# taz.de -- Deutsche Fußballer: Auf der Suche nach neuer Qualität | |
> Nach dem Sieg in Österreich ist die EM-Qualifikation wohl gesichert. Vor | |
> dem Spiel in Aserbaidschan werkelt Trainer Löw deshalb an den taktischen | |
> Möglichkeiten seiner Elf. | |
Bild: An ihm wird Löw nicht mehr vorbeikommen: Mario Gomez. | |
BAKU taz | Es ist kaum etwas zu spüren vom hohen Fußballbesuch, der diese | |
Woche in der Hauptstadt Aserbaidschans erwartet wird. Am Montag soll zuerst | |
der Weltherrscher Sepp Blatter den 100-jährigen Geburtstag des nationalen | |
Fußballs schmücken. Michel Platini, der Präsident des europäischen | |
Kontinentalverbandes, wird ihn nach Baku begleiten, und dann kommt noch die | |
Fußballnationalmannschaft Deutschlands in das ferne Land am Kaspischen | |
Meer. Doch in den Zeitungen ist von alldem nichts zu lesen, Taxifahrer und | |
Hotelangestellte haben keine Ahnung. "Fußball? Deutschland?" | |
Schulterzucken. | |
Es herrscht eine diametral andere Stimmung als in Wien, wo die | |
Einheimischen in der Vorwoche bei dem Gedanken an das Duell mit dem großen | |
Nachbarn spontan ihre Körper anspannten. Die Österreicher sind dann | |
tatsächlich ein bisschen über sich hinausgewachsen bei ihrer unglücklichen | |
1:2-Niederlage am Freitagabend. "Die wollten eben ihre letzte Chance | |
nutzen", sagt Mario Gomez, der diesen Traum mit seinen beiden Toren in Luft | |
auflöste. Aserbaidschan hat schon lange keine Chance mehr auf die | |
Qualifikation, und am Freitag hat die Mannschaft von Berti Vogts auch noch | |
mit 1:2 bei den bis dahin punkt- und torlosen Kasachen verloren. | |
Die Deutschen müssen sich also nicht besonders fürchten vor diesem Gegner, | |
zumal sie wieder einen Stürmer haben, der auch dann trifft, wenn die | |
Mannschaft sich - wie gegen Österreich - schwertut. Sechs Treffer hat Gomez | |
in seinen sieben Länderspielen seit der WM erzielt, dazu 39 Tore aus 45 | |
Pflichtspielen für den FC Bayern. "Er hat sich enorm weiterentwickelt, er | |
hat einen Lauf und trifft", sagte Auswahlkapitän Philipp Lahm. | |
## "Blockade im Kopf gelöscht" | |
Aber irgendwie stimmt das gar nicht mit dem Lauf. Denn wenn Gomez das | |
Vertrauen von seinem Trainer und der Mannschaft spürt, dann trifft er | |
eigentlich immer. Doch die vielen Stärken des Halbspaniers waren immer | |
überschattet von jenem legendären Fehlschuss von 2008 aus dem EM-Spiel | |
gegen Österreich, als er den Ball aus zwei Metern über das leere Tor | |
bugsierte. Nun hat er an gleicher Stätte gegen den gleichen Gegner zwei | |
Tore erzielt und "die Blockade im Kopf endgültig gelöscht", sagte der | |
Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff. | |
Das Missgeschick von der EM hat Gomez belastet. "Ich habe zu keiner Zeit an | |
diese Dinge von damals gedacht, aber einmal, als der Ball hinter der Linie | |
war, dann schon", sagte er zu seinem 1:0-Führungstor. Da seien ihm "ein | |
paar Steine vom Herzen gefallen". Das Trauma ist also überwunden, und nun | |
fällt es Joachim Löw immer schwerer, den einen Stürmerplatz für Miroslav | |
Klose freizuhalten. | |
In Wien hat der Bundestrainer nun einen interessanten Gedanken zum | |
Luxusproblem mit seiner Angriffsformation verraten. "Ich hätte gerne gegen | |
Österreich im 4-4-2-System gespielt, mit Gomez und mit Klose", sagte Löw. | |
Er war also bereit das bewährte 4-2-3-1, das seit über einem Jahr | |
Deutschlands Wohlfühlsystem ist, aufzugeben. Die Frage lautet jetzt nicht | |
mehr nur "Klose oder Gomez?". Auch die zuletzt nicht immer überzeugenden | |
Außenspieler Thomas Müller oder Lukas Podolski könnten einer | |
Systemumstellung zum Opfer fallen. | |
## Verschiedene Gegner, verschiedene Spielsysteme | |
Nachdem die EM-Teilnahme mit sechs Siegen aus sechs Qualifikationsspielen | |
praktisch sicher ist, beginnt der Bundestrainer zu überlegen, wo das Team | |
noch Entwicklungspotenziale hat. Und je nach Gegner oder Spielsituation, | |
zwischen einem 4-2-3-1 und einem 4-4-2 wechseln zu können, wäre in der Tat | |
eine neue Qualität. Das fabelhafte Offensivquartett der WM (Podolski, Özil, | |
Müller, Klose) verliert seine Unantastbarkeit, neben Gomez drängen ja auch | |
André Schürrle und vielleicht sogar Mario Götze in die Mannschaft. | |
Es ist aber vor allem Gomez, der diese Mannschaft am ehesten weiterbringen | |
kann, er ist in der Lage, dem Team einen alten, weltweit gefürchteten | |
Wesenszug zurückgegeben: die Fähigkeit, Treffer ohne aufwändig | |
herbeikombinierte Chance quasi aus dem Nichts zu erzielen. | |
Gegen Uruguay ist ihm so ein Tor gelungen, gegen Österreich waren es zwei. | |
Vielleicht entwickelt die Nationalelf gerade eine Fähigkeit, die dem Welt- | |
und Europameister Spanien fehlt. Das große Ziel ist ja, die Spanier endlich | |
einmal zu schlagen bei einem großen Turnier. | |
5 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Daniel Theweleit | |
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