# taz.de -- Leben auf dem Land: Schlachten und aufessen | |
> Hühner schlachten in der x-ten Generation: Anja Baum und André Meier | |
> beschreiben in ihrer Doku "Hollerbusch statt Hindukusch", wie vertrackt | |
> sich das Leben auf dem Land anfühlt. | |
Bild: Wie schön ist das Leben auf dem Land wirklich? | |
BERLIN taz | Derzeit wandert der literarische Betrieb ja dorfwärts. Der | |
überreizte Intellektuelle und Kulturbürger sucht die Scholle und deren | |
Bewohner auf, manchmal kauft er sich auch selbst einen Hektar - und dann | |
schreibt er drüber. | |
Moritz von Uslar hat den Brandenburger beobachtet und eine Ode auf die | |
Molle verfasst. Hilal Sezgin kaufte sich in Niedersachsen ihr Gehöft und | |
hat ein Lob auf Tiere und gülleresistentes Schuhwerk geschrieben. Und | |
Dieter Moor wurde von seiner Frau in einen verträumten Rinderzüchter | |
verzaubert. | |
Aber es gibt Leute, die sind schon richtig lange dort, auf dem Land. Wer | |
wissen möchte, wo es im stadtfernen Alltag so langgeht, wie es sich | |
anfühlt, die x-te Generation Hühner zu schlachten und aufzuessen, und was | |
das Dauerlandleben mit einem Paar macht, für den gibt's jetzt was Neues. | |
André Meiers und Anja Baums Büchlein "Hollerbusch statt Hindukusch" stellt | |
gewissermaßen die Langzeitdoku für Dorfromantiker dar. | |
Die beiden Journalisten leben seit zehn Jahren im platten, armen und nicht | |
eben weltoffenen Vorpommern. Dort wohnen und arbeiten sie mit Kindern und | |
allerlei Getier unweit der polnischen Grenze in einem … tja, "Dorf' kann | |
man wohl nicht sagen. Es scheint sich eher um eine Art Exklave im | |
Niemandsland zu handeln, so wenig menschliches Personal taucht auf den 144 | |
Seiten auf. | |
## Unbequeme Wahrheit | |
Stattdessen geht es um Grundsätzliches. Das, worüber Landlust-Städter nur | |
ungern nachdenken, wenn sie sich durch Immobilienportale klicken auf der | |
Suche nach einer verträumten Kate. Die Autoren indes wissen Bescheid und | |
berichten ihren Lesern verdienstvollerweise davon. | |
Da wäre der endlose, lichtlose Winter, den Meier und Baum auf ihrem Gehöft | |
zu verbringen gezwungen sind, weil der Winterdienst die Straße zu ihrem | |
Vorwerk nicht vom Schnee geräumt hat. Oder die lebenswichtige Frage, was | |
tun, wenn es keinen Landarzt gibt, und man Herzschmerzen bekommt. Den | |
Strick über den Scheunenbalken werfen oder anderthalb Stunden in die | |
Kreisstadt reisen? | |
Und dann die Kinder, die das Paar einst raus ins Grüne verschleppt hat. Nun | |
sind sie groß und pubertär, und wer ist man, dass man der paarungswilligen | |
Tochter nicht mit Dreißigkilometerfahrten zum Lover in spe zu Diensten | |
wäre? Und da wären natürlich noch die Tiere. Elendig verendet das Pferd in | |
der Stahlarmierung, blutig verläuft die letzte Nacht der Hühner, als der | |
Fuchs sie holt. Und der Hofhund macht auch langsam schlapp. | |
Es sind einfache, wahre Geschichten, die die beiden in 16 Kapiteln | |
aufgeschrieben haben - mal erzählt sie, dann er, und dann quatscht wieder | |
der andere rein. Und was soll man sagen? Man hat endlich mal das Gefühl, | |
hier die Wahrheit nachlesen zu können über das Landleben. So vertrackt und | |
so schön ist es nämlich da draußen. Die beiden - so viel ist klar - gehen | |
da nie wieder weg. Anstrengend kann sehr guttun. | |
14 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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