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# taz.de -- US-Fitnessguru über den perfekten Body: "Ich hasse faule Menschen"
> Der US-Autor Tim Ferriss möchte, dass wir unseren Körper und unseren
> Geist so weit wie möglich verbessern. Damit ist er sehr erfolgreich. Aber
> muss das sein?
Bild: Tim Ferris: "Versuchskaninchen zu sein ist eben meine Form der Unterhaltu…
taz: Herr Ferriss, Sie sind supererfolgreicher Buchautor und haben den
Leuten in ihrem jüngsten Buch "The 4-Hour Body" demonstriert, wie Sie durch
Selbstdisziplin unglaubliche Dinge mit ihrem Körper anfangen können. Können
Sie sich eigentlich an Ihren letzten richtig ungesunden Exzess erinnern?
Tim Ferriss: Hm. Vielleicht gestern Abend. Ich war wirklich hungrig, es war
zwei Uhr morgens, und wir sind in Berlin in einen Dönerladen gegangen. Ich
habe ein ganzes Hühnchen und einen Salat bestellt. Ein ganzes Huhn direkt
vorm Schlafengehen, das ist wirklich ein bisschen exzessiv.
Die Tipps in ihrem Buch hören sich nicht nach sonderlich viel Spaß im Leben
an: Man soll jeden Tag Eier und Bohnen essen, soll sich in eiskalte
Badewannen legen, um die Fettverbrennung anzukurbeln …
Man sollte definitiv nicht alles tun, was ich in dem Buch beschreibe. Es
ist mehr wie ein Kochbuch - da würde man ja auch nicht alle Rezepte auf
einmal ausprobieren. Man muss eine Auswahl treffen. Wenn man sich zu viele
Ziele auf einmal setzt, überfordert das einfach zu sehr. Ein Schritt nach
dem anderen.
Sie haben sich für das Buch ja unzähligen Selbstversuchen ausgesetzt -
haben sich zum Beispiel mehr als 15 Kilo Muskelmasse in 28 Tagen
antrainiert. Was finden Sie so schön daran, ein menschliches
Versuchskaninchen zu sein?
Ich kann damit Leuten zeigen, wie viel von dem, was wir tun, von Regeln
diktiert wird, die wir selbst aufgestellt haben. Außerhalb von Wissenschaft
und Gesetzen ist die Realität ziemlich verhandelbar. Wenn ich etwas so
Absurdes und Extremes machen kann - dann wirkt es für Sie vielleicht gar
nicht mehr so irre, eine Beziehung zu beenden. Oder eine Familie zu
gründen, obwohl man ein Unternehmen leitet. Und es macht mir einfach Spaß.
Manche Leute schauen Fernsehen, um sich zu unterhalten. Ich mag auch Filme.
Aber Versuchskaninchen zu sein ist eben meine Form der Unterhaltung. Ich
bin offenbar etwas merkwürdig verkabelt im Kopf.
Spaß? Das ist doch Selbstfolter!
Nein, das ist nicht masochistisch. Ich tue das, weil es die Möglichkeiten
in meinem Leben erweitert - jedes Mal, wenn eines dieser Experimente
gelingt. Ob das jetzt Gewichtszunahme ist, mein Gehalt oder meine
Alphabetisierungsprojekte - all diese Dinge bergen Erfolg oder Scheitern
aufgrund dessen, was man als möglich erachtet.
Was Sie in Ihrem Buch vorschlagen, ist ja überhaupt eine Art Body-Hacking -
also der Versuch, die Grenzen des eigenen Körpers zu knacken. Kann das
wirklich jeder schaffen?
Wenn der Gesundheitszustand stimmt, auf jeden Fall. Mein Vater zum Beispiel
ist 65 und hat in einem Jahr 45 Kilogramm Fett abgebaut und 35 Kilo Muskeln
aufgebaut - obwohl er gerade mal eine Stunde Sport in der Woche gemacht
hat. Fettreduktion, höher springen, schneller rennen, Muskelaufbau - all
das sind nur trojanische Pferde für Leute, um Dinge in anderen Bereichen
ihres Lebens zu verändern. Body Hacking ist ein guter Anfang, um mit dem
Experimentieren zu beginnen. Weil man da die Resultate sehen kann. Und dann
setzt sich das in anderen Lebensbereichen fort - auch wenn die Leute das
gar nicht bewusst verfolgen.
Sie haben das Schwimmen gelernt, obwohl Sie ein Kindheitstrauma hatten.
Tangotanz auf Weltklasseniveau. Irrsinnig schnell Japanisch gelernt. Wird
es Ihnen dabei nicht langweilig? Sie wissen doch so langsam, dass sie alles
lernen können.
Nein, langweilig finde ich das nicht. Man muss wie ein Detektiv darangehen,
um all diese Probleme zu lösen. Das ist der Teil, der Spaß macht. Die
Resultate sind nur ein Bonus. Und es ist ja nicht so, dass bei mir ein
Erfolg auf den anderen folgt. Dass ich jede Herausforderung einfach so
meistere. Basketball spielen kann ich überhaupt nicht. Ich bin kein guter
Skifahrer und ein echt lausiger Surfer - ich hoffe, dass ich mich darin in
ein paar Wochen verbessern kann, wenn ich nach Costa Rica fahre.
Aber warum keine Schwächen? Warum ist es denn nicht einfach okay, nicht
schwimmen zu können?
Ich habe mir fast 30 Jahre lang eingeredet, dass das okay ist. Dann habe
ich mir an Neujahr vorgenommen, einen Kilometer auf offener See zu
schwimmen. Bis fast zum Jahresende dachte ich, das wird nichts. Und dann
habe ich es doch geschafft - und bin diese Angst los. Als ich mir gesagt
habe, dass es okay sei, nicht schwimmen zu können, war das nur ein Versuch,
das zu rationalisieren. Natürlich gibt es Dinge, die man nicht in den Griff
bekommen muss. Das hängt davon ab, wie man seine Prioritäten setzt. Aber
für mich, der am Meer aufgewachsen ist, war das wirklich ein
Unsicherheitsfaktor.
Ihre Botschaft ist, dass jeder seine Ängste bekämpfen muss?
Absolut. Weil man sich im Leben nur insoweit erfolgreich fühlt, als man das
tut, wovor man sich fürchtet. Jeden Tag. Oder es zumindest versucht. Das
kann man auch aufs Geschäftsleben übertragen: Da kann man den Erfolg daran
messen, wie viele unangenehme Gespräche man aushält. Unbequemlichkeiten
aushalten - das ist eine meiner Kernbotschaften.
Das ist eine sehr wortreiche Umschreibung dafür, dass Sie faule Menschen
hassen, oder?
Das stimmt. Ich hasse faule Menschen. Ich denke, Leute sollten Fehler
machen, weil sie ambitioniert sind. Nicht weil sie faul sind. Das ist ein
Macchiavelli-Zitat. Die Leute sollen die Welt besser hinterlassen als sie
sie vorgefunden haben. So sehe ich das. Meine Aufgabe ist es nicht, den
Leuten zu sagen, wie sie zu leben haben. Sondern ihnen zu zeigen, wie sie
Dinge ändern können, die sie für unabänderlich halten.
Ist unser Gespräch gerade Arbeit für Sie?
Sie geben mir ja für dieses Interview kein Geld. Also nehme ich mal an, das
hier ist keine Arbeit.
Ich frage nur, weil Sie in ihrem ersten Bestseller "The 4-Hour Workweek"
erklären, wie man seine Arbeitslast so reduziert, dass man nur noch vier
Stunden pro Woche arbeiten muss. Ich würde gern verstehen, wie das
funktionieren soll.
Das Ziel ist, die Kontrolle zurückzugewinnen. Wenn man seine Zeit wirksam
nutzen will, muss man herausfinden, woran man Freude hat und worin man
besonders gut ist. Alles, was da rausfällt, sollte entweder eliminiert
werden - oder man sollte die Arbeit an jemand anderen delegieren.
Wenn etwas Spaß macht, ist es also keine Arbeit?
Ich definiere das so: Arbeit ist, was vor allem finanziell motiviert ist.
Ich sage nicht, dass Leute, die ihren Job lieben, weniger arbeiten müssen.
Aber auf die Mehrheit der Menschen trifft das auch überhaupt nicht zu. Und
ich sage: Nur weil du gerne arbeitest, ist das nicht unbedingt gut für
deine Familie. Es gibt viele Menschen, die ihren Job lieben - bis das in
einer Scheidung endet. Das empfehle ich nicht.
Sie empfehlen stattdessen, Aufgaben outzusourcen. Zum Beispiel nach Indien.
Aber damit verschiebt man die Last an öden Arbeiten aber doch nur Leuten
zu, die auf diesen Job angewiesen sind - was Sie können, weil Sie in einem
Land groß geworden sind, Bildung genossen haben, das Sie privilegiert.
Wenn man sich Bangalore anschaut, sind die bestbezahlten Jobs die in
Callcentern. Das sind Jobs, die sehr viel weniger fordernd sind, als die
Arbeit, die ich delegiere. Für die zehn Dollar, die ich jemandem in
Bangalore pro Stunde bezahle, ist es ziemlich schwierig, in San Francisco
jemanden zu kriegen. Gegner von Outsourcing sagen: Das ist Sklaverei - aber
das ist Bullshit. Denn in Bangalore kann jemand mit zehn Dollar
Lebensmittel für eine Woche einkaufen. Die Frage, die sich jeder stellen
muss, ist: Will ich einen freien Markt oder nicht? Wenn ich die Vorteile
eines freien Marktes haben will, muss man sich dem Wettbewerb stellen. So
funktioniert Kapitalismus einfach.
Ist Ihnen die soziale Situation dieser Menschen egal?
Mir ist es egal, ob jemand Amerikaner, Filipino oder Kanadier ist, 15 oder
50 Jahre alt. Wenn es die beste Person zum besten Preis ist - dann stelle
ich sie ein. Ich würde keinen Kalifornier aufgrund eines nebulösen Gefühls
von Nationalismus einstellen. Das fände ich dumm. Ich werde das indische
Sozialsystem nicht verändern. Aber wenn man eine Mittelklasse aufbaut - das
sieht man derzeit in China -, dann wird sich auch die Politik ändern. Denn
wer das Geld hat, hat auch die Macht.
7 Jun 2011
## AUTOREN
Meike Laaff
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