: Das trägt Bayern. | |
Hannes Heindl ist nicht zu bremsen. Schon am Telefon nicht. Dabei will man | |
sich mit ihm nur für einen Besuch in einem der bayerischen Königsschlösser | |
verabreden. Er habe im Moment sehr viel zu tun, schließlich sei Ludwig-Jahr | |
und da kursierten noch mehr Unwahrheiten über den König als sonst. „Aber | |
nicht Neuschwanstein“, bittet Heindl. Sondern Linderhof, das | |
Lieblingsschloss Ludwigs II., das einzige, das zu seinen Lebzeiten | |
fertiggeworden sei. | |
Heindl ist überzeugter Monarchist. Und er hat eine Mission: die | |
Ehrenrettung König Ludwigs II. von Bayern, der am 13. Juni 1886 unter bis | |
heute nicht geklärten Umständen nahe Schloss Berg im Starnberger See | |
zusammen mit seinem Arzt Dr. Gudden ums Leben kam. An einen Selbstmord oder | |
Unfalltod glaubt Heindl natürlich nicht. Heindl will das Andenken des | |
Königs vor historischen Verfälschungen bewahren. Auf des Monarchen Beinamen | |
„Märchenkönig“ reagiert Heindl allergisch und auch vom „Mythos Ludwig�… | |
er nichts wissen. „Das ist kein Mythos, das war halt so.“ | |
Mit hunderten Leserbriefen, Petitionen an den Bayerischen Landtag und | |
gelegentlichen Fernsehauftritten kämpft Heindl seit Jahrzehnten gegen die | |
„Legendenbildung“ und die „Ludwigelei“, die „immer rücksichtslosere | |
Vermarktung“ des Königs. Regelmäßig beteiligte er sich mit seiner | |
Privatsammlung von Ludwig-Devotionalien an Gedenkausstellungen. In diesem | |
Jahr, | |
in dem im ganzen Bayernland des 125. Todestages des Kini gedacht wird, hat | |
er es sogar mit einem Exponat in die Landesausstellung auf Herrenchiemsee | |
geschafft. Stolz präsentiert er den Ausstellungskatalog, in dem auch das | |
„Heckbrett“ des Bootes abgebildet ist, mit dem die Leiche des Königs | |
seinerzeit angelandet wurde. „Das Boot wurde verbrannt, um keine Reliquie | |
zu schaffen“, sagt Heindl. Nur das Brett habe der Fischer retten können. | |
Der Rummel um den Märchenkönig, wir scheuen uns trotz Heindls | |
möglicherweise gerechtfertigter Bedenken nicht, den eingeführten Begriff | |
weiter zu gebrauchen, ist in diesem Jahr außerordentlich. Der Ludwig-Hype | |
scheint den seines 100. Todestages im Jahre 1986 noch in den Schatten zu | |
stellen. Vielleicht ist die Sehnsucht nach der heilen Welt, die sich auch | |
in der Verehrung des „Märchenkönigs“ spiegelt, heute nach diversen | |
Umweltkatastrophen und der Finanzkrise noch größer als vor einem | |
Vierteljahrhundert. Die Zeitungen jedenfalls bringen seit Monaten eine | |
Ludwig-Serie nach der anderen, in allen Schlössern gibt es | |
Sonderausstellungen. | |
Die größte unter dem Motto „Götterdämmerung“ wird auf Schloss | |
Herrenchiemsee gezeigt. Die vom Haus der Bayerischen Geschichte und der | |
Schlösserverwaltung organisierte Bayerische Landesausstellung 2011 will | |
wieder einmal dem Mythos von „König Ludwig Superstar“ auf den Grund gehen, | |
der „neben James Dean, Marilyn Monroe und Michael Jackson weltweit zu den | |
Ikonen der Moderne“ zähle, wie es im Ausstellungsflyer heißt. Auch hier | |
gruselt es Heindl. Ludwig in einer Reihe mit dem Popstar? Das sei nun | |
wirklich unter der Gürtellinie. | |
Viele Bayern meinen, dass sie mit den Wittelsbachern gar nicht so schlecht | |
gefahren sind. Trotzdem kann man im „Freistaat“ nicht von einer echten | |
monarchistischen Bewegung sprechen. Am treffendsten hat das | |
bayerisch-monarchische Lebensgefühl wohl Georg Lohmeier formuliert, bekannt | |
als Gründer des Bundes bayerischer Patrioten und Autor der Fernsehserie | |
„Königlich Bayerisches Amtsgericht“: „Mir brauchen keinen König in Baye… | |
aber schee wärs scho.“ | |
Heindl sagt später im Schlosscafe zu Linderhof, er sei zwar ein Anhänger | |
der Monarchie, jedoch nicht so unrealistisch, eine Rückkehr Bayerns zum | |
Königtum zu fordern. Schließlich sei Bayern kein eigenständiger Staat mehr. | |
Im Übrigen glaube er nicht, dass die Wittelsbacher überhaupt noch Interesse | |
am Regieren hätten. „Das ist doch wie ein Gefängnis“, meint er mit Blick | |
auf die von der Klatschpresse rund um die Uhr überwachten und in allerlei | |
Skandälchen und Affären verstrickten europäischen Restmonarchien. „Den | |
Wittelsbachern ging es nie so gut wie heute.“ | |
Die Autofahrt von München nach Linderhof dauert eine gute Stunde. Auf Höhe | |
von Schloss Berg, dem Todesort des Monarchen, kramt Heindl in seinen | |
Kindheitserinnerungen. Nach dem Krieg lebte er eine Zeitlang auf einem | |
Bauernhof nahe den Ufern des Sees, der zu Ludwigs Zeiten noch „Würmsee“ | |
hieß. Er sei als Bub Menschen begegnet, die den König noch leibhaftig | |
kennen gelernt hätten. „Das Unglück lag erst eine Generation zurück. | |
Die ganze Gegend war noch infiziert von dem Geschehen.“ Damals hörte er | |
auch den Vers, den sich die Menschen kurz nach Ludwigs Tod und der | |
Amtsübernahme durch den Prinzregenten Luitpold zuraunten. „Prinzregent | |
Luitpold, leg di nieder und krepier / König Ludwig, steh auf und regier!“ | |
In Linderhof steuert Heindl, seine Kamera immer im Anschlag, zuerst das | |
Ludwig-Denkmal an, das der von ihm gegründete König-Ludwig-Club 1982 | |
errichten ließ. Bis heute ärgert ihn, dass die Verwaltung es nicht erlaubt | |
hatte, die Büste im Schlosspark selbst aufzustellen, sondern auf einer | |
kleinen Anhöhe vis-a-vis den Eingangsgebäuden mit Andenkenladen und | |
Ticketverkauf. Aus Denkmalschutzgründen und weil Ludwig in Linderhof keine | |
Bildnisse seiner selbst duldete. | |
Der Ludwig-Kopf ist ein Nachguss jener Büste, die der Bildhauer Caspar | |
Zumbusch für Richard Wagner geschaffen hat und die heute vor der Villa | |
Wahnfried in Bayreuth steht. Was Ludwigs Komponisten-Idol anbelangt, saß | |
Heidl jahrelang sozusagen an der Quelle. Er war 37 Jahre lang an der | |
Bayerischen Staatsoper tätig, zuletzt als Bühnenplastiker, und sah fünf | |
Intendanten kommen und gehen und noch viel mehr Wagner-Opern. | |
Am Kartenschalter verlangt Heindl, umgehend Frau Stache, die | |
Schlossverwalterin, zu sprechen. Doch Frau Stache ist nicht auffindbar, aus | |
der erhofften Privatführung oder sogar der Möglichkeit, sich frei im | |
Schloss zu bewegen, wird nichts, sehr zum Verdruss von Heindl. Wie die | |
anderen Touristen müssen wir uns in die Schlange einreihen und an einer | |
Führung teilnehmen. Die Führerin, eine Frau Hosp, erzählt im | |
Schnelldurchlauf, was die Touristen so wissen wollen. Allgemeine | |
Enttäuschung, als sie erklärt, dass im ganzen Schloss nur schlappe fünf | |
Kilo Blattgold verwendet wurden. | |
Heindl führt sich zuweilen auf, als wäre er der Schlossherr von Linderhof. | |
Immer wieder korrigiert er die sichtlich genervte Frau und entdeckt | |
Veränderungen, die ihm nicht zusagen. Die Marmorfigur habe doch früher auf | |
dem Tisch gestanden. „Warum habts den da unten abgestellt?“ Damit man | |
besser putzen könne, entgegnet Frau Hosp. „Wir sind auch nicht ganz | |
glücklich darüber.“ Mehr als hundert Winter habe die Figur dort gestanden, | |
grummelt Heindl. „Und jetzt steht die auf dem Boden wie a Nachthaferl.“ | |
Im Garten steuert Heindl den Maurischen Kiosk an, einen morgenländisch | |
herausgeputzten Pavillon. „So etwas Ähnliches steht auch im Garten von | |
Schloss Sanssouci, dort gilt das nicht als verrückt.“ Damit wäre gesagt, | |
was Heindl von der angeblichen Geisteskrankheit des Königs hält: nämlich | |
nichts. | |
Weitere Fragen: War Ludwig schwul? Die Gelehrten seien sich nicht einig, | |
wie weit des Königs Affinität zum eigenen Geschlecht gegangen sei, meint | |
Heindl. Aber dass die „Homos“ Ludwig zu ihrem Idol erkoren habe, findet | |
Heindl nur „blöd“. Wurde Ludwig ermordet? Die genaue Todesursache sei | |
ungeklärt. Heindl glaubt an ein Mordkomplott der bayerischen Regierung, die | |
des Königs Entmündigung betrieben hatte, mit dem Prinzregenten Luitpold im | |
Hintergrund. Hat Ludwig mit seinen Schlössern Bayern ruiniert? | |
Nein, sagt Heindl, der König sei nur privat verschuldet gewesen. „Er hat | |
keinen Pfennig an öffentlichen Mitteln verwendet.“ Dass die Historiker | |
meist zu anderen Schlussfolgerungen kommen, stört Heindl nicht. Es bestärkt | |
ihn eher in dem Gefühl, allein die Ehre des verflossenen Monarchen zu | |
verteidigen. | |
Bei Bier und Bienenstich in der Schlossgaststätte erklärt Heindl den Nimbus | |
von Ludwig II. damit, dass der König unverheiratet gewesen sei. „Das Volk | |
musste ihn mit niemandem teilen.“ Außerdem sei Ludwig, „was ihn selbst | |
betraf“, immer souverän gewesen. „Was er nicht wollte, das machte er | |
nicht.“ | |
31 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Georg Etscheit | |
## TAGS | |
Reiseland Deutschland | |
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