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# taz.de -- Kolumne Habseligkeiten: Loggia. Fast Süditalien.
> Wer nicht verreist, kann es sich trotzdem schön machen. Auf Balkonien,
> inmitten von Kräutern aus eigenem Anbau.
Haben Sie sich schon entschieden, wohin Sie in den Sommerurlaub fahren?
Nach Portugal? Oder nach Mallorca? Nicht wenige werden in Zukunft an die
Nordsee fahren. Aber vielleicht denke ich das nur, weil am Sonntag bei
"titel, thesen, temperamente" ein Film über diese Region vorgestellt wurde,
der glauben macht, dort läge das Paradies.
Ich selbst fahre lieber in den Cilento als nach Emmelsbüll, wo es immer
saumäßig windet. In Süditalien nämlich ist es wunderschön. Kleine Städtch…
liegen am blauen Meer, im Hintergrund stehen grüne Berge, und die Menschen
sind so freundlich, dass man sie alle gleich umarmen möchte. Gut, die
Menschen fahren unglaublich waghalsig Auto, dafür versteckt sich hinter
jeder Ecke ein Kleinod. In Nordfriesland fährt man schnurstracks geradeaus,
und das Einzige, was einem auffällt ist, dass jede Familie ein riesiges
Trampolin im Garten stehen hat. Das Leben dort muss wirklich langweilig
sein. Nicht so in Bella Italia, wo das Kindertheater um zehn Uhr abends
beginnt.
Leider fahren wir dieses Jahr, aus einer Fülle von Gründen nicht nach
Italien, sondern bleiben zu Hause in Berlin. "Wir machen Urlaub auf
Balkonien", sage ich denn auch dieser Tage häufig und füge als Trost meiner
selbst hinzu: "Dort ist es fast so schön wie in Marina di Camerota." Falls
Sie diesen malerischen Ort nicht kennen, stellen Sie sich etwas hübsches
Italienisches vor, und da haben Sie es. Für unseren Balkon heißt das, es
wird dort tierisch heiß und es stehen wahnsinnig viele Pflanzen herum. Wenn
ich Balkon sage, ist das eigentlich falsch. Denn was sich da in unsere
Wohnung einbettet, nennt sich Loggia, und das hört sich gleich viel
wohnwertsteigender an.
Wenn diese Loggia bis vor kurzem an einen Ort erinnerte, dann höchstens an
den großen Kreisverkehr von Battiplagia, ein tristes Stück Süditalien. Wer
mit dem Auto am Meer entlang Richtung Reggio C. fahren möchte, muss hier
von der Autobahn herunter und landet in einem Rund aus Schutt, Müll und
verdörrten Gras, das erstaunlicherweise nicht in die Ödnis führt. Bei uns
bleichten Plastikwäscheklammern auf dem Boden vor sich hin, von Gästen
gefüllte Aschenbecher standen in der Ecke. Die Stühle leisteten dem Tisch
Gesellschaft, es saß dort nie jemand.
Inzwischen essen wir abends unsere Fussili mit Meeresfrüchten im
Sonnenuntergang und warten darauf, dass die Tomaten reif werden. Gurken
haben wir in diesem Jahr keine gepflanzt, dafür Sonnenblumen, Koriander,
Dill, Chili, Duftwicken, Lavendel, Margeriten, Efeu, Thymian, Erdbeeren,
Männertreu, Pfennigkraut, Hornveilchen, Rosmarin, Salbei und Minze. Es hat
natürlich etwas Angeberisches, wenn man den Freunden beim Abendessen groß
und breit erklärt, welche Kräuter im Essen aus eigenem Anbau stammen. Aber
beim Agriturismo stört das auch niemanden. Im Gegenteil.
Die passende Lektüre für den Sommer in der Loggia habe ich auch schon
gefunden. "Das Rätsel der Sandbank" von Erskine Childers. In diesem Buch
aus dem Jahr 1903 geht es um Segler und Spione. Das Ganze spielt natürlich:
an der Nordsee.
31 May 2011
## AUTOREN
Natalie Tenberg
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